Becher / Plassmann / Baumann | Streit am Hof im frühen Mittelalter | E-Book | sack.de
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E-Book, Englisch, Deutsch, Band Band 011, 435 Seiten

Reihe: Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike

Becher / Plassmann / Baumann Streit am Hof im frühen Mittelalter


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86234-884-8
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Englisch, Deutsch, Band Band 011, 435 Seiten

Reihe: Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike

ISBN: 978-3-86234-884-8
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Im frühen Mittelalter war der Hof ein zentraler Ort der Begegnung geistlicher und weltlicher Fürsten. Kaiser-, Königs- und Papsthöfe vereinten die Fürsten der verschiedenen Reiche und wurden daher auch zu Kristallisationspunkten des Streits. Der Hof als Zentrum der Herrschaft tritt für uns vor allem dann als Phänomen hervor, wenn das Mit- und Zueinander am Hof durch eskalierende Auseinandersetzungen infrage gestellt wird. An der Streitsituation lassen sich die Vorstellungen der Beteiligten, die impliziten Ansprüche, die an König und Große herangetragen werden, sowie die Wirkungsweise des Hofes besonders deutlich machen. Zudem können Mechanismen frühmittelalterlicher Streitkultur an dem besonders exponierten Ort des Hofes zutage kommen. Die verschiedenen Aspekte des Streits am frühmittelalterlichen Hof werden in diesem Band betrachtet und analysiert.

 

In the early middle ages the court was a centre for meetings of secular and clerical princes. At the court of emperors, kings, and popes, the princes of different lordships met and the court was therefore at the centre of conflict. The court as centre of rule is especially important at the moment when the cooperation at the court is questioned by escalating quarrels. In the situation of conflict the notions of the princes emerge more clearly, the implicit demands the princes were subordinated to as well as the political mode of functioning at the court. In situations of conflict the mechanism of culture of debate in the early middle ages can be observed. Different aspects of conflict at court in the early middle ages were discussed at this international congress.

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Weitere Infos & Material


Inhalt
Matthias Becher: Gedanken zur Einführung
S. 9–16
Daniel G. König: Öffentliche religiöse Auseinandersetzungen unter Beteiligung spätantik-frühmittelalterlicher Höfe – Versuch einer Typologie
S. 17–44
Roland Steinacher: Der vandalische Königshof als Ort der öffentlichen religiösen Auseinandersetzung
S. 45–74
Alheydis Plassmann: Interessenvertretung und Intrigen am ostgotischen Königshof
S. 75–94
Caspar Ehlers: Sachsen als sächsische Bischöfe. Die Kirchenpolitik der karolingischen und ottonischen Könige in einem neuen Licht
S. 95–120
Daniel Eichler: Karolingische Höfe und Versammlungen – Grundvoraussetzungen
S. 121–148
Jennifer R. Davis: Charlemagne's Settlement of Disputes
S. 149–174
Eric J. Goldberg: Dominus Hludowicus serenissimus imperator sedens pro tribunali: Conflict, Justice, and Ideology at the Court of Louis the German
S. 175–202
Matthias Schrör: Aufstieg und Fall des Erzbischofs Ebo von Reims
S. 203–222
Andrea Stieldorf: Adel an der Peripherie im Streit mit dem höfischen Zentrum
S. 223–246
Thomas Scharff: Streitschlichtung am Hof. Versöhnungsrituale, Eide und Historiographie im 9. Jahrhundert
S. 247–262
Martina Giese: Kompetitive Aspekte höfischer Jagdaktivitäten im Frühmittelalter
S. 263–284
Linda Dohmen: …evertit palatium, destruxit consilium… – Konflikte im und um den Rat des Herrschers am Beispiel der Auseinandersetzungen am Hof Ludwigs des Frommen (830/31)
S. 285–316
Charles West: Evaluating conflict at court: a West Frankish perspective
S. 317–330
Manfred Luchterhandt: Bilder ohne Worte. Protokoll und höfischer Luxus in den Empfangszeremonien des mittelbyzantinischen Kaiserhofs
S. 331–364
Florian Hartmann: Streit an der cathedra Petri oder Streit um die cathedra Petri? Konflikte um den Papstthron in der Deutung päpstlicher Quellen
S. 365–388
Jochen Johrendt: Eine Leiche vor Gericht. Streit vor und um Päpste in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts
S. 389–410


Streitschlichtung am Hof. Versöhnungsrituale, Eide und Historiographie im 9. Jahrhundert (S. 247-248)

Thomas Scharff

Gestritten wurde an den Höfen und zwischen den Höfen der Karolinger häufig und in wechselhaften Konstellationen. Die Könige, die Herrscherfamilie und die mit beiden auf unterschiedlicheWeise verbundenen geistlichen oder weltlichen Großen trugen miteinander Konflikte aus, die während und nach der Regierungszeit Ludwigs des Frommen immer heftigere Formen annahmen und in der Herrscherabsetzung sowie im ,Bruderkrieg‘ einen ersten Höhepunkt erreichten.

Jene Zeitgenossen, die sich als Historiographen oder auf andere Weise schriftlich mit den Ereignissen auseinandersetzten, nahmen diese Konflikte intensiv wahr und brachten den von ihnen erlebten Niedergang des Reiches immer wieder mit der mangelnden Einigkeit der Karolinger untereinander in einen ursächlichen Zusammenhang. Die inneren Streitigkeiten waren aus ihrer Sicht für die äußere Schwäche des Reiches verantwortlich und luden Gegner wie die Normannen geradezu ein, über die Franken herzufallen.

Obwohl sie fast immer selbst Teil der Auseinandersetzungen waren, entwickelten hohe Kleriker gegen diese Konflikte so etwas wie eine Theologie der Einheit. In Fürstenspiegeln, in theologischen Traktaten, aber auch in historiographischen Exempla legten sie den Machthabern dar, wie man das Verhältnis zwischen dem König und dem Volk, demHerrscher und seinen Söhnen oder den Königssöhnen untereinander innerhalb der christianitas zu gestalten habe, um erfolgreich auf dem Weg des göttlichen Heilsplans voranzuschreiten.3 Dabei spielte neben der Befolgung bestimmter Verhaltensnormen die Versöhnung nach Konflikten eine zentrale Rolle.

Theologisch betrachtet ging es bei ,Versöhnung‘ (reconciliatio) zunächst einmal um die Versöhnung desMenschen mit Gott. Hier galt im Frühmittelalter die von Augustinus übernommene Redemptionslehre: Ihr zufolge besitzt der Teufel dieMenschen zu Recht, weil diese ihm ja mit freiemWillen zugestimmt haben. Die einzigeMöglichkeit zur Befreiung der Menschen besteht in der Erniedrigung, der Inkarnation Gottes selbst und in seinem unschuldigen Tod.

Auf diese Weise wird die Menschheit erlöst bzw. mit Gott versöhnt. Dieser grundsätzlich versöhnte Zustand zwischen Gott und den Menschen wird freilich durch die Menschen und deren Sünden immer wieder gestört. Er kann dann nur durch die Vermittlung des Klerus und durch die Buße wieder hergestellt werden. Von den Gliedern der christianitas wurde vor allem gefordert, dass die Menschen in Eintracht miteinander lebten. Dieser Anspruch wurde immer wieder erhoben; er erklärt auch, warum die Bruderkriege mit ihren komplizierten Loyalitätsbindungen so sehr als Katastrophe empfunden wurden.

Politischer Streit und politische Vergehen, die andere Christen trafen, wurden auf diese Weise zu Sünde, weshalb nur Buße zur Besserung führen konnte.6 In extremer Form drückt sich dieses Denken in derHerrschaft Ludwigs des Frommen aus. Mayke de Jong hat ja kürzlich und zu Recht seine Herrschaft als „Penitential State“ beschrieben.7 Unter seinen Söhnen wurde das Zusammenwirken der ,Brüdergemeine‘ in den Begriffen von pax, concordia und caritas gefasst. Man fühlt sich hier in der Theorie an das Modell der Benediktsregel erinnert, in der dieMönche gehalten werden, nach einem Streit noch vor Sonnenuntergang zum Frieden zurückzukehren.


Laureys, Marc
Dr. Marc Laureys ist Professor für Mittel- und Neulateinische Philologie an der Universität Bonn und Sprecher des Bonner Centre for the Classical Tradition.

Schmitz, Winfried
Dr. Winfried Schmitz ist Professor für Alte Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn.

Baumann, Uwe
Prof. Dr. Uwe Baumann lehrt Anglistik/Amerikanistik: Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Bonn.

Plassmann, Alheydis
Dr. Alheydis Plassmann promovierte 1997 zum Hofe Friedrichs I. Barbarossa und habilitierte sich 2004 mit dem Thema 'Origo Gentis'. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn und hat 2008 ein Handbuch zu den Normannen verfasst.

Becher, Matthias
Prof. Dr. Matthias Becher studierte Geschichte und Politische Wissenschaften in Konstanz und ist seit 1998 Professor für Mittelalterliche und Neuere Geschichte an der Universität Bonn sowie seit 2016 Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1167 'Macht und Herrschaft. Vormoderne Konfigurationen in transkultureller Perspektive'.



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