E-Book, Deutsch, 317 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Boksteen / Bölting Praxishandbuch kommunale Immobilienwirtschaft
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-648-15871-5
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gründung, Management, Bewirtschaftung und Vermarktung von kommunalen Immobilienbeständen
E-Book, Deutsch, 317 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-15871-5
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Marco Boksteen (40) ist Founder und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ruhrwert Immobilien und Beteiligungs GmbH mit Sitz in Oberhausen. Seit 2012 ist er zudem Geschäftsführer der kommunalen Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH. Er ist seit 2006 zugelassener Rechtsanwalt und verbunden mit der auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei GTW in Düsseldorf.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftssektoren & Branchen Immobilienwirtschaft
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Systeme Kommunal-, Regional-, und Landesverwaltung
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Kommunal- und Baurecht Kommunal- und -haushaltsrecht, Kommunalabgaben, kommunale Unternehmen
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Verwaltungsrecht Verwaltungspraxis Kommunal- und Regionalverwaltung
Weitere Infos & Material
Vorwort
Ende 2020 gab es in Deutschland noch knapp 10.800 Städte und Gemeinden. Diese Städte und Gemeinden sind hinsichtlich Einwohnerzahl, Fläche und auch Organisationsform sehr heterogen. Nur etwa 15 Prozent der Städte und Gemeinden haben dem aktuellen Gemeindeverzeichnis zufolge mehr als 10.000 Einwohner, etwa 35 Prozent liegen zwischen 1.000 und 10.000 Einwohnern und weitere 15 Prozent haben sogar weniger als 1.000 Einwohner. Einige größere Städte sind kreisfrei, viele sind kreisangehörige Gemeinden und manche kleinere Gemeinden sind – je nach Bundesland – zu unterschiedlichen Verwaltungseinheiten zusammengefasst (Einheitsgemeinde, Samtgemeinde, Verbandsgemeinde).
Zusammen mit den Kreisen stellen die Städte und Gemeinden in Deutschland eine wichtige Basis unserer demokratischen Grundordnung dar. Dort werden – im Rahmen der geltenden Landes- und Bundesgesetze – konkrete Entscheidungen über Ziele und Maßnahmen wie auch über die Verwendung öffentlicher Mittel von den gewählten Abgeordneten in den Stadt- und Gemeinderäten getroffen. Gleichzeitig haben die Kommunen in Deutschland ausgehend vom Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20) die Möglichkeit und Pflicht, die kommunale Daseinsvorsorge zu organisieren, sofern dies nicht von staatlicher Seite übernommen wird (sog. subsidiäres Allzuständigkeitsprinzip). Dies ist zusammen mit der kommunalen Selbstverwaltung ebenfalls im Grundgesetz geregelt: »Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln« (Art. 28 GG), ohne dass dort allerdings eindeutig geklärt würde, was die »kommunale Daseinsvorsorge« konkret ist. Weitere Ausführungen dazu auf der Ebene der Bundesgesetze liefert das Raumordnungsgesetz (ROG) in § 2 Abs. 2 Nr. 1, wonach in Deutschland ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustreben sind, wozu die »nachhaltige Daseinsvorsorge« zu sichern sei. Allerdings ist kaum zu verlangen, dass eine einzelne Kommune diese Ziele für ganz Deutschland erreicht, weshalb hier im Wege des Gegenstromprinzips die örtlichen Planungen mit höheren Ebenen abzustimmen sind.
Um die Leistungen der (kommunalen) Daseinsvorsorge erbringen zu können, benötigen die Kommunen neben finanziellen Ressourcen, die sie z. B. über Steuern erhalten oder über den Finanzausgleich zugesprochen bekommen, und weiteren Ressourcen wie Wissen, Fachkräften etc. sehr häufig auch Immobilien. Ohne entsprechende Gebäude und Liegenschaften gibt es weder eine Feuerwehr, eine Grundschule oder eine Bürgersprechstunde im Rathaus noch eine fachgerechte Hege und Pflege des Stadtwalds ausgehend vom Forsthaus. Hallen- und Freibäder, Krankenhäuser, Stra-ßenbahnausbesserungswerke, Pump- und Klärwerke – alle diese für unseren Lebensstandard wichtigen Funktionen erfordern komplexe (Spezial-)Immobilien. Es ist davon auszugehen, dass die Kommunen in Deutschland direkt oder indirekt (über kommunale Tochterunternehmen) zu den größten Immobilienbesitzern Deutschlands gehören. Noch dazu verwalten sie ein derart komplexes und heterogenes Portfolio wie kaum ein anderes Immobilienunternehmen in Deutschland, sieht man vielleicht einmal von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ab, die ebenfalls über sehr unterschiedliche Immobilienbestände verfügt.
Während allerdings um die gewerbliche Immobilienwirtschaft sowie im Speziellen die Wohnungswirtschaft herum in den vergangenen Jahrzehnten eigene Wissenschafts- und Ausbildungszweige entstanden und diese Segmente in Marktberichten, Bedarfsanalysen und Detailstudien vielfältig untersucht wurden, liegen solche Studien für kommunale Immobilien bislang nicht vor. Dies ist insofern erklärbar, da einige der kommunal genutzten Immobilien hinsichtlich der Typologie mit anderen (privatwirtschaftlichen) Immobilienmärkten vergleichbar sind. Rathäuser z. B. können im weiteren Sinne als Büroimmobilien verstanden werden und kommunale Pflegeheime z. B. finden zahlreiche Pendants im privatwirtschaftlichen oder freigemeinnützigen Bereich. Bei vielen anderen kommunalen Objekten gibt es aber kaum Vergleichbares, weshalb hier eine separate Betrachtung notwendig wäre.
Lange wurden die kommunalen Immobilien somit vornehmlich von ihrer spezifischen Nutzung her geplant, betrieben und genutzt. Eine strategische Auseinandersetzung mit dem Immobilienportfolio innerhalb der Kommunen fand kaum statt. Hinzu kommt, dass viele der kommunalen Immobilien wegen der jahrzehntelangen desolaten kommunalen Haushaltslage einem veritablen Investitionsstau unterliegen. Sie sind schon heute vielfach kaum mehr geeignet, so genutzt zu werden wie ursprünglich geplant. Das gilt vor allem auch für Anforderungen, die sich aus dem Wandel eben dieser Nutzungen ergeben. Angesichts des gewaltigen medizinischen Fortschritts in den vergangenen Jahrzehnten sind die erforderlichen Gerätschaften und Infrastrukturen für einen modernen Operationssaal kaum in Räumlichkeiten aus den 1960er-Jahren unterzubringen, ohne dass es zu größeren Änderungen kommt. Moderne Leiterwagen der Feuerwehren passen schon aufgrund ihrer Länge und Breite kaum in Spritzenhäuser aus der Kaiserzeit und auch die Anforderungen an eine moderne Verwaltung und an eine diskriminierungsfreie Teilhabe z. B. von bewegungseingeschränkten Personen erfordern mindestens erhebliche Umbauten in Rathäusern aus der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele der kommunalen Immobilien stammen zudem aus einer Zeit, in der (fossile) Energie billig und vermeintlich unbegrenzt verfügbar schien. Wenn wir die Klimaschutzziele einhalten wollen, wird das auch ohne erhebliche Verbesserungen des öffentlichen bzw. kommunalen Immobilienbestands nicht gehen.
Ein besonderer Schwerpunkt in den öffentlichen Diskussionen (wie auch im vorliegenden Band) liegt allerdings auf kommunalen Wohnungsbeständen. Angesichts der erheblichen Nachfrageüberhänge vor allem in den wachsenden Städten in den vergangenen Jahren kam es hier zu einem (erneuten) Paradigmenwechsel von der Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände hin zu einer (Re-)Kommunalisierung der Wohnungsangebote. Nicht zuletzt auf die Kommunen und ihre noch immer über 2,5 Mio. Wohnungen in Deutschland kommen hier durch Neubau und Modernisierung erhebliche Aufgaben zu.
Insofern erschien es sinnvoll, einen genaueren Blick auf die bislang unterschätzten kommunalen Segmente der Immobilienmärkte zu werfen, wobei der Begriff »Markt« gar nicht immer geboten scheint. Während Kommunen sich bei Wohnimmobilien durchaus in einem mehr oder weniger polypolistischen Markt mit mehreren Anbietern und vielen Nachfragern bewegen, gibt es für viele der hochspezialisierten Immobilien in den kommunalen Anlagebüchern praktisch kaum Märkte im klassischen Sinne. Feuerwehren z. B. stehen nicht in Konkurrenz zueinander; auch Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe oder Schulen sind nicht ohne Weiteres von jeder Person an jedem Ort zu betreiben. Insofern gibt es auch niemanden, der in einem Ort (jenseits einer musealen Nutzung) beispielsweise eine alte Feuerwache als ebensolche nachfragt. Wenn es also zur Veräußerung kommunaler Immobilien kommt, geht das häufig mit einer mehr oder weniger komplexen Nutzungsänderung einher.
Das berührt eine weitere Dimension, innerhalb der Kommunen eine bedeutsame Verbindung zum Feld »Immobilien« haben. Sie haben von Rechts wegen hoheitliche Aufgaben übertragen bekommen – dazu gehören u. a. die Gebiets- und v. a. die Planungshoheit. Kommunen sind als Träger der Planungs- und Bauaufsicht in der Lage, (lokale) Immobilienmärkte umfangreich zu beeinflussen oder überhaupt zu schaffen. Wenn eine Kommune über lange Zeit kein Bauland ausweist, wird das den lokalen Markt für (neue) Einfamilienhäuser faktisch austrocknen. Wenn die Kommune über Einzelhandelsgutachten und entsprechende Satzungen (Flächennutzungs- und Bebauungspläne) die Ausweisung von gewerblichen Flächen für den großflächigen Einzelhandel massiv beschränkt, wird es hier zwar möglicherweise zu einer Nachfrage, aber kaum zu einem hinreichenden Angebot kommen. Ebenso ist dies natürlich auch im Sinne einer »Angebotsplanung« andersherum möglich.
Schließlich können Kommunen eben durch das Satzungsrecht jedenfalls in der Theorie massiv Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung von Flächennutzungen und Gebäudetypologien nehmen bis hin zu gestalterischen oder technischen Details, wie z. B. bestimmten Dachformen, Nutzungs- und Wohnungsmix oder auch Heizungsarten etc. und tun dies durchaus auch, um eine nachhaltige und ausgewogene Stadtentwicklung sicherstellen zu können.
Der vorliegende Band nähert sich dem kommunalen Immobilienwesen zunächst von der allgemeinen Perspektive auf Immobilienmärkte und kommunale Immobilien und der Einordnung in die kommunale Daseinsvorsorge sowie in die...