E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Baker Der Zauber der Schneeflocken
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-492-99702-7
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
ISBN: 978-3-492-99702-7
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein ganz besonderer Adventskalender zaubert weihnachtliche Glücksmomente zum Verlieben Seit Leni an Heiligabend vor zwei Jahren ihren geliebten Ehemann verlor, erinnert sie alles in der Weihnachtszeit an ihren Verlust, und die Trauer hat sie noch immer fest im Griff. Um Leni zurück ins Leben zu führen, haben ihre Zwillingsschwester Marie und ihre beste Freundin Emma deshalb dieses Jahr einen ganz besonderen Adventskalender für sie erstellt: Hinter jedem Türchen verbirgt sich eine Aufgabe, die Leni jene Weihnachtsvorfreude wieder näherbringen soll, die sie früher so begeistert ausgelebt hat. Dabei erhält sie Unterstützung von ihrer Familie und ihren Freunden - und bald auch von ihrem Nachbarn Erik, dem sie mit jedem Türchen langsam ihr Herz ein wenig mehr öffnet ... »P.S. Ich liebe dich« für Weihnachtsfans! Holly Bakers berührender Roman ist perfekt für kuschelige Lesestunden vor dem Kamin. Holly Baker, die in den bunten 80ern geboren wurde, lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet. Sie ist ein leidenschaftlicher Weihnachtsfan und liebt es, sich Geschichten auszudenken, die ihre Leserinnen zum Träumen bringen, sowie selbst in Romanen, Serien oder Filmen zu schwelgen. Unter ihrem richtigen Namen schreibt die Autorin auch Krimis und Fantasyromane.
Holly Baker, die in den bunten 80ern geboren wurde, lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet, wo sie alle Jahre wieder ein zauberhaftes Weihnachtsfest feiert. Sie dachte sich bereits Geschichten aus, noch ehe sie richtig schreiben konnte, und war nie bereit, ihren Kindheitstraum vom Schreiben aufzugeben. Mit ihren Romanen möchte sie nun auch ihre Leserinnen ein wenig zum Träumen bringen. Sie ist ein leidenschaftlicher Weihnachtsfan und liebt es, selbst in Geschichten zu schwelgen, sei es in Romanen, Serien oder Filmen. Dabei haben es ihr vor allem alte Filme mit den Schauspielerinnen vergangener Tage angetan: Audrey Hepburn, Marilyn Monroe, Doris Day. So entstand das Pseudonym Holly Baker. Unter ihrem richtigen Namen schreibt die Autorin auch Krimis und Fantasyromane.
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Kapitel 2
Das Erlebnis im Kurpfalz Café hing mir noch den restlichen Tag lang nach. Auf Außenstehende mochte meine Reaktion hysterisch wirken, aber ich konnte nichts daran ändern – Musik rief seit jeher heftige Emotionen in mir hervor. Wenn ich schlechte Laune hatte, brauchte ich bloß Walking on Sunshine laufen zu lassen, damit es mir besser ging. Andersherum funktionierte es mindestens genauso effektiv. Die ersten Klänge von Whitney Houstons I will always love you, und schon rollten die Tränen. Last Christmas war besonders schlimm. Es reichte bereits, an das Lied zu denken, damit die Erinnerungen auf mich einprasselten: Mein erstes Aufeinandertreffen mit Tom an der großen Weihnachtspyramide auf dem Marktplatz. Tom und ich auf der Eisbahn am Karlsplatz, wo er mir den Antrag machte. Tom und ich beim Plätzchenbacken. Tom und ich tanzend, während wir eigentlich den Weihnachtsbaum schmücken sollten. Und dann ich allein, wie ich den Gang der Intensivstation entlanghastete, um Toms letzten Atemzug zu begleiten. Jedes Mal dudelte Last Christmas im Hintergrund. Obwohl ich dieses Lied inzwischen hasste, verkrümelte ich mich am Abend mit einer Familienpackung Taschentücher und einer Wärmflasche ins Bett und hörte es mir eine halbe Stunde lang in Dauerschleife an in der Hoffnung, mich nach dieser quasi Konfrontationstherapie besser zu fühlen. Fehlanzeige. Danach ging es mir nur noch schlechter. Ich weinte mich in den Schlaf und träumte von Tom, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlten sich die nächtlichen Bilder einen Moment lang so real an, dass ich vor Verzweiflung fast geschrien hätte. Wann wurde es endlich besser? Ich ertrug diesen Schmerz nicht mehr. Er war schlimmer als alles, was ich jemals hatte ertragen müssen, und würde mir über kurz oder lang den Verstand rauben. Während ich am Waschbecken im Bad stand und mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzte, kam mir ein Gedanke, der mir nicht neu war, den ich jedoch bislang nicht zugelassen hatte: Könnte ich doch nur aufhören, immerzu an die Vergangenheit zu denken. »Hallo, Leni, wie geht es dir?«, fragte meine Schwester am anderen Ende der Leitung vorsichtig. »Hallo, Marie. Ganz okay, danke.« Ich schloss die Augen. Jetzt log ich schon meine Schwester an … Ich wusste, dass sie es gut meinten, und dennoch: Wenn meine Familie oder meine Freunde versuchten, mir zu helfen, ging es mir danach umso schlechter, weil sie mir das Gefühl gaben, dass ich übertrieb und endlich lernen sollte, mein Leben ohne Tom zu leben. »Wie ist es bei dir?«, fragte ich, um von mir abzulenken. »Alles okay mit dem Baby?« Marie ging nicht darauf ein. »Bist du sicher?«, fragte sie stattdessen. Seufzend klappte ich den Computer zu. Ein Wunder, dass ich es überhaupt geschafft hatte, den Artikel über romantische Urlaube in den Bergen zu Ende zu schreiben. »Emma hat dir alles erzählt, oder?« »Schon, aber sei ihr bitte nicht böse. Sie hat sich nur …« »… Sorgen gemacht, ich weiß.« Geräuschvoll atmete ich aus. »Gebt mir noch ein bisschen Zeit. Ich komme darüber hinweg.« Irgendwie. Irgendwann. Zumindest hoffte ich das. »Sei mir nicht böse, Leni, aber ich habe das Gefühl, dass es schlimmer wird statt besser. Du schottest dich ab, kommst kaum noch zu den Familienessen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie du aussiehst.« »Dann schau in den Spiegel«, erwiderte ich. Wir waren eineiige Zwillinge und sahen uns zum Verwechseln ähnlich. Wir hatten die gleiche Figur, die gleiche Haarfarbe, ja sogar die gleiche Frisur. Nur ihr Babybauch unterschied uns momentan voneinander, und Marie kleidete sich zugegebenermaßen etwas hipper als ich, weshalb die meisten dachten, sie sei diejenige von uns beiden, die als freie Journalistin für Frauenmagazine schrieb. Meine Schwester hatte sich jedoch noch nie für Journalismus interessiert und arbeitete lieber mit den Händen. Sie hatte eine Ausbildung zur Floristin gemacht und besaß ihren eigenen Blumenladen. Auch das unterschied uns voneinander: Maries grünen Daumen suchte man bei mir vergebens. Ich hatte es sogar geschafft, einen Kaktus zu töten. »Das ist mein Ernst«, sagte Marie. »Ich habe wirklich Angst, dass du in eine Depression abrutschst und dann nicht mehr herauskommst.« Sie holte tief Luft. »Bitte, Leni, lass dir helfen.« »Du meinst eine Therapie?« Ich stand auf und verließ das Arbeitszimmer, ging langsam hinüber zum Wohnzimmer und setzte mich aufs Sofa. Der Gedanke war mir nicht fremd, ich hatte bereits selbst darüber nachgedacht, mich allerdings dagegen entschieden. Für die meisten Menschen mochte eine Therapie eine gute Sache sein, aber nicht für mich. Allein bei dem Gedanken, stundenlang über Tom reden zu müssen, begann ich am ganzen Körper zu zittern. Ich hatte regelrecht Angst davor und war überzeugt davon, dass mich Gespräche über meinen Ehemann in ein noch tieferes Loch stürzen würden, aus dem es erst recht kein Entrinnen mehr gab. Nein, Aufarbeitung im Dialog war keine Option. Es musste einen anderen Weg geben, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie er aussehen könnte. »Denk einfach mal darüber nach, okay?«, sagte Marie, nachdem ich ihren Vorschlag mit Schweigen beantwortet hatte. »Finn hat einen Freund, der ist zufällig Therapeut. Da müsstest du nicht erst lange auf einen Termin warten, und er würde ausnahmsweise sogar zu dir nach Hause kommen, wenn dir das lieber wäre.« »Ich denke darüber nach«, log ich, denn ich hatte gewiss nicht vor, mit einem Freund meines Schwagers über meinen Verlust zu reden. Ich mochte Finn, und bestimmt war sein Therapeutenfreund ein netter Typ, aber ich wollte nicht, dass sie beim gemeinsamen Abendessen über mich sprachen. Schweigepflicht hin oder her. »In Ordnung. Sag mal …« Marie klang zögerlich. »Ja?« »Am Montag steht der letzte Ultraschalltermin an. Möchtest du mich begleiten? Ich hätte dich gern dabei.« »Ach, richtig«, brachte ich mühsam heraus. Ich fühlte mich wie gelähmt. »Du bist doch die Patentante«, fuhr Marie fort. »Und du bist meine Zwillingsschwester und ein Teil von mir. Ich wünsche mir so sehr, dass du auch hiervon Teil bist.« Die Tränen waren ihrer Stimme deutlich anzuhören, und auch mir liefen sie über die Wangen. »Ich weiß«, erwiderte ich leise. »Es bedeutet mir sehr viel, Leni.« »Ich weiß«, wiederholte ich. Es tat mir leid, dass meine Schwester enttäuscht von mir war. An ihrer Stelle wäre es mir nicht anders gegangen, ich hätte sie ebenso gern dabeigehabt wie sie mich. »Der Termin ist um Viertel vor neun. Ich werde vorher beim Bäcker nebenan etwas frühstücken«, sagte sie nach einer Weile. »Vielleicht magst du ja kommen, ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen.« Ich schluckte. »Ich versuche, es einzurichten, okay?« Noch während ich den Satz formulierte, wusste ich, dass ich sie versetzen würde. Und mit Sicherheit wusste Marie es auch. Ich schaute aus dem Fenster. Draußen war es nasskalt und dunkel. Das, was vom Himmel fiel, waren keine flauschigen Flocken, sondern Schneeregen. Es half jedoch nichts, ich musste noch mal raus. Mein Kühlschrank war so gut wie leer, und ich hatte nicht einmal genügend Bargeld, um mir eine Pizza zu bestellen. Die vier Euro, die ich aus meinem Portemonnaie schüttelte, reichten zwar gerade so für eine kleine Pizza Feta, doch unter zehn Euro lieferte der Service nicht. Mit Tom … Ich verbot mir, an ihn zu denken, zog die gefütterten Winterstiefel an und die dicke Jacke, wickelte mir den Schal mehrfach um den Hals, setzte mir die Mütze auf und schlüpfte in die Handschuhe. Gott, wie ich die warme Jahreszeit vermisste. Da reichte ein Paar Schuhe, um das Haus verlassen zu können, während man im Winter mindestens fünf Minuten fürs Anziehen einplanen musste. Früher hatte mich das nie gestört, da hatte ich es sogar ganz kuschelig gefunden, dick eingemummelt durch die verschneite Nachbarschaft zu spazieren und mir die Weihnachtsdeko der anderen anzuschauen. Tom an meiner Seite … Ich schnappte mir meine Tasche und den Schlüssel und lief die Treppe nach unten, kam allerdings nur einen Stock weit, denn dort öffnete sich just die Wohnungstür, und Erik trat heraus. Jener Erik, der auf der Intensivstation in der Uniklinik arbeitete und Tom beim Sterben begleitet hatte. Als er im Sommer in dasselbe Haus gezogen war, in dem auch ich wohnte, nur ein Stockwerk tiefer, hatte ich es nicht glauben können. Warum ausgerechnet mein Haus? Er war einer der freundlichsten Menschen, die ich kannte, und trotzdem stellte ich mir jedes Mal, wenn ich ihm zufällig begegnete – was sich leider kaum vermeiden ließ –, diese Frage. Sobald ich ihn sah, kamen die Erinnerungen hoch: Tom, wie er um sein Leben kämpfte und schließlich verlor. Trotzdem blieb ich stehen und lächelte zurück, als Erik mir zuwinkte. Tatsächlich hatte ich schon mehr als einmal überlegt, mir eine neue Wohnung zu suchen. Es war ja nicht nur er. Die Wohnung, die Nachbarschaft, der gesamte Stadtteil erinnerten mich an Tom. Das Problem war jedoch, dass überall in Heidelberg Erinnerungen an meinen Ehemann in mir auflebten. Es würde nicht reichen, in einen anderen Stadtteil zu ziehen, ich würde Heidelberg verlassen müssen und meine komplette Garderobe austauschen, denn auch jedes Kleidungsstück war mit Erinnerungen an ihn behaftet. Und ich fürchtete, selbst mit einer kompletten Neuausstattung die Geister der Vergangenheit nicht abschütteln zu können. Außerdem liebte ich Heidelberg, Wieblingen und meine Wohnung und würde es wahrscheinlich irgendwann bereuen, alles hinter mir gelassen zu haben. »Hallo, Leni. Wie geht es...