Fischinger | Arbeitsrecht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 450 Seiten

Reihe: Schwerpunkte Pflichtfach

Fischinger Arbeitsrecht


3., neu bearbeitete Auflage 2024
ISBN: 978-3-8114-9067-3
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 450 Seiten

Reihe: Schwerpunkte Pflichtfach

ISBN: 978-3-8114-9067-3
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses Lehrbuch zum Arbeitsrecht dient in erster Linie der Vorlesungsbegleitung und Prüfungsvorbereitung von fortgeschrittenen Jurastudierenden im Pflichtfach.

Es stellt klar und einprägsam die Grundlagen und Grundbegriffe des Arbeitsrechts dar und erläutert eingehend diejenigen Bereiche aus dem Arbeitsrecht, die im Hinblick auf das Examens besonders bedeutsam sind.

Behandelt werden daher u.a.:

  • Grundlagen und Arbeitnehmerbegriff,
  • Begründung des Arbeitsverhältnisses und dessen Beendigung, einschließlich des Kündigungsschutzes,
  • die Haupt- und Nebenpflichten von Arbeitgeber und Abreitnehmer,
  • die Diskriminierungsverbote des AGG,
  • betriebliche Übung und Gleichbehandlungsgrundsatz,
  • Besonderheiten der Haftung im Arbeitsleben,
  • die Befristung von Arbeitsverhältnissen sowie
  • die Änderung von Arbeitsbedingungen.

Viele Beispiele aus der Praxis, über 80 Fälle mit Lösungsskizzen und zahlreiche Prüfungsschemata machen den Lernstoff anschaulich, erleichtern so das Verständnis für komplexe arbeitsrechtliche Zusammenhänge und schulen die Klausuranwendung des Erlernten. Ein abschließendes Kapitel ist der arbeitsrechtlichen Klausur und ihrem Aufbau gewidmet.

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Zielgruppe


Jurastudierende im Pflichtfach

Weitere Infos & Material


§ 1 Einleitung
A. Begriff, Grundlage und Bedeutung des Arbeitsrechts
1 Arbeitsrecht ist das Recht, welches die Bedingungen regelt, unter denen jemand abhängige (fremdbestimmte) Arbeit auf Basis eines privatrechtlichen Vertrags (in der Regel) gegen Entgelt erbringt. Primäre Beteiligte des Arbeitsverhältnisses sind der Arbeitnehmer[1] als derjenige, „welcher Dienste zusagt“ (§ 611 I BGB) und der Arbeitgeber, der als der „andere Teil“ die Zahlung der vereinbarten Vergütung schuldet. Basis des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag (§ 611a BGB), der rechtsdogmatisch ein spezieller Dienstvertrag ist. 2 Das Arbeitsrecht ist – insoweit vergleichbar dem Handelsrecht[2] – ein Sonderprivatrecht, das nur eingreift, wenn einer der am Vertrag Beteiligten Arbeitnehmer ist. Auch wenn es viele Sonderregelungen aufstellt, ist nicht zu übersehen, dass das Arbeitsrecht weitgehend Teil des Bürgerlichen Rechts ist.[3] Daraus folgt v.a. zweierlei: Soweit keine speziellen arbeitsrechtlichen Regeln oder Prinzipien eingreifen, findet das allgemeine Zivilrecht (z.B. §§ 119 ff., 145 ff., 305 ff. BGB) auch im Arbeitsleben Anwendung. Zudem ist maßgebliche dogmatische Grundlage auch des Arbeitsrechts die Privatautonomie der Beteiligten. Soweit das Arbeitsrecht nichts anderes bestimmt, besteht deshalb Vertragsabschluss-, -inhalts- und -beendigungsfreiheit (s. § 105 S. 1 GewO). Die Privatautonomie wurzelt aber tiefer, ist sie doch verfassungsrechtlich ganz generell als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG)[4] sowie im Arbeitsrecht speziell durch die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG geschützt.[5] Angesichts der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers (Rn. 7) erfährt die Privatautonomie im Arbeitsrecht mannigfache Begrenzungen. So ist bspw. die Freiheit des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag einseitig zu beenden, durch den Kündigungsschutz weitgehend eingeschränkt. Das Arbeitsrecht hat in der Praxis überragende Bedeutung. Das gilt zum einen volkswirtschaftlich, machen Arbeitnehmer doch mit Abstand die größte Gruppe der Erwerbstätigen aus (ca. 35.958.000 im Jahr 2015 bei knapp 370.000 arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten)[6]. Zugleich betrifft das Arbeitsrecht – anders als viele andere Materien des juristischen Studiums – fast jeden Bürger irgendwann im Laufe seines Lebens persönlich, in der Regel als Arbeitnehmer. Seine Kenntnis ist deshalb nicht nur für das juristische Examen bedeutsam, sondern auch für das spätere Leben. B. Charakteristika des Arbeitsverhältnisses
3 Das Arbeitsrecht als Rechtsgebiet kann grundlegend nur verstanden werden, wenn man sich die Charakteristika des Arbeitsverhältnisses, die dieses von der Mehrzahl der allgemein-zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen unterscheidet, vor Augen führt. I. Dauerschuldverhältnis
4 Das Arbeitsverhältnis ist regelmäßig ein Dauerschuldverhältnis, das oft über Jahre/Jahrzehnte zwischen denselben Vertragspartnern besteht. Dieser Umstand hat wichtige Konsequenzen: • Die Einzelheiten dessen, was sich die beiden Partner im Laufe der Jahre schulden, kann faktisch nicht bis ins letzte Detail bereits im Arbeitsvertrag geregelt werden. Das gilt für die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers, insb. weil es notwendig ist, die Arbeitslöhne an die kontinuierliche Kaufkraftentwicklung anzupassen. V.a. aber gilt es für die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, kann doch nicht im Voraus bestimmt werden, welche konkrete Aufgabe er an welchem Tag an welchem Ort auf welche Weise auszuführen hat. Es muss daher eine Möglichkeit geben, die generelle vertragliche Arbeitspflicht näher zu konkretisieren. Das geschieht über das sog. Weisungsrecht des Arbeitgebers (dazu Rn. 582 ff.). • Weil die über einen längeren Zeitraum ausgetauschten Leistungen oft nicht oder nur schwer rückabgewickelt werden können, wird ein nichtiges Arbeitsverhältnis meist für die Vergangenheit als wirksam behandelt (s. Rn. 186 ff.). • Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit drohen besondere Haftungsrisiken, ist doch selbst bei Beachtung eines hohen Sorgfaltsmaßstabes die Wahrscheinlichkeit, irgendwann im Laufe der Zeit einen schadensverursachenden Fehler zu machen, deutlich höher als bei einem sich in einem kurzfristigen Leistungsaustausch erschöpfenden Schuldverhältnis. Nicht nur, aber auch deshalb kennt das Arbeitsrecht ein besonderes Haftungsregime (näher Rn. 724 ff.). • Eine ununterbrochene Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung würde den Arbeitnehmer physisch wie psychisch auszehren. Um dem vorzubeugen – und weil man nicht leben sollte, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu leben –, besteht ein Bedürfnis nach regelmäßigem Erholungsurlaub (dazu Rn. 630 ff.). • Die (langjährige) Zusammenarbeit kann die ohnehin schon bestehenden gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten auf die Interessen der anderen Vertragspartei steigern. Das kann sich bspw. bei der beschränkten Arbeitnehmerhaftung (Rn. 740 – Betriebszugehörigkeit) oder dem Kündigungsschutz („erdientes Vertrauen“, s. Rn. 1012) auswirken, wird doch bei beiden der langfristigen (störungsfreien) Betriebszugehörigkeitsdauer Rechnung getragen. • Wie jedes Dauerschuldverhältnis, so bedarf auch das Arbeitsverhältnis spezieller Regelungen zu seiner Beendigung. Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit muss es im Grundsatz für beide Vertragspartner möglich sein, sich vom Vertrag zu lösen. Neben einer Befristung der Vertragslaufzeit (Rn. 1157 ff.) kommt insoweit v.a. ein Aufhebungsvertrag (Rn. 1109 ff.) oder eine Kündigung (Rn. 842 ff.) in Betracht. Weil das Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer meist existenzielle Bedeutung hat (Rn. 5), unterliegen Befristung und Kündigung durch den Arbeitgeber speziellen Beschränkungen. II. Existenzielle Bedeutung
5 Es gibt nur wenige Vertragsverhältnisse, denen eine ähnliche existenzielle Bedeutung zukommt wie dem Arbeitsverhältnis. Obwohl Arbeitnehmer auch sein kann, wer – z.B. infolge einer großen Erbschaft oder eines Lottogewinns – wirtschaftlich nicht auf die Lohnzahlung angewiesen ist, so stellt doch das Arbeitsverhältnis für den größten Teil der arbeitenden Bevölkerung die Existenzgrundlage dar. Daraus resultiert eine besondere Gefahrenlage für den Arbeitnehmer, droht ihm doch bei zu schlechter Entlohnung, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oftmals der wirtschaftliche Ruin. Das Arbeitsrecht strebt danach, diesen Risiken – zum Teil im Verein mit dem Sozialrecht – auf verschiedene Arten vorzubeugen bzw. zu minimieren (z.B. Mindestlohn, Tariflöhne, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Befristungs- und Kündigungsschutz). III. Eingliederung in fremde Betriebsorganisation
6 Der Arbeitnehmer wird typischerweise an dem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort in dessen Betriebsorganisation tätig. Aus dieser Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsstruktur resultieren besondere Schutzinteressen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, v.a. hinsichtlich Leib und Leben (technischer Arbeitsschutz), Eigentum und Vermögen (z.B. muss der Arbeitgeber ggf. abschließbare Spinde zur Aufbewahrung von Wertsachen zur Verfügung stellen) sowie seinem Persönlichkeitsrecht (z.B. Schutz vor Mobbing). Darüber hinaus hat diese Eingliederung meist zur Folge, dass der Arbeitnehmer in einer Betriebsgemeinschaft im Zusammenwirken mit Kollegen tätig wird. Auch wenn zwischen den Arbeitnehmern keine vertraglichen Beziehungen bestehen, resultieren aus diesem notwendigen Zusammenwirken besondere Interessen- und Konfliktlagen (z.B. wer wann in Erholungsurlaub geht), auf die das staatliche Arbeitsrecht und/oder die Beteiligten (z.B. über einen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Urlaubsplan, vgl. § 87 I Nr. 5 BetrVG) eine Antwort finden müssen. IV. Strukturelles Machtungleichgewicht
7 Die obigen Faktoren führen – insb. in ihrer Gesamtschau – dazu, dass sich der einzelne Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber typischerweise in einer strukturell unterlegenen Position befindet.[7] Das gilt zunächst bei Vertragsbegründung. Schon weil der Arbeitnehmer, jedenfalls meist, wirtschaftlich darauf angewiesen ist, diese bzw. zumindest irgendeine Arbeitsstelle innezuhaben, begegnen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer meist nicht auf „Augenhöhe“; oft ist zudem der Arbeitgeber juristisch besser vorgebildet und/oder die Arbeitsmarktsituation dergestalt, dass er die Wahl zwischen mehreren Bewerbern hat. Folge ist, dass er den Bewerber in Bezug auf die...


Professor Dr. Philipp S. Fischinger, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Mannheim.


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