Ergebnisse der EU Kids Online-Befragung in Deutschland 2019
Buch, Deutsch, 52 Seiten
ISBN: 978-3-87296-157-0
Verlag: Hans-Bredow-Institut
Zielgruppe
Wissenschaftler, Forscher, Erwachsene
Autoren/Hrsg.
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| 5 | Einführung Aufwachsen in digitalen Medien-welten Seit vielen Jahren lässt sich beobachten, dass die Welt, in der Kinder aufwachsen, durch einen funda-mentalen digitalen Medienwandel geprägt ist. Ver-schiedene Studien dokumentieren, dass sich der Zu-gang zu Online-Angeboten zeitlich vorverlagert, dass die Online-Nutzung zunehmend über mobile Endge-räte stattfindet und dass die Heranwachsenden die vielfältigen Möglichkeiten, die ihnen die Online-An-wendungen bieten, neugierig erkunden und auspro-bieren. Mit der Nutzung der digitalen Medien ergeben sich neue Möglichkeiten, aber es steigen auch die Heraus-forderungen und damit das Risiko, ungewollt mit un-angenehmen Inhalten, verletzenden Botschaften oder Verhaltensweisen konfrontiert zu werden. Stress, erzeugt durch den Druck, ständig erreichbar sein zu müssen, um nichts zu verpassen (Stichwort: Fear of Missing out) oder die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation, die nicht so aussieht wie andere Profile auf Instagram – all dies sind weitere Risikobereiche, die oft in Zusammenhang mit der On-line-Nutzung diskutiert werden. Seltener wird in den Blick genommen, was Kinder selbst als unangenehme und verletzende Online-Er-fahrungen wahrnehmen. Sexuelle Inhalte müssen beispielsweise nicht zwangsläufig verstörend sein und der Kontakt mit Fremden, die man im Internet kennengelernt hat, nicht immer bedrohlich. Die bei-den Beispiele zeigen, dass der Fokus auf die potenzi-ellen Risiken den Blick auf die Möglichkeiten verstel-len kann und dass es lohnt, genauer hinzuschauen, was Kinder und Jugendliche online tun und was sie selbst als unangenehm und schlimm empfinden. Das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bre-dow-Institut (HBI) befasst sich seit vielen Jahren mit dem Medienwandel und der Frage, wie Heranwach-sende die digitalen Möglichkeiten nutzen, welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen und an wel-chen Stellen sie Unterstützung benötigen, um die digitalen Medien sicher, selbstbestimmt und verant-wortungsbewusst nutzen zu können. Die vorliegende Studie wirft einen Blick auf die On-line-Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen – so-wohl die positiven als auch die negativen. Sie zeigt auf, über welche Fähigkeiten Heranwachsende im Umgang mit Online-Medien verfügen und inwieweit sie die Möglichkeiten der digitalen Medien für sich selbst und ihre Anliegen nutzen. Darüber hinaus in-teressiert, was Heranwachsende selbst als negative Erfahrungen werten und welche Erfahrungen sie mit ausgewählten Online-Risiken gemacht haben. Dabei werden die Kinder nicht nur als Opfer von negativen Online-Erfahrungen gesehen, sondern auch dazu be-fragt, inwieweit sie selber schon einmal problemati-sche Inhalte verbreitet oder sich anderen gegenüber online unsozial verhalten haben. Zudem wird beleuchtet, inwieweit Eltern, von denen die meisten auch bereits mit digitalen Medien aufge-wachsen sind, die Onlinenutzung der Kinder beglei-ten und wo gegebenenfalls noch Unterstützungsbe-darf besteht. Auf Basis der Ergebnisse werden abschließend Hand-lungsempfehlungen im Hinblick auf den Schutz, die Befähigung und die Beteiligung von Heranwachsen-den im Internet formuliert. Zum Kontext der Studie Die Studie ist Teil des europäischen Forschungsver-bundes EU Kids Online, dessen Ziel es ist, eine in-ternational vergleichende Datenbasis zur Online- Nutzung von Kindern und Jugendlichen bereitzustel-len. Mittlerweile sind über 33 Länder an dem For-schungsnetzwerk beteiligt. In 2010 wurde eine inter-national vergleichende Studie mit 25.000 Kindern im Alter von 9 bis 16 Jahren und jeweils einem Elternteil in 25 Ländern Europas durchgeführt (Livingstone, Haddon, Görzig, Ólafsson 2011, Livingstone, Had-don, Görzig, 2012), gefördert im Safer Internet Pro-gramm (heute Better Internet for Kids, BIK). Seit 2006 ist das Institut Teil des europäischen For-schungsverbundes EU Kids Online, 2015 hat es die Koordination des Netzwerkes übernommen. Standen zu Beginn des EU Kids Online-Projektes auf-grund seiner Förderung im Rahmen des Safer Inter-net Programms insbesondere die Risiken der Online-Nutzung im Vordergrund, hat sich der Blick in den letzten Jahren deutlich erweitert. Angesichts der stei-genden Verbreitung digitaler mobiler Endgeräte, aber auch der Anerkennung der Kinderrechte in Bezug auf die Nutzung digitaler Medien, richtet sich der Blick nunmehr auf die Möglichkeiten, Risiken und Unter-stützungsbedarfe, um Kindern eine sichere und selbstbestimmte und partizipative Nutzung zu ermög-lichen. Die erweiterte Perspektive spiegelt sich auch in dem theoretischen Modell wider, das dem Projekt zugrunde liegt (s. Abbildung 1).