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Asseburg | Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6580, 291 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Asseburg Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza

Hintergrund, Eskalation, Folgen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-406-82893-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Hintergrund, Eskalation, Folgen

E-Book, Deutsch, Band 6580, 291 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-82893-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit dem Angriff der Hamas auf Israel und Israels Krieg im Gazastreifen ist der Nahostkonflikt in ungekannter Schärfe eskaliert. Muriel Asseburg erklärt im historischen Kontext und mit wohltuender Distanz, was seit dem 7. Oktober 2023 passiert ist, welche Akteure in den Konflikt involviert sind und welche Folgen der Krieg weit über Israel und Palästina hinaus hat. Ein Muss für alle, die verstehen wollen, warum der Konflikt immer weiter eskaliert und was die Beteiligten antreibt. 7. Oktober 2023: Die Bewohner der Kibbuzim und Orte in Grenznähe des Gazastreifens sowie die Besucher des Nova-Musikfestivals - aber auch das israelische Militär - werden von einem Terrorangriff der Hamas überrascht. Mehr als 1100 Menschen werden brutal ermordet, rund 250 Geiseln verschleppt. Israel riegelt daraufhin den Gazastreifen vollständig ab, startet eine Großoffensive gegen die Hamas und nimmt eine humanitäre Katastrophe in Kauf. Muriel Asseburg schildert mit viel Empathie die schrecklichen Ereignisse seit dem 7. Oktober, erläutert die Vorgeschichte und zeigt, wie der Krieg immer weitere Kreise zieht: vom Westjordanland bis nach Syrien und Irak, über den Libanon bis zu den Huthi-Milizen im Jemen und zu direkten Angriffen zwischen Israel und Iran. Sie schildert auch die Bemühungen der USA, der arabischen Kontaktgruppe und der Internationalen Gerichtshöfe in Den Haag, die Gewalt einzudämmen. Dabei gelingt es ihr souverän, die unterschiedlichen Perspektiven deutlich zu machen und so ein Bild von beeindruckender Tiefenschärfe zu zeichnen.

Muriel Asseburg, Dr. rer. pol., ist Nahostexpertin an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Asseburg Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza jetzt bestellen!

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Einleitung


Der Angriff der Hamas und anderer bewaffneter Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023 war für Israels Staat und Gesellschaft eine Zäsur. Die Gräueltaten, bei denen rund 1100 Menschen brutal ermordet und über 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden, erschütterten die Bevölkerung bis ins Mark und wurden mehrheitlich als Pogrom gegen Jüdinnen und Juden oder sogar als «Mini-Holocaust»[1] gelesen. Damit riefen die Angriffe auch das kollektive Trauma der jüdisch-israelischen Gesellschaft, die Judenverfolgung und -vernichtung während der Shoa, wach. Auch bedeuteten sie eine massive Demütigung für Israel, dessen Militär und Geheimdienste bis zu diesem Zeitpunkt als allen regionalen Gegnern weit überlegen gegolten hatten. Deshalb war für Israels Regierung und Bevölkerung klar: Ein «Weiter so» konnte es nicht geben. Aus dem Gazastreifen sollte nie wieder eine Bedrohung für Israel erwachsen. Erreicht werden sollte dies durch einen Krieg gegen die Hamas und die anderen bewaffneten Gruppierungen im Gazastreifen. Ziel der Operation war zum einen die nachhaltige Zerstörung ihrer militärischen Kapazitäten, zum anderen sollte die Hamas nicht länger im Gazastreifen regieren, und schließlich sollten die Geiseln befreit werden.

Vor allem zu Beginn des Krieges ging die israelische Armee mit großer Feuerkraft vor. Das Ergebnis war eine präzedenzlose Zahl von Toten und Verwundeten im Gazastreifen mit einem sehr hohen Anteil an Frauen, Kindern und Alten. Zwar forderte Israel die Bevölkerung auf, die Kampfgebiete zu verlassen, doch war eine Flucht aus dem Küstengebiet aufgrund der Abriegelung nicht möglich. Es gab dort auch keinen Ort, der wirklich Sicherheit bieten konnte. Am Jahrestag des 7. Oktober waren rund 1,9 Millionen Menschen – und damit rund 90 Prozent der verbliebenen Einwohnerinnen und Einwohner des Küstenstreifens – zu Binnenflüchtlingen geworden; viele von ihnen waren bereits mehrfach vor den Bombardierungen geflüchtet.[2] Zudem hatte sich die humanitäre Lage extrem zugespitzt. Mit Beginn der Militäroperation hatte Israel alle Strom- und Wasserlieferungen in das Küstengebiet eingestellt und eine vollständige Abriegelung verhängt. Auch wenn Israel zwei Wochen später Hilfslieferungen zuließ, blieben diese durchgehend weit unter dem Bedarf. In der Folge breiteten sich ansteckende Krankheiten rasch aus. Die Bombardierungen führten zudem zu großflächigen Zerstörungen von Wohnhäusern und ziviler Infrastruktur und machten große Teile des Gazastreifens auf absehbare Zeit unbewohnbar.

Im ersten Jahr des Krieges konnte Israel seine Kriegsziele nur eingeschränkt erreichen. Zwar gelang es der Armee nach eigenen Angaben, das Gros der Hamas-Bataillone zu zerschlagen und rund 17.000 Hamas-Kämpfer zu töten,[3] aber nach wie vor wurden Soldaten auch in Gebieten angegriffen, die die Armee bereits als unter ihrer Kontrolle deklariert hatte; von dort wurden zudem Raketen auf Israel abgefeuert. Darüber hinaus war das Tunnelnetzwerk der bewaffneten Gruppierungen zumindest teilweise noch intakt. Die Hamas stellte noch immer die dominante politische und bewaffnete Kraft im Gazastreifen dar. Zudem waren längst nicht alle Geiseln befreit worden: 101 Geiseln hatte die Hamas noch in ihrer Gewalt. Israelische Medien gingen davon aus, dass ein großer Teil von ihnen nicht mehr lebte.[4] Von den rund 60.000 Israelis, die aus den an den Gazastreifen angrenzenden Ortschaften und Kibbuzen in Sicherheit gebracht worden waren, sowie den rund 80.000, die aus dem Grenzgebiet zum Libanon evakuiert worden oder geflohen waren, konnten insgesamt nur rund 67.500 zurückkehren.[5]

In der palästinensischen Gesellschaft rief der Krieg das kollektive Trauma der «Nakba» wach, der Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden von Palästinenserinnen und Palästinensern im Zusammenhang mit der israelischen Staatsgründung und dem ersten israelisch-arabischen Krieg 1948.[6] Verstärkt wurde die Furcht, dass es sich bei den Evakuierungsaufforderungen aus Kampfgebieten nicht um temporäre Maßnahmen, sondern um eine permanente Vertreibung (innerhalb des Gazastreifens und womöglich auch aus diesem hinaus auf die ägyptische Sinai-Halbinsel) handele, durch entsprechende Forderungen aus der israelischen Politik, nicht zuletzt von Regierungsmitgliedern.[7] Die Ereignisse wurden in der palästinensischen Bevölkerung ganz überwiegend nicht als Zäsur, sondern als Fortsetzung einer israelischen Politik gesehen, die auf jüdische Vorherrschaft und Verdrängung – oder gar Auslöschung – der Palästinenserinnen und Palästinenser abziele.

Ein Jahr nach dem 7. Oktober 2023 zeichnete sich ab, dass die Angriffe der Hamas und der Krieg im Gazastreifen keinen Wendepunkt im israelisch-palästinensischen Verhältnis darstellten – anders als etwa der Oktoberkrieg 1973, der den Weg für den israelisch-ägyptischen Friedensvertrag bereitet hatte.[8] Vielmehr spitzte sich der Konflikt weiter zu. Beide Gesellschaften sahen sich in einer existentiellen Auseinandersetzung,[9] empfanden sich als die einzigen Opfer und unterstellten der anderen Seite genozidale oder maximalistische Absichten.[10] Da alle vorherigen Friedensbemühungen gescheitert waren, sahen sich beide Gesellschaften auf den Konflikt um das ganze Land (also das ehemalige britische Mandatsgebiet Palästina zwischen Mittelmeer und Jordan) zurückgeworfen (siehe Karte Seite 64). In der Folge setzten sie auf Vergeltung, militärische Stärke bzw. bewaffneten Kampf[11] und «vollständigen Sieg»[12] statt auf Konfliktregelung, friedliche Koexistenz oder gar Aussöhnung. Empathie für das Leiden der anderen Seite war in beiden Gesellschaften kaum bis gar nicht vorhanden, vielmehr nahm die Entmenschlichung im Diskurs in erschreckendem Ausmaß zu. Die Voraussetzungen für eine Konfliktbeilegung verschlechterten sich damit weiter.

Die Kriegshandlungen weiteten sich rasch in der Region aus. Denn zum ersten Mal sprang der Hamas nicht nur (wie schon 2006) die libanesische Hisbollah zur Seite, vielmehr trat auch die von Iran angeführte «Achse des Widerstands»[13] mit koordinierten Angriffen auf Israel auf. Im November 2023 weiteten die jemenitischen Huthi ihre Attacken auf die zivile Schifffahrt in der Meerenge Bab al-Mandab und später auch im Roten Meer aus. Und mit dem Iran verbündete Gruppierungen in Syrien und im Irak griffen US-Basen und Israel direkt an. Damit verquickten sich unterschiedliche Konfliktherde zu einer «Krisenlandschaft»[14] in einer ohnehin stark durch Kriege und Bürgerkriege destabilisierten Region – mit direkten negativen Auswirkungen auf die internationale Sicherheit und den Welthandel.

Vor diesem Hintergrund wurden die USA, die EU und ihre Mitgliedstaaten sowie arabische Staaten (allen voran Saudi-Arabien, Katar und Ägypten) diplomatisch aktiv. Letztlich ging es ihnen allen darum, eine weitere Eskalation zu verhindern, die humanitäre Situation im Gazastreifen zu verbessern, eine Freilassung der Geiseln zu erreichen und den Weg zu einer dauerhaften Stabilisierung nach dem Krieg zu ebnen. Denn der 7. Oktober und der Gazakrieg hatten zu der Einsicht geführt, dass der israelisch-palästinensische Konflikt sich nicht länger ignorieren, managen oder «schrumpfen» lasse.[15] In diesem Sinne sollte eine «revitalisierte» Palästinensische Autonomiebehörde (PA), eventuell mit internationaler Unterstützung, die Kontrolle im Küstenstreifen übernehmen, ein Zweistaatenansatz den Konflikt befrieden und die Grenzsituation zwischen Israel und Libanon diplomatisch geregelt werden. Israels Integration in die Region (vor allem die Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien) und eine Eindämmung des Iran und seiner Verbündeten sollten stabilisierend wirken.[16] Arabische Staaten bekräftigten ihrerseits, nach wie vor zur Normalisierung mit Israel bereit zu sein, wenn dieses «irreversible Schritte» in Richtung Zweistaatenregelung unternehme, und kündigten an, sich in diesem Rahmen beim Wiederaufbau im Gazastreifen zu engagieren.[17]

Die regionalen und internationalen Player konnten jedoch außer einer Feuerpause und einem Geisel-Gefangenen-Austausch im November 2024 keinen Durchbruch bei ihren Vermittlungsbemühungen verzeichnen. Sie konnten nicht einmal genügend Druck ausüben, um...


Muriel Asseburg, Dr. rer. pol., ist Nahostexpertin an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.



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