E-Book, Deutsch, 324 Seiten
BERG Engelchen flieg
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-347-96179-1
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 324 Seiten
ISBN: 978-3-347-96179-1
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses Buch ist als Roman aus der Zeit gefallen. Erzählungen brauchen eine Form. Was aussieht wie ein Buch, ist hier nur die Hülle einer komplexen Geschichte. Sie hält die Fragmente zusammen. Als Bruchstücke eines Lebens sind sie überhaupt nicht fiktiv, sie sind durch und durch wahr und somit autobiographisch. Im Gegensatz zu einem Tagebuch ist es ein Nachtbuch, denn es ist vor allem das Dokument vieler Nachtstunden. Ein wesentliches Merkmal dieser Geschichte ist jedoch, dass sie noch nicht zu Ende geschrieben ist, denn sie wird erst ganz zum Schluss von einem Anderen beendet! Lesen kann man die Fragmente dieser Lebensgeschichte der Reihe nach, man kann jedoch auch problemlos im Text springen, Teile auslassen oder gar von hinten beginnen!
PETER BERG was born in Kassel, Germany. He studied literature, applied linguistics, education, political science and visual arts. He begun his careers as a schoolteacher and later worked as district schools administrator in Kassel. In later years he developed an enjoying interest and love for painting and writing. 1985: Doctor of Philosophy, University of Kassel. Peter is also an artist who has exhibited in Europe and in China. He is married, has three grown-up sons and lives with his wife in a small village in Northern Hesse.
Autoren/Hrsg.
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Mäandern 2023 In der thüringischen Stadt Weimar steht den Besuchern das ehemalige Wohnhaus Goethes Am Frauenplan 1 offen. Man hat es zu diesem Zwecke so her- und eingerichtet, dass die Illusion erhalten bleibt, es befände sich in jenem Zustand wie vor mehr als zweihundert Jahren, als Goethe starb. Wenn man es heute auf einem vorgeschlagenen Rundweg durch die Räume mit einem akustischen Guide auf den Ohren durchschreitet, erfährt man einiges über die Lebensweise des städtischen Bürgertums im angehenden neunzehnten Jahrhundert. Zweifellos sind es die Häuser und Wohnungen, die uns im Laufe unseres Lebens Heimat geben. Jeder Mensch, umso mehr ein solch großer Geist, braucht eine angemessene Lebensbasis zu seiner Entfaltung. Und so kann man sich der Vorstellung hingeben, ins Innere jener unglaublichen Kraft einzudringen, an den Ort zu gelangen, wo der große deutsche Poet und Weltenmensch Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) viele Jahre Inspiration entwickelte und sein geistiges Zentrum entfaltete. Vor den Räumen in denen er lebte, …arbeitete, feierte, liebte, schlief…, bleiben heute Menschen andächtig stehen und hören gebannt die Worte, die eine kluge museale Vermarktung ihnen zur Erklärung bereitstellt. Es sind die Geschichten, die ein Leben ausmachen. Und ungezählte Geschichten, die nie erzählt werden, versinken mit dem Sterben in dem Meer der Ewigkeit … Hätte Paul, als Egon ihn bat, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, die Zeit in ihn investiert, sozusagen als Freundschaftsgabe, all die erlebten und erdachten Kuriositäten für ihn aufzuschreiben, von ihm diktiert, wäre gewiss ein lesenswertes Buch daraus entstanden. Er war noch nicht zum Schriftsteller bestimmt. Eine Möglichkeit mutig zu ergreifen, obwohl man doch schon auf einem, nämlich seinem eigenen, gedachten Weg schreitet und somit von ihm abzuweichen, ist sehr schwer, denn es sind jene Abweichungen, die, wenn man sie zulässt, schicksalhaft sein können. Lassen wir also einen ablenkenden Impuls zu oder widersetzen wir uns? Unser kleines Ego, das uns immer wieder Fallen der Eitelkeit stellt, wird, wenn es gut läuft, uns erst im sogenannten Alter in die Schranken weisen. Zu jener Zeit hatte er neben seinen vielfältigen Verpflichtungen aus der familiären und beruflichen Lebenssphäre keine zusätzliche Kapazität frei, um Egons Wunsch zu erfüllen. Damit wurde er als Freund für ihn untauglich. Nun möchte er, dass es ihm selbst nicht genauso ergeht. Er möchte jene Ereignisse, die er "mein Leben" nennt, und das, was sein Gehirn daraus an sogenannten Erfahrungen macht, nicht mit seinem absehbaren Tod unbeschrieben untergehen lassen. Wenigstens auf dem virtuellen Papier soll es stehen, all das Unglaubliche, Ungesagte, Unverrückbare und zugleich Verrückte seines Lebens. Deshalb schreibt er nun seine Biografie zur Ordnung der eigenen Verhältnisse. Als junger Lehrer war Paul Autor pädagogischer Aufsätze.9 Seine pragmalinguistische Dissertation, "Gesprochene Sprache als Gegenstand der Didaktik", die 1985 von der Kasseler Universität für seine Promotion angenommen wurde, kam ausschließlich in fotografierter Form auf den fachlich interessierten Markt.10 Im vordigitalen Zeitalter gab es zwischenzeitlich eine solche Methode, die abfotografierte Seiten auf ein entsprechendes Lesegerät projizierte. In jeder Universität standen jene Vorläufer der Computer. Ein Roman, den er später schrieb, verarbeitete die Eindrücke, die er von einer Reise nach Israel mitbrachte. Es ist eine Liebesgeschichte mit historisch-politischem Hintergrund, die Pauls Identität als Deutscher klärte und nebenbei seine eigenen ungelebten Möglichkeiten verfolgte. Die Phantasien spinnen, an Orte des Handelns festgebunden, Handlungsfäden, die so nie stattfanden aber möglich gewesen wären. 11 Damals wusste er noch nicht, dass auch beim Schreiben wie in aller Kunst gilt: Entweder es fließt wie von selbst, oder es bedarf eines großen Kraft- und Zeitaufwandes, um eine ehrgeizige Kulisse der Arbeit am Werk aufzubauen und am Leben zu erhalten. Noch später sollte er erkennen: wenn der sogenannte Künstler, der es schafft, seine Kunst auf einem Markt zu positionieren, sich selbst inszeniert hat, befindet er sich bereits in der eigenen Falle der Eitelkeit. Der Entschluss allein, ein Schriftsteller, Maler, Musikproduzent, Lehrer, Geschäftsmann, Wissenschaftler, Psychologe, Philosoph und so weiter zu sein, errichtet zunächst nur die Kulisse. Dennoch gilt in gleicher Weise, dass dem jeweiligen Sein stets das Wollen vorausgeht. Paul wollte groß werden, weil dann alles erst möglich würde, was ihn aus der Unmündigkeit herausführen würde. Und Paul wurde groß. Paul wollte geliebt werden und hat sich verliebt und gebunden. Die Liebe geben und geliebt werden sind, so hat er erfahren, die beiden zentralen Elemente, die uns Gott nahe bringen. Paul wollte einen Beruf haben, der ihm und seiner frisch gegründeten Familie den Lebensunterhalt sichert. Der Beruf sollte den persönlichen Möglichkeiten entsprechen, irgendwie auch befriedigend sein, und er sollte das, was man Sicherheit nennt, bieten. So sollte der Beruf Entwicklungsperspektiven enthalten und natürlich ein sicheres Monatseinkommen. All das wurde erreicht und noch mehr. Der Student hatte ein Ziel vor Augen, und jedem erreichten Ziel folgte darauf ein nächstes Ziel. Im Vertrauen und in der Begegnung mit Gott wurde aus dem Freund der Ehemann, aus dem unfertigen Jungen ein Vater, aus dem Lehrer ein maßgebender Lehrerausbilder, aus dem Niemand ein "Herr Doktor“, aus dem Lehrer der Schulamtsdirektor. Aus diesem wie aus dem Nichts und ganz nebenbei wurde der Maler PiTTo, entstanden internationale, damals bedeutungsvolle Kontakte nach China, und schließlich folgte mit der endlichen Erfüllung dieses Lebens die Befreiung von allen Bürden. Wann wird unser Leben zu einem Kunstwerk? Was macht die Kunst des Lebens wirklich aus? Sind es die Titel und Funktionen, die erworben wurden, sind es die angesammelten Reichtümer materieller Art, oder ist es das Unbeschreibliche, das nicht in Worte gefasste Bild eines runden, zeitlos gelebten Lebens, das Geheimnisvolle, Rätselhafte, welches einfach so da steht, gottgegeben und in seinen Gründen unerfindlich? Liebe und Freundschaft sind die Grundpfeiler aller Vollkommenheit, das ist heute seine Überzeugung. Je älter er geworden ist, desto mehr muss er sich dem Unsagbaren öffnen. Schließlich ist er angekommen in jener Sphäre, die aus Zeit- und Raumlosigkeit gewoben wird, die jenseits allen Ehrgeizes liegt und die sich erst dem öffnet, der sich treiben lässt. Einen Begriff für diesen Zustand hat er gefunden: Mäandern. Wie ein Fluss sich dem Delta nähert, so lebt er jetzt langsam treibend vor sich hin. Alle Untiefen und Stromschnellen hat er hinter sich gelassen und sieht voll Ruhe dem fast unmerklich fließenden Eingehen in das große Meer entgegen, dessen Fluten ihn jetzt schon sanft umspülen. Pauls Erkenntnis lautet: GOTT ist immer schon vor mir da. GOTT hat mich schon längst hinüber geholt. Der TOD ist der Anfang eines neuen, anderen Lebens, das ich schon jetzt leben darf. Nur durch die Akzeptanz meines Todes im zeitlosen Hier und Jetzt kann ich erkennen, was es heißt, dass ich in die Ewigkeit eintauche. Das zu wissen, ist die Einweihung! Danke dafür! Was Paul erleben darf, ist ein Abenteuer. Jedes Leben ist ein Abenteuer. Ein Abenteuer ist das Sicheinlassen auf den Anfang eines Handlungsstranges, dessen Ausgang bis zuletzt ungewiss bleibt. Schreibend jene langsam treibende Verfasstheit in die zeit- und zwanglose Ewigkeit zu beginnen, das ist für ihn ein neues Abenteuer. Heutige Menschen denken gewöhnlich in dem Bild eines sogenannten Lebensweges, in Kategorien von Anfang und Ende. Dabei erliegen sie der Verführung durch die Uhrzeigermagie. In Pauls neuer Wirklichkeit findet jedoch alles zugleich statt. Ein komplexes Buch seines Lebens ist schon geschrieben, bevor es mit Worten buchstäblich "zu Papier" gebracht wird. Dennoch kann es erst sichtbar werden durch das reflektierende Aufarbeiten im Schreiben. Neu ist auch, dass das Ende dieses Schreibens völlig ungewiss bleibt. Paul weiß nur, dass er solange schreiben wird, bis es aufhört. Dann versinkt alles dorthin, woher es kam, in die Sphären der Bedeutungslosigkeit. Er schreibt nicht um des Zieles, sondern um des Schreibens Willen. Es soll, es muss getan werden! Hermann August Menge (1841-1939) ist dafür ein gutes Vorbild. Der Altphilologe lebte als Lehrer und Schulleiter im Harz. 59- jährig ging er wegen Differenzen mit seinem Kollegium in den vorzeitigen Ruhestand und widmete sich fortan einer von ihm privat betriebenen Bibelübersetzung. Dies geschah völlig im Verborgenen, bis, durch Zufälle begünstigt, zuerst eine Publikation seines Neuen und später auch des Alten Testaments erfolgte. Die Mengebibel ist heute eine feste Größe in der christlichen Theologie. Paul, der ehemalige Lehrer, Pädagoge, Schulrat und...