E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Beckman Mathe ohne Zahlen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7453-1783-1
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Was Lehrer für sich behalten – so erklärt, dass es jeder versteht. Ein illustrierter Leitfaden für Mathe-Fans und solche, die es niemals werden wollten
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-7453-1783-1
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mathe ohne Zahlen, wie soll das denn gehen? Ganz einfach: spielend leicht! Denn Mathe ist nicht unbedingt gleich Rechnen. Zahlen und Formeln sind dabei oft gar nicht so wichtig. Worum es wirklich geht, ist kreatives Denken. Milo Beckman passt deinen »Mathe-Blick« an und lädt dich auf ein spannendes Abenteuer für deinen Kopf ein. Das hast du in der Schule bestimmt noch nie erlebt! Milos Ausführungen über Muster, Problemlösungen und logisches Argumentieren zeigen, wie schön und faszinierend die Mathematik sein kann und dass sie sämtliche Aspekte unseres Lebens durchdringt - sei es beim Fahrradfahren, Kochen, Einkaufen, auf dem Weg in den Park oder beim Blick in den Himmel. Ein Buch, das das vielseitige Fach endlich so erklärt, dass es wirklich jeder versteht und Spaß daran hat. Und versprochen: Die einzigen Zahlen in diesem Buch sind die Seitenzahlen!
Milo Beckman, geboren 1995, war schon in jungen Jahren von Mathe begeistert. Im Alter von nur 16 Jahren schloss er sein Grundstudium der Mathematik in Harvard ab. Anschließend studierte er philosophische Grundlagen der Physik an der Columbia University und schrieb sein erstes Buch Mathe ohne Zahlen. Beckman lebt in New York.
Weitere Infos & Material
Analysis
Unendlichkeit Das Kontinuum Abbildungen Unendlichkeit
Sie wissen, was Unendlichkeit ist. Sie ist größer als jede Zahl. Sie ist das, wohin Sie zählen, wenn Sie ewig zählen, ohne jemals aufzuhören. Sie ist die Gesamtheit alles Existierenden und noch ein wenig mehr. Wenn die Leute Fragen zum Thema Unendlichkeit haben, gibt es immer eine Sache, die sie wissen möchten: Auf diese Frage gibt es tatsächlich eine Antwort. Es ist keine offene Frage, und es ist auch keine Trickfrage. Die Antwort lautet entweder »Ja« oder »Nein«, und am Ende dieses Kapitels werde ich Ihnen sagen, wie sie lautet. Sie können jetzt schon versuchen zu raten, aber vielleicht sollten wir zuerst die Spielregeln festlegen, damit Sie wissen, wovon wir reden. In jedem Falle brauchen wir eine Regel, die »größer« definiert. Wie können wir sicher wissen, dass wir etwas gefunden haben, das größer als die Unendlichkeit ist? Bei endlichen Mengen ist es leicht zu erkennen, wann etwas größer ist als etwas anderes. Bei der Unendlichkeit scheint das aber nicht so offensichtlich zu sein. Wir wollen uns nicht mit Ermessensentscheidungen begnügen, daher sollten wir eine solide, narrensichere Regel aufstellen, die uns sagt, wann eine Menge »größer« als eine andere ist. Wie bestimmen wir denn in normalen, endlichen Fällen üblicherweise, was »größer« ist? Was bedeutet es, wenn wir sagen, dass die Anhäufung auf der rechten Seite größer ist als die auf der linken? Ja, es ist völlig offensichtlich, wenn man es sich anschaut. Aber stellen Sie sich vor, Sie treffen jemanden – einen Außerirdischen von einem anderen Planeten –, der noch nie etwas von »größer«, »mehr« oder dergleichen gehört hat. Wie erklären Sie ihm, dass der rechte Stapel größer ist? Nein, wirklich, versuchen Sie das mal! Es ist ein so grundlegendes Konzept, dass es gleich wieder schwer ist, es von Grund auf zu erklären. Wenn man in der Mathematik nicht weiterkommt, besteht ein gängiger Trick darin, die genau entgegengesetzte Frage zu stellen und zu sehen, wohin das führt. Wie würden Sie dem Außerirdischen also erklären, dass diese beiden Stapel hier gleich groß sind? Auf das Wort »gleich« können Sie dabei nicht zurückgreifen, denn das ist ja genau, was wir zu definieren versuchen. Dieser Außerirdische möchte verstehen, wovon Sie sprechen, wenn Sie Dinge als »gleich« oder »dasselbe« bezeichnen. Hier eine Idee, was Sie tun könnten, um sich verständlich zu machen: Ordnen Sie die Sachen in einer Reihe an, um auf diese Weise zu zeigen, dass jedem einzelnen Gegenstand auf der einen Seite ein Gegenpart auf der anderen Seite zugeordnet werden kann. Die Reihen (oder eben die beiden Anhäufungen) haben die gleiche Größe, weil man die einzelnen Bestandteile beider Seiten einander zuordnen kann, ohne dass etwas übrig bleibt. Neue Regel Zwei Anhäufungen sind von gleicher Größe, wenn man ihre einzelnen Objekte einander in Paaren zuordnen kann, ohne dass am Ende etwas übrig bleibt. Unser »Frage nach dem Gegenteil«-Trick hat funktioniert. Wir erhalten jetzt eine brauchbare Definition von »größer«, indem wir die Regel entsprechend umformulieren: Neue Regel Lassen sich die einzelnen Objekte zweier Anhäufungen einander nicht restlos in Paaren zuordnen, dann ist diejenige Anhäufung die größere, bei der es Überbleibsel gibt. Nun ist die Frage klar definiert, und die Antwort steht fest. Gibt es irgendetwas, das größer als die Unendlichkeit ist? Ja oder nein – was sagen Sie? Gibt es etwas, bei dem etwas übrig bliebe, wenn man versuchen würde, es mit einer unendlichen Anhäufung zu vergleichen? Jetzt ist es an der Zeit, eine fundierte Vermutung anzustellen. Wir können uns die Unendlichkeit als einen Beutel ohne Boden vorstellen, der eine unendliche Anzahl von Objekten enthält. Man kann diesem Beutel eine beliebige endliche Anzahl von Objekten entnehmen, und es bleibt immer noch unendlich viel übrig. Wie könnte irgendwas größer als das sein? Nun, wie sieht es denn aus mit »Unendlichkeit plus eins«? Es hat nicht den Anschein, als würde ein zusätzliches Objekt im Vergleich zur Unendlichkeit einen Unterschied machen, aber wenden wir doch die Paarregel an, um sicherzugehen. Zunächst ordnen wir die Objekte in unserem Unendlichkeitsbeutel in einer Reihe an, damit wir besser sehen können, was womit gepaart wird. Wenn wir versuchen, die Sachen einander auf die naheliegende Art zuzuordnen, dann sieht es zweifellos so aus, als wäre »Unendlichkeit plus eins« größer. Aber seien Sie vorsichtig! Unsere Regeln besagen, dass etwas nur dann größer ist, wenn man Überbleibsel nicht zuordnen kann. (Es ist immer von Vorteil, einen Schritt zurück zu machen, um sich die Regeln noch mal anzuschauen.) Es gibt eine andere Art, die Zuordnung vorzunehmen, die so funktioniert, dass auf keiner der beiden Seiten etwas übrig bleibt. Wenn Ihnen das wie Schummelei vorkommt, halten Sie kurz inne und überzeugen Sie sich selbst davon, dass dem nicht so ist. Wir ordnen ein Objekt nicht einem Punkt-Punkt-Punkt zu, sondern dem nächsten Objekt, das sich hinter dem Punkt-Punkt-Punkt verbirgt. Da beide Beutel ewig weitergehen, gibt es kein Objekt ohne zuordenbaren Partner, und somit sind die beiden Anhäufungen gleich groß. Unendlichkeit plus eins ist gleich Unendlichkeit! Dazu möchte ich gerne eine Geschichte erzählen, um aufzuzeigen, wie seltsam dieses Ergebnis ist. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten am Empfang eines ganz besonderen Hotels, des Hotels Infinity. Das Hotel Infinity hat unendlich viele Zimmer. Es gibt einen langen Flur mit einer Reihe von Türen, und egal, wie weit man geht, diese Reihe von Türen geht immer und immer weiter, findet nie ein Ende. Es gibt kein Zimmer mit der Nummer »Unendlichkeit«, es gibt kein »letztes Zimmer«, denn der Flur hat kein Ende. Es gibt ein erstes Zimmer, und dann folgt auf jedes Zimmer ein weiteres Zimmer direkt daneben. Heute Abend ist besonders viel los: Jedes Zimmer im Hotel ist belegt. (Ja, in dieser Welt gibt es auch unendlich viele Menschen.) Wenn man den Gang entlanggeht, ganz egal, wie weit, und an irgendeine Tür klopft, dann hört man jedes Mal: »Hier ist jemand drin! Bitte nicht stören!« Endlos viele Zimmer, belegt von endlos vielen Menschen. Dann kommt jemand von draußen in die Hotellobby und sagt: »Könnte ich bitte ein Zimmer haben?« Es ist nicht Ihr erster Abend im Hotel Infinity, also wissen Sie genau, was zu tun ist. Sie gehen an die Lautsprecheranlage und machen eine Durchsage: »Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten. Alle Gäste sind aufgefordert, ein Zimmer weiterzuziehen. Richtig verstanden: Packen Sie Ihre Sachen, gehen Sie auf den Flur und ziehen Sie in das Nebenzimmer, eine Tür weiter vom Empfangsbereich entfernt. Wir bedanken uns und wünschen Ihnen noch einen angenehmen Abend.« Sobald jeder der Aufforderung Folge geleistet hat, haben Sie ein Zimmer für den neuen Gast frei gemacht. Unendlich viele Räume, unendlich viele Gäste plus ein Gast, und noch immer haben Sie genauso viele Zimmer, wie Sie Gäste haben. Unendlichkeit plus eins ist gleich Unendlichkeit. Unendlichkeit plus fünf, Unendlichkeit plus eine Billion – das ist egal. Es gilt die gleiche Logik. Man kann die Inhalte der Beutel paaren, man kann die zusätzlichen Gäste unterbringen. Die Unendlichkeit ist so groß, dass endliche Mengen im Vergleich dazu gar nicht ins Gewicht fallen. Wir haben also nichts gefunden, was größer als unendlich ist. Wie verhält es sich mit Unendlichkeit plus Unendlichkeit? Kann man den Inhalt zweier Unendlichkeitsbeutel mit dem eines einzelnen Unendlichkeitsbeutels paaren? Diesmal können wir nichts »rüberschieben«. Wir brauchen einen neuen Trick, wenn uns die Paarzuordnung hier gelingen soll. Vielleicht ist eine Zuordnung hier aber auch unmöglich, und wir haben etwas gefunden, das größer ist als die Unendlichkeit. Was glauben Sie? Und hier noch einmal dieselbe Frage, bezogen auf das Hotel. Sie sitzen wieder an der Rezeption, und das Hotel ist voll belegt. In die Lobby kommt diesmal nicht nur ein neuer Gast, sondern eine ganze unendliche Reihe neuer Gäste, von denen jeder ein Zimmer braucht. Können Sie sie unterbringen? Ist Unendlichkeit plus Unendlichkeit dasselbe wie Unendlichkeit? Hier wird derselbe Trick wie zuvor nicht funktionieren – denn wie will man jemandem sagen, er solle den Flur entlang an unendlich vielen Türen vorbeigehen? Wo würde da allein schon der erste Gast landen? Es gibt kein Zimmer mit der Nummer »Unendlichkeit plus eins«, in das man umziehen könnte. Ist es möglich? Es ist möglich, und zwar so: Sie gehen wieder an die Lautsprecheranlage: »Ich bitte alle Gäste, die Störung zu entschuldigen. Würde der Gast im ersten Zimmer bitte in das zweite Zimmer umziehen, und würde der Gast im zweiten Zimmer bitte in das vierte Zimmer umziehen? Und würde bitte generell jeder von Ihnen in dasjenige Zimmer umziehen, das doppelt so weit von der Lobby entfernt ist wie sein jetziges?« Noch immer hat jeder Gast ein Zimmer, und auf wundersame Weise hat man durch die Aufteilung unendlich viele Zimmer für die neuen Gäste frei gemacht. Wenn die Türen nummeriert sind, sind alle Räume mit ungeraden Nummern jetzt leer. Hier ist dieselbe Beweisführung für eine entsprechende Aufteilung in der Beutelwelt: Vielleicht denken Sie jetzt, dass das ein bisschen zu viel des Guten ist. Es ist definitiv ein wenig kontraintuitiv, das gebe ich zu. Aber wenn Sie wirklich über die Unendlichkeit sprechen wollen, werden Sie Ihre Intuition infrage stellen müssen....