E-Book, Deutsch, 372 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Boksteen Praxishandbuch Vermietungsvertrieb
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-648-14900-3
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wohnungsvermietung in der Immobilienwirtschaft
E-Book, Deutsch, 372 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-14900-3
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Marco Boksteen (40) ist Founder und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ruhrwert Immobilien und Beteiligungs GmbH mit Sitz in Oberhausen. Seit 2012 ist er zudem Geschäftsführer der kommunalen Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH. Er ist seit 2006 zugelassener Rechtsanwalt und verbunden mit der auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei GTW in Düsseldorf.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort von Axel Gedaschko und Alexander Richter
Geleitwort von Arnd Fittkau
Vorwort
Einleitung
Die Situation am Wohnungsmarkt
- Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik in Deutschland seit 1990 (Torsten Bölting, Björn Eisele)
- Wohnen wird teurer - jedenfalls in Metropol- und Schwarmstädten (Torsten Bölting, Björn Eisele)
- Wohnungspolitische Lösungen in der Praxis (Torsten Bölting, Björn Eisele)
Angebot und Nachfrage - praxisorientierte Produkt- und Kundenanalyse
- Produktanalyse
- Kundenanalyse (Torsten Bölting und Björn Eisele)
Systematischer Wohnungsvertrieb
- Personal - ideale Vermieter für Wohnraum
- Vertriebsoptimierte Wohnungsvermarktung
- Praxisorientierte Vertriebsprozesse
Vermietungssteuerung in Unternehmen
- Interne Vermietungssteuerung
- Externe Vermietungssteuerung
- Vertriebliche Vermietungsstrategien in Wohnungsportfolios
Controlling und Reporting
- Controlling/Soll- und Ist-Planung
- Reporting
Die zehn Komponenten des Vermietungserfolgs
Ausblick
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Die Autoren
1 Die Situation am Wohnungsmarkt
Der Wohnungsmarkt in Deutschland befindet sich in den letzten zehn Jahren in einem starken Wandel. Waren nach der Finanzkrise noch weitestgehend entspannte Teilmärkte auch in den Metropolen anzutreffen, hat sich dieses Bild spätestens seit 2015 deutlich umgekehrt. Die angespannte Situation am Wohnungsmarkt ist nach wie vor eines der innenpolitischen Topthemen in den bekannten Leitmedien. Mittlerweile sind wohnungspolitische Themen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene an der Tagesordnung. Die Mietpreisbremse, ein in weiten Teilen der Fachwelt höchst umstrittenes Instrument, ist nur ein Anzeichen für den um sich greifenden Aktionismus. Populistische Stimmen werden laut, die als ultima ratio bereits die Verstaatlichung von Wohnungsgesellschaften fordern.2
Die Brisanz und Relevanz des Mietwohnungsmarkts ergeben sich auch aus den absoluten Zahlen im internationalen Vergleich. Die Wohneigentumsquote beträgt in Deutschland derzeit nur 45 Prozent. Das ist im Vergleich zum europäischen Umland eine äußerst geringe Quote: In Italien liegt der Wert bei 77 Prozent in Norwegen sogar bei 82 Prozent. Das Wohnen zur Miete dominiert in Deutschland den Markt.
Wohneigentumsquote in Europa 2018 (angelehnt an: Euroconstruct/ifo)
Die geringe Eigentumsquote in Deutschland hat vor allem historische Gründe. Im Zuge der Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgten Zuwanderungsströme zu den bedeutenden Abbau- und Produktionsstandorten. Die große Zahl an neuen Bewohnern konnte nicht in einzelnen Häusern untergebracht werden, sodass der Geschosswohnungsbau um 1920 eine Boomphase erlebte. In dieser Zeit wurden zahlreiche kommunale und konzerneigene Wohnungsgesellschaften gegründet. Ebenso etablierte sich das Genossenschaftswesen zunehmend. Die Genossenschaften, also die Mischform zwischen Miete und gleichzeitiger Partizipation am Gesamteigentum, gehen auf das Jahr 1889 zurück.3 Heute haben die Genossenschaften einen Anteil von neun Prozent am Wohnungsmarkt. Professionelle Eigentümer machen in Deutschland insgesamt 34 Prozent des Mietwohnungsmarktes aus, Privatpersonen sogar 43 Prozent.
Eigentümerstruktur am deutschen Mietwohnungsmarkt (Quelle: Savills/Statistisches Bundesamt)
Auf analytischer Ebene gilt es zunächst, eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Wohnungsmärkten vorzunehmen. Die Situation in den Metropolstandorten und Schwarmstädten ist eine gänzlich andere als in den ländlichen Regionen bestimmter Bundesländer. Die Wohnstudie 2030 des INWIS geht davon aus, dass vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl von Regionen mit Angebotsüberhängen von einem deutlichen Bedeutungsgewinn der Nachfrage auszugehen ist. Die Forscher und Forscherinnen formulieren insoweit: »Die nachfragegerechte Gestaltung des Wohnungsangebotes einschließlich der Serviceleistungen wird insbesondere in diesen Regionen ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg sein. Zwar wird es auch in Zukunft Regionen mit deutlichem Nachfrageüberhang geben, doch insgesamt gesehen wird der Wettbewerb um den Kunden, als Mieter oder Eigentümer, weiter zunehmen. Die Wünsche der Nachfrage werden damit für die Branche immer wichtiger werden.«4
Bei der Ausrichtung und Organisation sinnvoller, zukunftsfähiger Vermietungsprozesse sind die entscheidenden gesellschaftlichen Lebens- und Wohntrends von wachsender Bedeutung. Nachstehende Trends sind demnach in die Überlegungen einzubeziehen:
- »25-Stunden-Gesellschaft«
- demografischer Wandel und die Silver Generation
- Megatrend Digitalisierung
- Sharing Economy
- sozioökonomische Verunsicherungen (Armutsquote)
- Zuwanderung und Integration
Die nachstehenden Ausführungen sollen es den Leserinnen und Lesern ermöglichen, einen umfassenden Überblick über die Voraussetzungen und Notwendigkeiten einer erfolgreichen Vermietungspraxis zu erhalten. Theoretische Ansätze sind wichtig und als Grundlage unabdingbar, allerdings nur, soweit in der Praxis auch eine entsprechende Lösungs- und Ergebnisfolge eintritt. Insofern besteht vorliegend der Anspruch, sowohl Theorie als auch praxiserprobte Handlungs- und Lösungsansätze an die Hand zu geben. Selbstverständlich sind die hier vermittelten Wissensstränge vor allem bei größeren Wohnungsportfolios von Interesse, aber auch kleine Vermietungsbestände bedürfen einer professionellen Handhabung, um dauerhaft wirtschaftlichen Erfolg zu haben.
Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist stark diversifiziert und bedarf einer räumlich individualisierten Betrachtung. In den vergangenen zehn Jahren ist »der« Wohnungsmarkt zum Thema einer breiten öffentlichen Diskussion geworden. Zahlreiche Artikel und Veröffentlichungen insbesondere auch in der Tagespresse spiegeln dies genauso wider wie die Tatsache, dass sich mittlerweile die Politik und die öffentliche Verwaltung auf praktisch allen Ebenen (Bund, Land, Kommune) in verschiedener Weise mit dem Thema befasst (hat). Kaum ein Wahlprogramm der vergangenen Jahre kam ohne Forderungen zur Lösung der Wohnungsfrage aus und sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene setzen sich neben den Fachministerien auch diverse Kommissionen und weitere Gremien mit entsprechenden Fragestellungen auseinander. Das gilt auch für viele Kommunen – insbesondere dann, wenn es dort zu Knappheiten kommt.5 Die gestiegene Bedeutung des Themas für die Allgemeinheit ist vor allem darin begründet, dass es offenkundig zu deutlichen Knappheiten und damit erheblichen Preissteigerungen kommt. Das wiederum betrifft eine wachsende Zahl von Menschen (namentlich Wohnungssuchende), die feststellen müssen, dass sie ihre Wünsche oder Anforderungen häufig nicht in zufriedenstellender Weise am Markt realisieren können.
Allerdings ist aufgrund der Spezifika des Produktes »Immobilie« selbst eine nähere Betrachtung dieser Ausgangslage notwendig. Keineswegs kann eine entsprechende Knappheit oder gar Unterversorgung für ganz Deutschland oder für alle zu unterscheidenden Wohnungsmarktsegmente (unterschiedliche Wohnungstypen) in gleicher Weise festgestellt werden. Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist sowohl segmentiell (unterschiedliche Lebensstile) wie auch räumlich stark differenziert. Zudem muss aus diesen Gründen festgehalten werden, dass der Immobilienmarkt, speziell der für Wohnimmobilien, ein hochgradig unvollkommener Markt ist. Dies bedeutet, es kommt erkennbar nicht allein durch das freie Spiel der Marktkräfte (Angebot und Nachfrage) zu einem ausgeglichenen Markt.6 Dadurch und mit der Tatsache, dass die Wohnung nicht nur als Wirtschaftsgut, sondern auch als Sozialgut gilt, das die Bürgerinnen und Bürger zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse (»Wohnen«) dringend benötigen, wird der erkennbare interventionistische Impetus staatlichen Handelns an den Wohnungsmärkten begründet.7
Während in der DDR mit ihrem sozialistisch-planwirtschaftlichen System (nicht nur) der Wohnungsmarkt ohnehin hochgradig staatlich reguliert war bzw. aufgrund der Tatsache, dass Wohnungen zugeteilt und Mietpreise z. B. festgeschrieben waren, letztlich gar kein Markt bestand, hat auch die marktwirtschaftlich organisierte Bundesrepublik Deutschland von jeher in hohem Maße Einfluss auf die Märkte genommen. Dies geschah und geschieht über ordnungspolitische Regelungen (z. B. die mietrechtlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch), baupolizeiliche Regularien (namentlich die Instrumente der Bauleitplanung mit ihren Möglichkeiten zur Nutzungsbestimmung und zur Festsetzung der konkreten Ausgestaltung von Bebauung sowie z. B. die Bau-Nutzungsverordnung mit Regelungen zur (Wohn-)Nutzung) und durch förderrechtliche »Ermöglichung«, wie v. a. die Wohnungsbauförderprogrammatik. Zudem spielten jedoch Staat, Länder und Kommunen lange Zeit und teilweise bis heute auch als Anbieter an den Wohnungsmärkten selbst eine Rolle im aktiven Marktgeschehen.
Torsten Bölting, Björn Eisele
1.1 Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik in Deutschland seit 1990
Die derzeit zu beobachtenden Engpässe in manchen Regionen und Marktsegmenten ist ohne Berücksichtigung der Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte nicht zu erklären. Einen wesentlichen Einschnitt in dieser Thematik stellen die »friedliche Revolution« in der DDR 1989/1990 und die folgende Wiedervereinigung dar. Die DDR-Wohnungspolitik galt zu dem Zeitpunkt als weitgehend gescheitert – der sozialistische Anspruch einer hochwertigen und »gleichen« Wohnungsqualität für alle Bürgerinnen und Bürger war über die gesamte Zeit des Bestehens der DDR nicht annähernd erfüllt worden – auch, weil angesichts einer...