E-Book, Deutsch, 150 Seiten
Reihe: Unirep Jura
Engländer Examens-Repetitorium Strafprozessrecht
12., neu bearbeitete Auflage 2024
ISBN: 978-3-8114-9075-8
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 150 Seiten
Reihe: Unirep Jura
ISBN: 978-3-8114-9075-8
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
- 75 – an zentrale höchstrichterliche Entscheidungen angelehnte – Fälle mit Lösungen,
- zahlreiche Schaubilder und Übersichten sowie
- Wiederholungsfragen zur abschließenden Kontrolle des Lernerfolgs
Die Neuauflage:
Für die 12. Auflage sind Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum bis zum Stand
Juni 2024 eingearbeitet worden. Schwerpunktmäßig ergaben sich examensrelevante Änderungen
und Entwicklungen diesmal aus der aktuellen Judikatur.
Berücksichtigung gefunden
haben u.a. das Urteil des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des § 362 Nr. 5 StPO
(BVerfG NJW 2023, 3698) sowie die Entscheidungen des BGH
- zur Präklusion des Besetzungseinwands (BGH NJW 2022, 1470),
- zur Bestellung eines Pflichtverteidigers bei Verteidigungsunfähigkeit des Beschuldigten (BGH NJW 2022, 2126),
- zur Besorgnis der Befangenheit bei Vorbefassung (BGH NStZ 2023, 53),
- zur Tatprovokation (BGH NStZ 2023, 243),
- zur Verwertbarkeit vernehmungsähnlicher Gespräche zwischen einem VMann und dem Beschuldigten (BGH NStZ 2023, 560) sowie
- zu den Voraussetzungen der Fristsetzung zum Anbringen von Beweisanträgen (BGH NStZ 2024, 312).
Zielgruppe
Studierende, insbesondere Examenskandidaten, Rechtsreferendare
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
III. Der Beschuldigte
1. Der Beschuldigtenstatus
58 Die Bezeichnung „Beschuldigter“ bildet den Oberbegriff für denjenigen, gegen den sich ein Strafverfahren richtet. Nach § 157 StPO heißt der Beschuldigte auch: - Angeschuldigter, nachdem gegen ihn Klage erhoben wurde, - Angeklagter, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen wurde. 59 Der Entscheidung, ob jemand als Beschuldigter zu behandeln ist oder nicht, kommt erhebliche Bedeutung zu, weil mit dem Beschuldigtenstatus besondere Rechte verbunden sind. Insb. kann der Beschuldigte wegen der unterschiedlichen Rechte und Pflichten nicht in ein und demselben Verfahren zugleich Zeuge sein. Begründet wird die Beschuldigteneigenschaft durch folgende Voraussetzungen: - Tatverdacht (objektive Komponente): Als Beschuldigter kommt nur derjenige in Betracht, gegen den zumindest ein Anfangsverdacht besteht. - Verfolgungswille (subjektive Komponente): Zum Tatverdacht muss noch ein Willensakt der Strafverfolgungsbehörde hinzutreten, das Strafverfahren gegen den Tatverdächtigen als Beschuldigten zu führen. Der Tatverdacht allein macht noch niemanden zum Beschuldigten, da ein solcher auch bei einem Zeugen bestehen kann, vgl. §§ 55 Abs. 1, 60 Nr. 2 StPO. Fall 15: Dem Bauern B wird des Nachts die Scheune angezündet. Er erstattet Anzeige bei der Polizei und benennt als mutmaßlichen Täter seinen mit ihm verfeindeten Nachbarn N, der ihm schon mehrfach damit gedroht hatte, Haus und Hof „abzufackeln“, und den er am Tatabend in der Nähe der Scheune verdächtig herumschleichen gesehen hat. Die Polizei vernimmt daraufhin den N, allerdings ohne diesen als Beschuldigten zu informieren und zu belehren. N verstrickt sich sofort in Widersprüche. Die Polizei hält ihr Vorgehen für zulässig, da sie das Verfahren „gegen unbekannt“ geführt habe. N sei deshalb zum Zeitpunkt der Befragung nicht Beschuldigter, sondern Zeuge gewesen. Lösung: Haben sich die Verdachtsmomente zu einem konkreten Anfangsverdacht verdichtet, sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, den Verdächtigen als Beschuldigten zu behandeln. Nach h.M. steht ihnen hierbei zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Allerdings darf dem Verdächtigen der Beschuldigtenstatus nicht willkürlich vorenthalten werden. Zur Begründung der Beschuldigteneigenschaft ist es deshalb auch nicht erforderlich, dass die Strafverfolgungsbehörde förmlich erklärt, einen Verdächtigen nunmehr als Beschuldigten zu behandeln (vgl. Beulke/Swoboda, Rn. 172 f.). Dies kann auch konkludent im Handeln der Behörde zum Ausdruck kommen, insb. bei solchen Maßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind (z.B. vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO). Erfolgt eine Vernehmung auf Grund einer gegen den Vernommenen ergangenen Anzeige, gibt die Strafverfolgungsbehörde damit stets zu erkennen, dass sie das Verfahren gegen den Vernommenen als Beschuldigten betreibt (Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, Einl Rn. 77). N war hier daher nicht Zeuge, sondern Beschuldigter und hätte deshalb über seine Rechte belehrt werden müssen (zu den Folgen der unterbliebenen Belehrung vgl. Rn. 251). 2. Die Pflichten des Beschuldigten
60 Der Beschuldigte ist zwar nicht verpflichtet, aktiv zur Sachaufklärung beizutragen, insb. trifft ihn keine Wahrheitspflicht, doch treffen ihn die folgenden Duldungs- und Mitwirkungspflichten: - Erscheinenspflicht im Ermittlungsverfahren: Der Beschuldigte muss zu den Vernehmungen vor dem Ermittlungsrichter und dem StA erscheinen, §§ 133, 163a Abs. 3 S. 1 StPO. Dies gilt selbst dann, wenn er zuvor erklärt hat, nicht zur Sache aussagen zu wollen (Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, § 133 Rn. 5). Bleibt er unentschuldigt aus, kann er zwangsweise vorgeführt werden, §§ 133 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 2 StPO. Einer Ladung der Polizei braucht er dagegen nicht nachzukommen (Umkehrschluss aus § 163a Abs. 3 ggü. Abs. 4 StPO). - Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung: Der Beschuldigte muss zur Hauptverhandlung erscheinen, § 230 StPO, und dort anwesend bleiben, § 231 StPO. Falls er unentschuldigt ausbleibt, ordnet das Gericht seine zwangsweise Vorführung an oder erlässt einen Haftbefehl, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist, § 230 Abs. 2 StPO. Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht sind in § 233 StPO geregelt. - Duldung von Zwangsmaßnahmen: Der Beschuldigte muss bestimmte Eingriffe und Zwangsmaßnahmen gegen sich dulden (dazu Rn. 117 ff.). 3. Die Rechte des Beschuldigten
61 Dem Beschuldigten steht eine ganze Reihe von Rechten zu. Die wichtigsten sind: • Aufklärungsrecht: Der Beschuldigte hat ein Recht, dass ihm bei Beginn der Vernehmung eröffnet wird, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und (außer bei polizeilichen Vernehmungen, § 163a Abs. 4 S. 1 StPO) welche Strafvorschriften in Betracht kommen, § 136 Abs. 1 S. 1 StPO. 62 • Aussageverweigerungsrecht: Der Beschuldigte besitzt ein Aussageverweigerungsrecht, auf das er bei der Vernehmung, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO, aber auch in der Hauptverhandlung, § 243 Abs. 5 S. 1 StPO, hinzuweisen ist. 63 • Recht auf einen Verteidiger: Der Beschuldigte hat ein Recht, in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger zu wählen, § 137 StPO. Auf dieses Recht muss er bei der Vernehmung hingewiesen werden, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. In den Fällen der notwendigen Verteidigung (z.B. wenn ihm ein Verbrechen zur Last gelegt wird), § 140 StPO, kann er die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragen, § 141 Abs. 1 StPO, worüber er ebenfalls aufgeklärt werden muss, § 136 Abs. 1 S. 5 StPO. Zudem ist dem Beschuldigten nach § 141 Abs. 2 StPO in den dort genannten Fällen der Pflichtverteidiger auch ohne Antrag zu bestellen. 64 • Akteneinsichtsrecht: Verfügt der Beschuldigte über keinen Verteidiger, steht ihm unter den Voraussetzungen des § 147 Abs. 4 S. 1 StPO ein Akteneinsichtsrecht zu, soweit die Akten elektronisch geführt werden (zur Form der Akteneinsicht vgl. § 32f Abs. 1 StPO; zu nicht elektronisch geführten Akten s. § 147 Abs. 4 S. 2 StPO). Hat er dagegen einen Verteidiger, steht das Akteneinsichtsrecht nur diesem zu (vgl. Rn. 74). 65 • Rechtliches Gehör: Der Beschuldigte besitzt einen Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, konkretisiert u.a. in §§ 33, 136 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2, 168c Abs. 2 S. 2, 201 Abs. 1, 243 Abs. 5, 258 Abs. 1 u. 2, 265 StPO. 66 • Beweisantrags- und Fragerecht: Der Beschuldigte hat das Recht, Beweisanträge, §§ 219, 244 ff. StPO, und an Zeugen und Sachverständige (nicht dagegen an Mitangeklagte) Fragen, §§ 168c Abs. 2 S. 2, 240 Abs. 2 StPO, zu stellen. Ferner ergibt sich nach der Rspr. des EGMR ein Recht auf konfrontative Befragung aus Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK (näher dazu EGMR NJW 2006, 2753, s. auch Fall 44). 67 • Anwesenheitsrecht: Der Beschuldigte hat nicht nur die Pflicht, sondern auch ein Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung (ein weiteres Anwesenheitsrecht enthält § 168c Abs. 2 StPO). Dieses Recht wird allerdings in den Fällen der §§ 231 Abs. 2, 231a–233, 247 StPO eingeschränkt, weil der Beschuldigte sonst durch Manipulationen die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens behindern könnte. Dabei ist folgendes zu beachten: - Grds. sind diese Ausnahmevorschriften restriktiv zu interpretieren. - Bei § 231 Abs. 2 StPO muss der Angeklagte in der Ladung auf die möglichen Folgen seines Fernbleibens hingewiesen worden sein. Ferner ist über den Wortlaut hinaus erforderlich, dass das Nichterscheinen des Angeklagten eigenmächtig war, d.h., dass er ohne Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt hat (BGHSt 37, 249). Eine solche Eigenmächtigkeit des Sich-Entfernens bejaht der BGH auch, wenn der Angeklagte während der Hauptverhandlung einen Suizidversuch unternimmt, solange er nicht an einer krankhaften seelischen Störung oder schweren anderen seelischen Abartigkeit leidet – wofür eine mittelgradige depressive Episode regelmäßig nicht ausreichen soll (BGHSt 56, 298; diff....