E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reihe: Tom-Douglas-Reihe
Abbott Das stumme Mädchen
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-492-96590-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reihe: Tom-Douglas-Reihe
ISBN: 978-3-492-96590-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Leben von Emma Joseph könnte perfekt sein. Sie hat ein entzückendes Baby und einen liebevollen Ehemann - David. Doch David hat eine dunkle Vergangenheit: Bei einem mysteriösen Autounfall starb seine erste Frau und seine kleine Tochter verschwand spurlos. Als das Mädchen sechs Jahre später wie aus dem Nichts wieder auftaucht, wird Emma das Gefühl nicht los, dass von dem Mädchen eine stumme Bedrohung ausgeht. Handelt es sich tatsächlich um Davids Tochter? Und wenn ja, was hat sie zu verbergen?
Rachel Abbott, geboren und aufgewachsen in Manchester, leitete viele Jahre als Systemanalytikerin ihre eigene kleine Softwarefirma. Seit 2005 lebt die freiberufliche Webdesignerin und Autorin mit ihrem Ehemann und ihren zwei Hunden in den Marken in Italien und auf der französischen Kanalinsel Alderney.
Weitere Infos & Material
Prolog Noch zehn Minuten und sie würde wohlbehalten zu Hause sein. Caroline Joseph erschauderte vor Erleichterung, weil die lange Fahrt endlich vorbei sein würde. Sie war noch nie gern nachts gefahren, denn sie hatte dabei stets ein wenig das Gefühl, die Dinge nicht mehr richtig im Griff zu haben. Jedes sich nähernde Scheinwerferpaar schien sie anzuziehen; immer wieder erleuchtete weißes Licht das Wageninnere, während sie das Lenkrad umklammerte und sich bemühte, das Auto auf Spur zu halten. Aber jetzt war es ja nicht mehr weit. Sie freute sich darauf, Natasha in die warme Badewanne zu stecken, ihr eine Tasse heiße Schokolade zu machen und sie ins Bett zu bringen. Dann konnte sie sich den Rest des Abends David widmen. Etwas belastete ihn, und Caroline glaubte, dass sie ihm, vor dem Kaminfeuer und bei einem Glas Wein, wenn Natasha fest schlief, das Problem vielleicht würde entlocken können. Es musste etwas mit der Arbeit zu tun haben. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel auf ihre wundervolle Tochter. Tasha war sechs – oder sechsdreiviertel, wie sie gern stolz betonte –, auch wenn sie wegen ihres zierlichen Körperbaus jünger wirkte. Das hellblonde Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern. Jedes Mal, wenn sie eine Straßenlaterne passierten, wurden ihre zarten Gesichtszüge in gelbes Licht getaucht. Sie hatte die Augen geschlossen und sah so friedlich aus, dass Caroline lächeln musste. Wie immer war Tasha brav gewesen und hatte zufrieden mit ihren jüngeren Cousins gespielt, während die Erwachsenen herumhasteten, um Carolines Vater jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Er hatte einen seiner Befehle erteilt – diesmal lautete er, dass Caroline und ihre Geschwister samt Familien sich zu einem vorweihnachtlichen Abendessen einzufinden hatten. Wie immer hatten alle gehorcht. Das hieß alle mit Ausnahme von David. Die Abzweigung in die Seitenstraßen, die zu ihrem Haus führten, näherte sich rasch, und Caroline warf noch einen Blick auf Tasha. Sobald sie die Hauptstraße verlassen und sich von den hell erleuchteten Schaufenstern und dem gelblichen Schein der hohen Straßenlaternen entfernt hatten, würde der Rücksitz des Wagens in Dunkelheit liegen. Das Mädchen hatte den Großteil der Fahrt verschlafen, regte sich aber allmählich. »Alles in Ordnung, Tasha?«, fragte Caroline. Das Kind murmelte nur eine schlaftrunkene Antwort, war noch nicht wach genug, um etwas zu sagen, und rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen. Caroline lächelte. Sie bremste leicht ab und schaltete herunter, um die Kurve zu umrunden. Jetzt musste sie nur noch die letzten Kilometer der Fahrt hinter sich bringen, durch enge, von Hecken gesäumte, stockfinstere Straßen. Dann hatte sie es überstanden. Sie war ein wenig ärgerlich auf David. Er wusste doch, wie ungern sie nachts fuhr. Also hätte er sich die Mühe machen können – für Natasha, wenn auch nicht für sie. Sie hatten ihn beide vermisst. Plötzlich bemerkte Caroline eine Bewegung auf ihrer linken Seite und bekam Herzklopfen. Eine Eule sauste im Tiefflug über die Hecken. Der Strahl der Autoscheinwerfer fing sich hell in ihrer weißen Brust, die sich vom schwarzen Himmel abhob. Caroline atmete auf. Der Mond schien nicht, und auf dem schwarzen Asphalt der schmalen Straßen, die zu ihrem Haus führten, glitzerte der Raureif. Es war so still, als wäre die Welt stehen geblieben. Nun, da die Eule fort war, war ihr Auto das Einzige, was sich rührte. Caroline wusste, dass außer dem leisen Brummen ihres Motors auch kein Geräusch zu hören sein würde, wenn sie das Fenster öffnete. Weder vor ihr noch hinter ihr war Licht zu sehen, und kurz drohte ihre beständige Angst vor der Dunkelheit sie zu überwältigen. Sie beugte sich vor, stellte das Radio leiser und ließ sich von den fröhlichen, für diese Jahreszeit typischen Weihnachtsliedern beruhigen. Bald würde sie das Gedudel satthaben, doch im Moment empfand sie diese vergnügte Alltäglichkeit als Trost. Sie lächelte, als neben ihr auf dem Beifahrersitz das Telefon läutete. Das war sicher David, der wissen wollte, wann sie zurück sein würde. Sie warf nur einen flüchtigen Blick auf das Display, bemerkte jedoch im letzten Moment, dass es sich um eine unterdrückte Nummer handelte. Also tippte sie aufs Display und drückte den Anruf weg. Wer immer es auch sein mochte, konnte warten, bis sie zu Hause war. Mit einer Hand steuerte sie um eine scharfe Kurve und legte mit der anderen das Telefon wieder auf den Sitz. Der Wagen geriet auf der glatten Straße leicht ins Schlittern. Kurz bekam sie es mit der Angst zu tun. Doch das Auto hielt die Spur, und sie atmete auf. Vorsichtig nahm Caroline die nächsten Kurven, aber ihre angespannten Schultern lockerten sich erst, als sie das kurze gerade Stück Straße erreichte, wo hohe Hecken zu beiden Seiten die Sicht auf tiefe Gräben versperrten. Caroline beugte sich zur Windschutzscheibe vor und spähte in die Nacht hinaus. Die Scheinwerfer erfassten eine dunkle Kontur – etwas vor ihr auf der Straße. Sie bremste leicht ab und schaltete vorsichtshalber einen Gang herunter. Im zweiten Gang näherte sie sich dem Hindernis und erkannte schließlich erschrocken, dass es sich um ein Auto handelte, das quer auf der Fahrbahn stand. Die Vorderreifen waren im Graben auf der rechten Straßenseite versunken. Sie glaubte, eine über dem Lenkrad zusammengesackte Gestalt im Wageninneren zu erkennen. Langsam rollte Caroline auf das Auto zu. Als sie auf den Knopf drückte, um ihr Fenster herunterzulassen, bekam sie plötzlich Herzklopfen. Offenbar brauchte da jemand Hilfe. Wieder läutete ihr Telefon. Ihr erster Gedanke war, nicht darauf zu achten, doch wenn sich hier ein Unfall ereignet hatte, musste sie Hilfe holen. Rasch griff sie nach dem Telefon und nahm den Anruf an. Dabei bemerkte sie, dass ihre Hand zitterte. »Hallo?« »Caroline, bist du schon zu Hause?« Die Stimme kam ihr bekannt vor, doch sie konnte sie nicht einordnen. Ihr Blick ruhte weiter auf dem Hindernis vor ihr, als sie stoppte und ihren Sicherheitsgurt öffnete. »Noch nicht. Warum? Wer spricht da?« »Hör mir einfach nur zu. Ganz gleich, was du auch tust, halt unter gar keinen Umständen an.« Der Mann sprach schnell und leise. »Fahr nach Hause. Fahr sofort nach Hause. Hörst du?« Der panische Tonfall am Telefon spiegelte Carolines eigene wachsende Furcht wider. Sie zögerte. »Aber da steht ein Wagen quer auf der Straße. Offenbar hatte jemand einen Unfall. Vielleicht ist er krank oder verletzt. Warum darf ich nicht anhalten? Was ist los?« »Tu einfach, was ich dir sage, Caroline. Steig auf keinen Fall aus. Und jetzt gibst du Gas und fährst an dem Auto vorbei. Bleib unter keinen Umständen stehen, ganz gleich, was passiert. Tu es einfach.« Die Stimme klang angespannt und drängend. Caroline spürte, wie ihr die Angst in der Kehle hochstieg. Was sollte das? Nach einem Blick in den Rückspiegel traf sie eine Entscheidung. Sie warf das Telefon auf den Beifahrersitz und umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen. Der Kombi war lang und tiefergelegt, und das Heck blockierte den Großteil der Straße. Die Hinterreifen schwebten ein Stück über dem Boden, da die Motorhaube im Graben hing. Es war nicht viel Platz, um am Heck des Wagens vorbeizukommen. Aber sie würde es schaffen. Sie musste es schaffen. Sie trat das Gaspedal kräftig durch. Die Reifen schlitterten auf der vereisten Fahrbahn. Doch dann griffen sie, und sie riss das Auto nach links. Die Reifen auf der Fahrerseite holperten entlang der Böschung unterhalb der Hecke, sodass der Wagen in eine gefährliche Schieflage geriet. Sie lenkte wieder nach rechts, und landete mit einem dumpfen Geräusch; das Auto zeigte nun auf die entgegengesetzte Straßenseite. Caroline lenkte erneut nach links, um das Fahrzeug auszurichten. Der Motor heulte auf, als sie beschleunigte. Plötzlich spürte sie, dass sie zu rutschen anfing. Panisch lenkte sie erst in die eine, dann in die andere Richtung, doch was sie auch tat, das Auto reagierte nicht. Blitzeis, und sie fuhr viel zu schnell. Sie erinnerte sich, dass man ihr beigebracht hatte, in die Rutschbewegung hineinzusteuern, doch das fühlte sich irgendwie falsch an. Ein Name schoss ihr durch den Kopf. Plötzlich war ihr klar, wer sie angerufen hatte. Aber warum er? Sie rief seinen Namen, wusste jedoch, dass er nichts mehr unternehmen konnte. Als ihr Blick durch den Rückspiegel in den hinteren Teil des Wagens fiel, sah sie das Weiße in Natashas entsetzt aufgerissenen Augen. Sie trat heftig auf die Bremse, doch nichts geschah. Das Auto geriet ins Schleudern, prallte erneut gegen die Böschung, neigte sich auf eine Seite, fiel um, kippte aufs Dach, brach durch die Hecke und landete im Graben. Carolines zerschmetterter Körper hing halb aus dem offenen Fenster. *** Der Polizist fuhr durch die schmalen Straßen und genoss den seltenen Moment der Ruhe, bevor das weihnachtliche Chaos ausbrechen würde. Ein anonymer Anrufer hatte gemeldet, irgendwo hier in der Nähe sei ein Auto von der Straße abgekommen. Doch laut Zentrale hatte der Mann keine Einzelheiten nennen können. Also hoffte der Polizist, dass nur irgendein Idiot seine Kiste hier abgestellt hatte, wegen einer Panne oder weil ihm der Sprit ausgegangen war. So kurz vor den Feiertagen hatte er genug davon, sich mit Betrunkenen herumärgern zu müssen, und ein verlassenes Fahrzeug würde ihn für eine Weile beschäftigen – vielleicht sogar bis zum Ende seiner Schicht. Allerdings wurde ihm bald klar, dass er sich zu früh gefreut hatte. Es waren die Scheinwerfer, die seinen Verdacht erregten. Niemand ließ sein Auto mit...