Buch, Deutsch, 282 Seiten, Format (B × H): 139 mm x 213 mm, Gewicht: 359 g
Reihe: Studien zur Weltgesellschaft
Zur Institutionalisierung der globalen Kategorie "indigene Völker"
Buch, Deutsch, 282 Seiten, Format (B × H): 139 mm x 213 mm, Gewicht: 359 g
Reihe: Studien zur Weltgesellschaft
ISBN: 978-3-593-50772-9
Verlag: Campus Verlag GmbH
Inuit, Karen, Maori, San, Sami und Yanomami - sie alle gelten als "indigene Völker ". Auf der Grundlage dieser Selbstund Fremdbeschreibung treten sie als politische Akteure in Erscheinung und fordern ihre Rechte auf Selbstbestimmung, Land und eigene Institutionen ein. Wie aber institutionalisierte sich diese globale Kategorie? Aus einer Perspektive, die Klassifikationssoziologie, Weltgesellschaftsforschung und historische Soziologie verbindet, rekonstruiert die Studie die verästelte Globalisierungsgeschichte der Kategorie der "indigenen Völker".
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Inhalt
1. Einleitung 9
2. Die kategoriale Ordnung der Dinge 28
2.1 Präzisierung und Selektion - politisch-rechtlich kommunizierte Humandifferenzierungen 30
2.2 Ähnlichkeit und Differenz - das basale Prinzip der Kategorie 34
2.3 Das Soziale der Kategorie - Responsivität und Gemeinschaftskommunikationen 40
2.4 Das Globale politischer Kategorien 47
3. Eine Kategorie des Übergangs. Kategoriale Spuren des Indigenen 56
3.1 Anfänge: Von "Unzivilisierten" und "indigenen Arbeitern" 58
3.1.1 Das kulturalistische Konzept des "Unzivilisierten" 58
3.1.2 "Kategoriale Fragmentierung" 63
3.2 "Indigene Bevölkerungen in unabhängigen Ländern" - zur Institutionalisierung einer Kategorie der Fremdbeschreibung im Kontext der ILO 69
3.2.1 Von regionalen Ursprüngen: Das "indigene Problem"
im lateinamerikanischen Indigenismo 71
3.2.2 Regionalisierung und Internationalisierung: Die Kategorie auf dem Weg ins Zentrum der ILO 75
3.2.3 Zur kategorialen Globalisierung und ihren Grenzen 81
3.3 Zwischenfazit 98
4. Wider das Verschwinden. Zur Institutionalisierung einer Kategorie der Selbstbeschreibung im frühen indigenen Aktivismus 103
4.1 "Red power", "black aborigines", "Panindianismo" und "skandinavische Indianer" - nationaler Aktivismus im globalen Kontext 105
4.1.1 "Indigener Aktivismus" im Kontext: Soziale Bewegungen und globale Diskurse 113
4.1.2 Zur Kontingenz aktivistischer Selbstbeschreibungen 118
4.2 "We, the Indigenous Peoples of the World" - kategoriale Entbettung und Grenzziehungen 124
4.2.1 "They were just like us" - zur Beobachtung von Ähnlichkeiten und übersituativer Kategorienbildung 127
4.2.2 Der World Council on Indigenous Peoples: Kategorie, Organisation und Interaktion 137
4.3 Zwischenfazit 149
5. Gekommen, um zu bleiben. Zu Institutionalisierung und kategorialer Globalisierung im Kontext der Vereinten Nationen 154
5.1 Vom Ein- und Aufstieg der Kategorie in die organisationalen Routinen der Vereinten Nationen 156
5.1.1 Am Anfang war die Diskriminierung 157
5.1.2 Zur Konjunktur des Indigenen 166
5.2 Vom Ziehen und Wandeln kategorialer Grenzen 176
5.2.1 Definitionsversuche und Definitionsverzicht 177
5.2.2 Zur Globalisierung und Neu-Akzentuierung der Kategorie 183
5.3 Zwischenfazit 197
6. Zur "Vermenschenrechtlichung" des Indigenen - und zur "Indigenisierung" der Menschenrechte 202
6.1 Recht und Menschenrecht, Kategorie und Kollektiv - analytische Vorüberlegungen 206
6.1.1 Zur wissenssoziologischen Analyse von Menschenrechten 206
6.1.2 Zwischen Gleichheit und Differenz - zu Kategorien im Menschenrecht 209
6.1.3 Kollektivkategorien im Menschenrecht 215
6.2 "Indigene Völker" und Menschenrechte - getrennte Wege und erste Begegnungen 218
6.2.1 Kategorie und (Menschen-)Recht im Kontext der ILO-Konvention Nr. 107 218
6.2.2 Kategorie und (Menschen-)Recht im Kontext des frühen indigenen Aktivismus 223
6.3 Zur Herstellung indigener Menschenrechte: Die "UN Declaration on the Rights of Indigenous Peoples" 227
6.4 Zwischenfazit 241
7. Fazit 246
Literatur- und Quellenverzeichnis 259
Danksagung 283
1. Einleitung
Im September 2014 fand die jährliche Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrem Hauptsitz in New York statt. Wie jedes Jahr war dieser internationale Ort von Delegierten aus aller Welt stark frequentiert. In den Versammlungssälen hielten die Teilnehmerinnen unzählige Reden, gaben Statements ab und verabschiedeten Resolutionen oder Deklarationen. Hinter verschlossenen Türen diskutierten sie intensiv und ließen ihr diplomatisches Geschick spielen. Sitzungspausen wurden genutzt, um Kontakte zu schließen oder aufzufrischen. An zwei Tagen, dem 22. und 23. September, war vieles genauso und doch einiges anders: Anstatt grauer Anzüge und Kostüme, die nur vereinzelt durch Kleidungsstücke in bunten Farben unterbrochen wurden, trugen Anwesende Federn, Felle, Blumenkränze, bunt gemusterte Gewänder oder auch nackte Oberkörper mit auffälligen Tätowierungen. In ihren Händen waren neben Mobiltelefonen und Notebooks auch Speere oder andere traditionelle Insignien zu sehen. Die Konferenz wurde nicht durch eine Rede, sondern durch ein Ritual eröffnet. Musikalische und tänzerische Darbietungen wurden auf der Bühne internationaler Politik zu Gehör und Gemüt gebracht, und Redner sprachen ihr Publikum - und damit auch mich, die das Geschehen während eines Feldaufenthaltes in New York teilnehmend beobachtete - konsequent als "Brüder und Schwestern" an. Wenngleich sich die Anwesenden mit Blick auf Hautfarbe, Gesichtszüge, Sprache, Bekleidung und kulturelle Praktiken unterschieden, bildeten sie, vor der Vergleichsfolie der "diplomatischen Normalität", eine kontrastreiche Einheit. Dennoch taten sie größtenteils das, was auch ihr Gegenüber tat: reden, zuhören, aushandeln, Kontakte knüpfen. Die Kombination von diplomatischer Normalität und "unerwarteten" Körpern, Artefakten und Praktiken verweist auf ein besonderes Ereignis: Erstmalig fand im Rahmen der Generalversammlung eine UN-Weltkonferenz über und mit den indigenen Völkern der Welt statt. Auf der Agenda der internationalen Gemeinschaft standen zwei Tage lang kulturell distinkte Völker, die, so das zeitgenössische Konzept, Kontinuität mit den frühesten Bewohnern eines Gebietes aufweisen, noch immer eine besondere Beziehung zu dem Land ihrer Ahnen pflegen, sich selbst als "indigen" begreifen und im dominanten Nationalstaat vielfältige Diskriminierungen erlitten oder erleiden (vgl. etwa UN Doc. ST/ESA/328).
Indigene waren sowohl in den Vorbereitungsprozess als auch in den Ablauf der Konferenz auf eine bisher nicht da gewesene Art und Weise einbezogen - sie waren nicht nur Thema, sondern auch Teilnehmer der Konferenz und traten als Experten ihrer selbst auf. Während Weltkonferenzen in der Regel trotz breiter zivilgesellschaftlicher Teilnahme letztlich internationale Konferenzen sind und ausschließlich Staatenvertreter den Wortlaut des Abschlussdokumentes aushandeln und dieses auch unterzeichnen (vgl. etwa Schechter 2005), waren im Falle der Indigenenkonferenz erstmals auch indigene Repräsentantinnen an dem Drafting des Abschlussdokuments beteiligt und nahmen aktive Rollen im Konferenzgeschehen wahr (vgl. etwa Bellier/González-González 2015; Morrison 2014). Die "Welt der Staaten" wurde mit einer "indigenen Welt" konfrontiert - Delegierte vertraten nicht nur die über 190 Staaten, sondern auch die geschätzt mehr als 5.000 Völker in etwa 90 Ländern der Erde. Organisiert hatte sich diese "indigene Welt" bereits im Vorfeld auf der Grundlage von sieben geopolitischen Regionen - Afrika, Arktis, Asien, Lateinamerika und Karibik, Nordamerika, Pazifik und Russland. Sie hatten sich, zusammen mit Gremien für Frauen und Jugend, zu einer Global Coordinating Group (GCG) zusammengeschlossen. Um die offizielle Konferenz vorzubereiten, fanden indigene Konferenzen in allen Regionen sowie eine globale Vorbereitungskonferenz im norwegischen Alta statt, aus der eine gemeinsame Abschlusserklärung hervorging.
Wenngleich der indigene Einfluss nicht so weit ging, wie viele Aktivisten gefordert hatten, und einige sogar mit einem Boykott der Konferenz gedroht hatten, war das Konferenzgeschehen durch die Präsenz einer indigenen Welt geprägt. Während die Plätze der Regierungsvertreter teilweise nur spärlich besetzt waren, waren die für indigene Beobachter und Repräsentantinnen vorgesehenen Ränge zum Bersten gefüllt. Noch kurz vor Beginn der Konferenz waren zusätzliche Ausweichräume eingerichtet worden, in die das Konferenzgeschehen live übertragen wurde, um der starken Nachfrage seitens der zivilgesellschaftlichen Akteure gerecht zu werden.
Im Zentrum der Debatten standen vor allem Möglichkeiten und Strategien, um die "United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples" (UNDRIP, UN Doc. A/RES/61/295) zu implementieren. Es handelte sich hierbei um eine Erklärung genuiner, kollektiver und individueller Indigenenrechte, die die UN-Generalversammlung im Jahre 2007 nach jahrzehntelangen Verhandlungen verabschiedet hatte. Fokussiert wurden sowohl die nationalen und lokalen Ebenen wie auch die Position, die das UN-System in dem Prozess der Umsetzung und Überwachung der Rechte einnehmen solle. Weitere Schwerpunkte der Diskussion bildeten die Themenbereiche Land, Territorien und Ressourcen sowie die Prioritäten indigener Völker auf einer Agenda nachhaltiger Entwicklung. Beide verweisen auf genuine Kernanliegen der Indigenenrechtsbewegung: Landrechte gehören seit Jahrzehnten zu den zentralen Forderungen von indigenen Völkern, die sich und ihre Existenz von jeher als Symbiose mit dem "Land der Ahnen" verstehen. Das Verhältnis von nachhaltiger Entwicklung und Indigenen wird aus zweierlei Perspektiven als ein sehr enges verstanden: Auf der einen Seite sind Indigene, deren Lebensweise mit ihrer natürlichen Umwelt verknüpft ist, von den Konsequenzen nicht-nachhaltigen Wirtschaftens in besonderer Weise bedroht; andererseits werden Indigene etwa seit den 1990er Jahren verstärkt als Experten der Nachhaltigkeit interpretiert. Dies spiegelte auch Oren Lyons, indigener Aktivist und Chief des Onondaga Nation Council of Chiefs, wider, als er in seiner Rede vor dem Plenum der Konferenz vor allem die Folgen des Klimawandels beklagte. Erst gegen Ende des Beitrages teilte er seinen Zuhörern mit, dass er exakt dieselbe Rede bereits 14 Jahre zuvor vor den Vereinten Nationen gehalten habe - bisher vergeblich:
"despite all of our declarations and proclamations, no matter how profound they may be, the ice is still melting in the North. […] So I urge the Assembly, I urge Member States, to listen to our voice. We are the pulse of Mother Earth. We have experience and we have a lot of knowledge, so keep our languages. The United Nations might have to call on us again" (UN Doc. A/69/PV. 4: 10f.).
In der Schlusssitzung der Konferenz ergänzten die Regierungsvertreterinnen die Reihe dieser "declarations and proclamations" um eine weitere Erklärung. Einstimmig verabschiedeten sie das "Kernstück", ein größtenteils bereits im Vorbereitungsprozess zur Konferenz im Wortlaut ausgehandeltes Dokument, welches eine Selbstverpflichtung der Staatengemeinschaft im Dienste der indigenen Völker verbindlich fixiert (UN Doc. A/RES/96/2). Erleichterung machte sich im Sitzungssaal breit, der nicht nur durch verbale und non-verbale Bekundungen der Freude, sondern auch durch körperliche Dankesgesten Ausdruck verliehen wurde. Dass der kanadische Delegierte Vorbehalte gegen einige Inhalte der Deklaration zum Ausdruck brachte, wurde missbilligend zur Kenntnis genommen.
Wenngleich die Inhalte des Dokuments hinter den Erwartungen der indigenen Repräsentanten zurückgeblieben sind und die Umsetzung internationaler Selbstverpflichtungen zum Wohle indigener Völker in vielen Ländern mehr als mangelhaft ist, können Einberufung und Abschlussdokument als Ausdruck der Institutionalisierung der Kategorie "indigene Völker" auf weltgesellschaftlicher Ebene interpretiert werden. Indigene finden als relevante Subdifferenzierung der Menschheit Anerkennung und treten neben Einheiten wie Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen oder Mitglieder von Minderheiten. Sie rücken in den Blickpunkt als besonders vulnerable Gruppen, denen eine gesteigerte internationale Aufmerksamkeit zukommen muss und denen gleichzeitig besondere Rechte zugesprochen werden, die es zu wahren und zu fördern gilt.
In diesem Kategoriensystem bildet sich eine "Ontologie der Weltgesellschaft" (Boli 2005) ab. Diese ist alles andere als statisch und - so eine zentrale Annahme des vorliegenden Buches - keine quasi-natürliche Abbildung einer per se existenten Sozialwelt. Vielmehr repräsentiert sie das Ergebnis eines facettenreichen Konstitutions- und Konstruktionsprozesses, der von unterschiedlichen Akteuren vorangetrieben, ausgehandelt und getragen wird. Trotz ihrer Geschaffenheit erscheint sie als zeitlos und natürlich. Wenngleich die Kategorie der "indigenen Völker" also recht erfolgreich in weltgesellschaftlichen Beobachtungsroutinen verankert ist und vieles dafür getan wird, um ihre Kontingenz latent zu halten, kann der globale Aufstieg der Indigenen aus verschiedenen Gründen als besonders unwahrscheinlich gelten. Einige davon skizziere ich im Folgenden.
Erstens erscheint die Kategorie der "indigenen Völker" auf den Ebenen Zeit und Raum paradox. Sie ist "uralt" und doch modern, zutiefst lokal und doch global. In der Zeitdimension werden Indigene in einer historischen Linie verortet, die weit in die Vergangenheit zurückreicht: Indigene sind die "zuerst Dagewesenen", die "ihre Länder" seit "Urzeiten" bewohnen. Gleichzeitig handelt es sich um eine vergleichsweise junge Unterscheidung, die innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes einen hohen weltgesellschaftlichen Institutionalisierungsgrad erlangen konnte: In die Sprache der internationalen Politik hielt die Kategorie erst Mitte des 20. Jahrhunderts Einzug - allerdings nur im begrenzten Kontext der International Labour Organization (ILO, dt. Internationale Arbeitsorganisation - IAO) und nur in einer sehr eingeschränkten Bedeutung, die sich diametral von jenem aktuellen emanzipatorischen Diskurs unterscheidet, den ich eingangs kurz geschildert habe. Dessen Wurzeln sind im indigenen Aktivismus der 1970er Jahre auszumachen - einer Bewegung auf zivilgesellschaftlicher Basis, die Anfang der 1980er Jahre größeren Einfluss entfalten konnte, als eine UN-Arbeitsgruppe über indigene Bevölkerungen eingerichtet wurde. In den 1990er Jahren verankerte sich die Kategorie weiter, und es wurden verschiedene Mechanismen und Maßnahmen initiiert. Mit der Verabschiedung der Erklärung über die Rechte indigener Völker im Jahre 2007 wurde ein Durchbruch erzielt, da sie nun als Träger genuiner, auch kollektiver Menschenrechte Anerkennung fanden. In der Raumdimension erscheint die Kategorie ebenso widersprüchlich: Zumindest eine aktivistische Elite ist höchst mobil und agiert in transnationalen Dimensionen bzw. globalen Interaktionen. Die globale Kategorie der "indigenen Völker" materialisiert und manifestiert sich im globalen Zusammenhang. Gleichzeitig sind indigene Völker als dezidiert lokale Einheiten konstruiert, die sich nicht nur durch historische, in die "Unendlichkeit" reichende Kontinuität mit den ersten Bewohnern eines Gebietes auszeichnen, sondern auch durch die enge Bindung an das Land ihrer Ahnen. Nur durch sie werden indigene Völker zu indigenen Völkern - und bleiben es auch (vgl. etwa Muehlebach 2001).
Die "Länder der Ahnen", und damit auch ihre indigenen Bewohner, werden zweitens - und damit zusammenhängend - an ganz verschiedenen Orten auf unterschiedlichen Kontinenten identifiziert. Folglich sind sie von einer großen Diversität: Sie finden sich in Ländern, Regionen und Orten mit ganz verschiedenen Umweltbedingungen, in Städten oder Reservaten; sie kennen mannigfache Formen der sozialen Organisation, und ihre Praktiken des Wirtschaftens und Handelns decken ein breites Spektrum ab. Sie sprechen eine Vielzahl von Sprachen, sind mehr oder weniger assimiliert und gehen differenten Bräuchen, Riten und kulturellen Praktiken nach. Auch die aktuellen und vergangenen Marginalisierungserfahrungen sind jeweils singulär und vielfältig (vgl. etwa Levi/Maybury-Lewis 2012: 76ff.). Die Variationsbreite illustriert Roland Niezen (2003) in seinem einschlägigen Werk zur Entstehung einer globalen Indigenenbewegung am Beispiel der westafrikanischen Tuareg und der nordkanadischen Kree eindrücklich:
"One is a nomadic pastoral people of the desert and arid savannah, the other a hunting, fishing, and gathering people of the northern boreal forest. One is a people with rigid class distinctions and with chiefs drawn from nobility; the other an egalitarian society with a tradition of leadership based on hunting skill. One is a people in conflict with governments that are ready to use deadly force to restrict their mobility and their suprastate exercise of self-determination; the other is in conflict with a liberal democracy subject to embarrassment and public censure for the use of unnecessary force" (Niezen 2003: 86f.).
Die spezifischen Geschichten der Eroberung, Kolonialisierung und Besatzung unterscheiden sich stark, sodass Unterschiede auch mit Blick auf ein zentrales Definitionskriterium des Indigenen zu verzeichnen sind: Die Annahme einer Kontinuität mit den "zuerst Dagewesenen", die bereits in die Etymologie des Wortes "indigen" eingeschrieben ist, erscheint zwar im Falle nordamerikanischer First Nations als unmittelbar evident. Im Falle der "neuen" Indigenen aus Afrika und Asien, die erst seit den 1990er Jahren innerhalb dieses kategorialen Rahmens verortet wurden, sind Differenzierungen der Bevölkerung anhand des Kriteriums Zeit und von ethnischen Elementen weniger eindeutig (vgl. ebd.; Saugestad 2008; Ndahinda 2011). Führt man sich diese enorme Diversität vor Augen, verschwimmt die Einheit der Kategorie und die Kontingenz kategorialer Grenzziehungen wird deutlich.
Schließlich fallen drittens indigene Völker - ruft man sich die Ontologie der modernen Weltgesellschaft in Erinnerung - ein Stück weit aus jener Reihe, die sie gleichzeitig ergänzen. Auf der einen Seite haben sich auf internationaler Ebne mannigfache Personenkategorien institutionalisieren können, die die Vielgesichtigkeit des Menschen in den Blick rücken (zur Differenzierung der Menschheitskategorie vgl. Heintz u.a. 2015: 256ff.). Menschen sind Frauen, Kinder, Menschen afrikanischer Herkunft, Menschen mit Behinderungen - oder aber afrikanische Mädchen mit Behinderung. Wenngleich gemeinsame Personenmerkmale, die die Grundlage von Kategorien bilden, in den Mittelpunkt gerückt werden, bleiben in den genannten Fällen jedoch Individuen die zentralen Einheiten. Die Kategorie der "indigenen Völker" dagegen ist in erster Linie kollektiv konnotiert - und scheint sich daher mit jenem konsequenten Individualismus zu reiben, die zumindest die neoinstitutionalistische Forschung der Weltgesellschaft zu attestieren pflegt (vgl. etwa Meyer/Jepperson 2000; Meyer 2010). Indigene Kollektive sind geradezu in Kontrast zu (einigen) weltgesellschaftlichen Grundprinzipien konstruiert (vgl. auch Tennant 1994): Sie stehen nicht für Individualismus, sondern für Kollektivismus und Gemeinschaft. Sie stehen nicht für eine strikte Trennung von Natur und Kultur, sondern für die Transzendierung der Grenzen der menschlichen Sozialwelt. Sie repräsentieren nicht Rationalisierung und "Entzauberung", sondern stehen für Spiritualität. Ein- und Ganzheitlichkeit, nicht Differenzierung scheint ein zentrales Prinzip zu sein. Dennoch handelt es sich um eine Kategorie, die sich im Feld weltgesellschaftlicher Erwartungen konstituiert. Die damit verbundene Paradoxie wird besonders deutlich angesichts neuerer Entwicklungen im Menschenrechtsdiskurs: Die Anerkennung indigener Völker als menschenrechtsrelevante Kategorie resultiert in der Institutionalisierung von kollektiven Menschenrechten, welche die strikt individualistische Ausrichtung des Menschenrechtsdiskurses irritieren und das Menschenrechtsdenken mit neuen Bedeutungen füllen.
Vor dem Hintergrund dieser skizzierten Unwahrscheinlichkeiten erscheinen die weltgesellschaftliche Institutionalisierung der Kategorie "indigene Völker" und ihre Verankerung im Menschenrechtsdiskurs, wie sie sich etwa in der Einberufung einer ersten UN-Weltkonferenz zu indigenen Völkern abzeichnen, als ein erklärungsbedürftiges Phänomen. Wie institutionalisierte sie sich - und zwar als eine globale Kategorie, die mannigfache Einheiten weltweit einbezieht, auch wenn sie, vor allem aufgrund ihrer Verknüpfung mit Kollektivrechten, weltgesellschaftlichen Strömungen gerade nicht zu entsprechen scheint? Mit welchen spezifischen Erwartungen ist sie assoziiert, und wie wandeln sich diese im Zeitverlauf? Welche Mechanismen und historischen Konstellationen haben ihre Institutionalisierung und Verfestigung im Menschenrechtsdiskurs begünstigt? Diese Fragen stehen im Zentrum der vorliegenden Studie.
Anschlüsse, Abgrenzungen: Präzisierung der Perspektive
Der Erfolg, den indigene Völker auf internationaler Ebene verzeichnen konnten wird, spiegelt sich in einem wachsenden Korpus wissenschaftlicher Literatur zu (und von) Indigenen aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven. Die frühe Phase kategorialer Institutionalisierung hat in jüngerer Zeit das Interesse der postkolonialen Geschichtswissenschaft respektive der neueren Historiographie der Menschenrechte geweckt (vgl. etwa Rodríguez-Piñero 2005; Kemner 2014; 2013; Crossen 2014). Die Schwerpunkte der Forschung aus dem Umfeld der Anthropologie, der Soziologie sowie der Politik- und Rechtswissenschaft liegen allerdings auf der Entstehung einer internationalisierten indigenen aktivistischen Bewegung, die vom Rand ins Zentrum der Weltpolitik vordringen und im Kontext internationaler Organisationen einen "indigenen Raum" (Muehlebach 2001) schaffen konnte, sowie auf den damit einhergehenden rechtlichen und politischen Innovationen (vgl. nur Niezen 2003; Bellier 2012; Bellier/
González-González 2015; Bellier/Preaud 2011; Muehlebach 2001; 2003; Merlan 2009; Morgan 2004; 2007; 2011; Engle 2010; 2011; Stamatopoulou 1994; Lightfoot 2016). Wenngleich das vorliegende Buch an diese Arbeiten anschließt, wählt es einen neuen Zugang zu dem Phänomen: Es begreift sie es als Ausdruck der Institutionalisierung einer globalen Kategorie und analysiert sie aus einer theoretischen Perspektive, die Klassifikationssoziologie, Weltgesellschaftstheorie und historische Soziologie zusammenführt (vgl. ausführlicher Kap. 2) und mit der neueren Historiographie der Menschenrechte ins Gespräch bringt (vgl. Kap. 6). "Indigene Völker" als "Kategorie" zu interpretieren, bedeutet, die Herausbildung einer kontingenten Beobachtungsordnung ins Zentrum des Interesses zu rücken, die auf der Basis der Unterscheidung zwischen Indigenen und Nicht-Indigenen eine spezifische Ordnung der Welt etabliert. Folglich interessieren hier nicht primär die internationale Anerkennung indigener Völker und ihrer spezifischen Anliegen, sondern die - teilweise vorgelagerten, teilweise damit einhergehenden - Prozesse der Genese einer generalisierten Kategorie der Selbst- und Fremdbeschreibung. So wird der Einzug indigener Völker in die internationale Politik häufig als Kampf zwischen indigenen und staatlichen Akteuren beschrieben, im Zuge dessen indigene Völker (wenn auch begrenzte) Siege erringen konnten. Dieses Fortschrittsnarrativ wird gerade an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik reproduziert (vgl. etwa Anaya 2009; Daes 2011). Diese Studie hingegen wählt einen wissens-soziologischen Ausgangspunkt und zielt auf die Frage ab, wie sich die generalisierte Kategorie der "indigenen Völker", die ganz unterschiedliche kollektive Einheiten weltweit unter dem Dach dieser Selbst- und Fremdbeschreibung vereint, institutionalisieren und an Wirkmächtigkeit gewinnen konnte.
Damit schließt die vorliegende Untersuchung an ein konstruktivistisches Verständnis von Indigenität an, welches seit den 1990er Jahren in sozial- und rechtswissenschaftlichen Debatten prominent geworden ist (vgl. einschlägig Kingsbury 1998). Hintergrund sind nicht nur theorie-interne Trends, sondern auch das empirische Phänomen einer wachsenden Indigenenbewegung, die auch "neue Indigene" in Afrika und Asien einschließt und in der Folge mit einer Ausweitung kategorialer Grenzen einherging. Dieses hat die Kontingenz und Variabilität kategorialer Grenzen offengelegt und theoretische Debatten angestoßen. Mit dieser Kontingenzerfahrung wurde auf zweierlei Art und Weise umgegangen: Einige Autoren versuchten diese stillzulegen, indem sie die Angemessenheit der Kategorie per se in Frage stellen (so etwa höchst kontrovers Kuper 2003) oder sich an kategorialen Grenzziehungsprozessen und der Suche nach einer adäquaten Definition beteiligen (für einen Überblick vgl. Corntassel 2003). Vertreterinnen des konstruktivistischen Ansatzes hingegen reflektieren ausdrücklich die "Gemachtheit" und "Historizität" der Kategorie und versuchen sie durch das Konzept der "(politischen) Kategorie" auf den Begriff zu bringen (so etwa Levi/Maybury-Lewis 2012; Merlan 2009; Bellier/Preaud 2011; Bellier 2012; Niezen 2003). Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Indigenität nicht primär "Wirklichkeit" adäquat abbildet, sondern auch einen historisch gewachsenen politischen Kampfbegriff repräsentiert, auf den sich unterschiedliche Gruppierungen aus unterschiedlichen Gründen in unterschiedlicher Weise beziehen und dessen Bedeutungsgehalt sich ständig wandelt. Ganz in diesem Sinne - und in Abgrenzung zu Kuper (2003) - betonen etwa Jerome Levi und Biorn Maybury-Lewis (2012):
"The question is not if ›indigenous peoples‹ make sense scientifically as a generalizable category, nor whether it is sound ethnologically when applied either globally or to particular cultural areas, such as India. Ultimately, the question is not whether it is admissible anthropologically but rather whether it is justifiable politically" (Levi/Maybury-Lewis 2012: 91).
Wenngleich sich mein Interesse ebenfalls auf Prozesse politisch-kategorialer Grenzziehung richtet, steht die Frage nach ihrer Angemessenheit nicht im Zentrum des vorliegenden Buches. Meine wissenssoziologische Herangehensweise impliziert eine "normative Enthaltsamkeit", die sie von juristischen, politikwissenschaftlichen und philosophischen Perspektiven unterscheidet: Die mich interessierende Frage lautet nicht, ob eine Kategorie "politisch zu rechtfertigen" sei. Es geht mir vielmehr darum zu zeigen, wie sich eine bestimmte kategoriale Sichtweise - unter Ausschluss von Alternativen - durchsetzen und mit einem derartigen Wirklichkeitscharakter ausgestattet werden konnte, dass sie eben nicht nur als politische, sondern auch als ontologische Kategorie erscheint, an die (identitäre) Selbstbeschreibungen anschließen.
Vor diesem Hintergrund setzt die Studie eine Reihe eigener theoretischer und empirischer Schwerpunkte. Erstens legt mein Interesse am Prozess der Institutionalisierung - an der Verankerung, Verfestigung und Verstetigung kategorialer Kommunikationen - und an dem Wandel, durch der sie getragen und begleitet wird, es nahe, einen weiten zeitlichen Rahmen zu wählen. Meine Analyse berücksichtigt auch jene Zeiträume, in denen die Kategorie "indigene Völker" nur beschränkte Relevanz besaß bzw. in Beobachtungszusammenhänge eingelassen war, in denen sie mit geradezu gegensätzlichen Bedeutungen assoziiert wurde: Indigene betraten in einem diskursiven Kontext die internationale politische Bühne, der eher einem zivilisatorischen Denken verpflichtet war als einem emanzipatorischen Rechtsdenken (vgl. instruktiv Rodríguez-Piñero 2005). Während dieser historische Vorläufer in der Literatur zu indigenen Völkern kaum oder nur als negative Abgrenzungsfolie beachtet wird, nehme ich ihn systematisch als Bedingung für die Institutionalisierung der Kategorie in den Blick. Zweitens schärft eine klassifikationssoziologische Perspektive, die die Kontingenz und gesellschaftliche Einbettung von Kategorien in den Fokus rückt, den Blick für die strukturellen und diskursiven Kontextbedingungen, innerhalb derer sich kategoriale Erwartungen herausbilden und wandeln. Damit lassen sich auch Brüche und Diskontinuitäten besser beobachten und analysieren (vgl. auch Engle 2010; 2011). Drittens wird das theoretische Instrumentarium, das die Klassifikationssoziologie bereitstellt, im vorliegenden Buch auf systematische Weise genutzt. Auch wenn es sich zumindest in Teilen der Forschung zu Indigenen etabliert hat, diese begrifflich als "Kategorie" zu fassen, wird das Potential einer wissenssoziologisch ausgerichteten Soziologie der Kategorisierung und des Vergleiches kaum ausgeschöpft (vgl. aber Loveman 2014; Levi/Maybury-Lewis 2012). Dabei sind theoretische Konzepte, die die basalen Mechanismen kategorialer Wirklichkeitsordnung, das Zusammenspiel von Selbst- und Fremdbeschreibungen sowie die generativen Effekte von Kategorien beobacht- und analysierbar machen, überaus geeignet, das komplexe Phänomen der Institutionalisierung und Globalisierung der Kategorie der "indigenen Völker" theoretisch und empirisch zu durchdringen (vgl. ausführlicher Kap. 2). Die kategorisierungstheoretische, wissenssoziologisch distanzierte Perspektive wird viertens auch dann beibehalten, wenn es darum geht, die - in verschiedener Hinsicht überraschende - menschenrechtliche Institutionalisierung von kollektiven Indigenenrechten zu erklären. Im Unterschied zu Arbeiten, die entweder indigene Rechtsansprüche mehr oder weniger explizit als stabil gegeben voraussetzen und lediglich ihre Anerkennung oder aber ihre Legitimität und Angemessenheit zum Gegenstand der Analyse machen, schließe ich an die Prämissen und das Erkenntnisinteresse einer neueren Geschichte und Soziologie der Menschenrechte an (vgl. nur Moyn 2010; Eckel 2014; sowie die Beiträge in Hoffmann 2010; Madsen/Verschraegen 2013; Eckel/Moyn 2014; Heintz/Leisering 2015): Ich betone in der vorliegenden Studie die Kontingenz menschenrechtlicher Kommunikationen und versuche eine vorschnelle "Expost-Vermenschenrechtlichung" zu vermeiden, die Menschenrechte als omnipräsent fixiert und alternative Spielarten der Beobachtung aus dem Blick verliert. Gleichzeitig werden die Gesellschaftlichkeit, Sozialität und Kontextualität rechtlicher Normen reflektiert: Ich gehe davon aus, dass Gründe für ihre Institutionalisierung nicht in der Natur, sondern in der Gesellschaft zu suchen sind (vgl. ebd.; Engle 2010; 2011). Dabei wird eine klassifikationstheoretische Perspektive eingenommen, aus der sich das Verhältnis von Kategorie und Menschenrecht genauer bestimmen und (auch) "innerkategoriale" Ursachen für den Erfolg indigener Rechtsforderungen identifizieren lassen (vgl. auch Bennani 2015).
Schließlich verortet sich das Buch in einem weltgesellschaftstheoretischen Rahmen (vgl. etwa Strang/Meyer 1993; Meyer u.a. 1997; Meyer 2000; 2010; Meyer/Jepperson 2000) und betritt damit ein in verschiedener Hinsicht kaum erschlossenes Feld: Wenngleich die Globalität der Kategorie der "indigenen Völker" - und ausdrücklicher noch: der sozialen Bewegung, die sich auf der Grundlage dieser Selbstbeschreibung konstituierte - im Zentrum einer Reihe von Studien steht (vgl. etwa Niezen 2003; Merlan 2009; Morgan 2011; Kemner 2013), ist sie erstens nur selten aus weltgesellschaftstheoretischer Perspektive analysiert worden (vgl. aber, allerdings mit regionalen Schwerpunktsetzungen, Loveman 2014; Brysk 2000; Larson/
Aminzade 2007; Sowa 2015; Tsutsui 2017; Jarno u.a. 2017). Das mag dem neoinstitutionalistischen Fokus auf Ähnlichkeiten und Isomorphie wie auch der Annahme der Prominenz westlicher Prinzipien geschuldet sein, die zur Folge haben, dass ein Großteil der Studien die Dominanz "des Westens" voraussetzt. Widerständigkeiten, Gegenbewegungen und Ambivalenzen werden nicht thematisiert oder vorschnell wegerklärt (so etwa Elliott 2007; Boli/Elliott 2008; vgl. aber für das Beispiel der Gruppenrechte instruktiv Koenig 2005; Tsutsui 2017) oder als Problem der Übersetzung und Adaption gewissermaßen in die weltkulturelle Peripherie verlagert. Am Beispiel der Kategorie der "indigenen Völker" lässt sich jedoch - unter Vermeidung eurozentrischer Grundannahmen - zeigen, wie sich weltkulturelle Institutionen gewissermaßen "von unten" und "aus der Peripherie" heraus konstituieren und überkommene Prinzipien aufweichen. Dabei, so meine Ausgangsannahme, institutionalisieren sich diese Erwartungen als weltgesellschaftliche - sie werden also zum Teil der globalen Erwartungsstruktur, die ihrerseits Wirkmächtigkeit entfalten und zur Konstitution von (isomorphen) kategorialen Einheiten beitragen kann. Eingenommen wird eine historische Prozessperspektive, die nicht nur das quantitative Wachstum, sondern auch den qualitativen Wandel einer Weltkultur in den Blick rückt und das Potential des Neoinstitutionalismus für eine historische Soziologie zu nutzen sucht (vgl. Koenig 2015). Zweitens - und noch grundlegender - haben Klassifikationssoziologie und Weltgesellschaftsforschung bisher kaum oder nur in Ansätzen voneinander Notiz genommen (vgl. aber Heintz/Werron 2011; Heintz 2016, 2017: 103ff.; Müller 2016): Auf der einen Seite legt die Kategorisierungsforschung den Schwerpunkt meist auf lokale bzw. nationale Praktiken der Kategorisierung (und folgt damit auch den kommunikativen Verdichtungen im Zuge staatlich-bürokratischer Praktiken). Auf der anderen Seite hat die Weltgesellschaftsforschung kategorisierungstheoretische Überlegungen bislang wenig rezipiert. Mehr noch: Für eine Vielzahl neoinstitutionalistischer Arbeiten ist charakteristisch, dass sie die Globalität weltkultureller Inhalte voraussetzen und nicht zum Gegenstand der Analyse machen. Demgegenüber liegt mein Fokus auch auf der Frage, wie sich eine Kategorie als global relevante Unterscheidung etablieren konnte, die einen weltweiten Beobachtungshorizont aufspannt. Angesichts globaler Diversität spricht vieles für die Unwahrscheinlichkeit globaler Beobachtungskategorien - und dafür, dass sie das Ergebnis sozial voraussetzungsvoller Prozesse globaler Sinnstiftung sind. Um diese Prozesse, Dynamiken und Generalisierungsbewegungen analytisch fassen zu können, verknüpfe ich das weltgesellschaftstheoretische Interesse mit Überlegungen der neueren Soziologie der Kategorisierung und des Vergleiches (vgl. etwa Zerubavel 1996; Heintz 2010; Heintz/Werron 2011; Heintz 2016) und entwickle den Theoriebaustein der "globalen Kategorie".