Borner / Corvo / Dee | Dorian Hunter - Unheilige Nacht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 901, 252 Seiten

Reihe: Dorian Hunter

Borner / Corvo / Dee Dorian Hunter - Unheilige Nacht

9 Kurzgeschichten
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95572-820-5
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

9 Kurzgeschichten

E-Book, Deutsch, Band 901, 252 Seiten

Reihe: Dorian Hunter

ISBN: 978-3-95572-820-5
Verlag: Zaubermond Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Nicht erst mit den Raunächten bricht eine besondere Zeit an. Es ist die Zeit der Einkehr. Die Dämonen werden mit zunehmender Dunkelheit von Nacht zu Nacht realer. Höchste Zeit also, Dorian Hunter und Coco Zamis in neun Geschichten auf ihrer Winterreise zu begleiten. Mit Storys von Simon Borner, Catalina Corvo, Logan Dee, Jörg Kleudgen, Catherine Parker, Christian Schwarz, Michael Marcus Thurner, Uwe Voehl und Susanne Wilhelm.
Borner / Corvo / Dee Dorian Hunter - Unheilige Nacht jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Das ABC des Teufels von Simon Borner     Karten sind des Teufels ABC. - sorbisches Sprichwort     Spanien, 1796 Sein Name war Hugo Bassarak. Aber er hatte keine Bedeutung mehr. Er gehörte der Vergangenheit an – genau wie jedes andere Detail seines Lebens. Und die Vergangenheit war vorüber. Endgültig. Sie musste es einfach sein. Andernfalls wäre es vermutlich sein Tod.   Die Straße war lang, staubig und kerzengerade. Bassarak wusste nicht, wie lange er sie schon beschritt. Tage? Wochen? Die Zeit verlor jegliche Bedeutung, wenn man stur nach Süden wanderte, nichts als den Himmel und das Gras am Wegesrand als Begleitung und nichts als das ferne Ziel im Sinn: Portugal. Die Atlantikküste. Dort würde er ein Schiff finden, das ihn noch weiter weg von all dem brachte, was er zu vergessen suchte. Wenn erst Ozeane zwischen ihm und Paris lagen … Vielleicht würde er dann endlich vergessen können. Endlich leben können. Endlich Frieden finden. Am Tag gelang ihm das schon recht gut. Die staubige Landstraße half, die Erinnerungen verblassen zu lassen. Sie bestätigte einem mit jedem zurückgelegten Schritt und jedem passierten Grashalm aufs Neue, dass es vorwärts ging und die Grauen des Gestern immer weiter hinter ihm lagen. Die Straße gab einem eine Beschäftigung und ein Gefühl von Fortschritt. Nur bei Nacht, wenn Bassarak allein auf seinem Lager ruhte, den Blick ins Dunkel gerichtet, kehrten die Erinnerungen zurück und überwältigten ihn wie Sturmwellen das schutzlose Ufer. Nachts bekam das Gestern Zähne, und sein Biss war noch so teuflisch wie eh und je. Nicht denken, tadelte er sich daher und richtete den Blick nun wieder stur gen Horizont. Handeln. Es war sein Mantra, seit Wochen schon. Er ging, um zu vergessen – das ja –, aber auch, um sich einen Neuanfang zu ermöglichen. Er ging, damit ein Schlussstrich gezogen wurde und ein neues Kapitel begann. Eines, in dem das Gestern keine Rolle mehr spielte, weil niemand es mehr kannte. Weil niemand Fragen stellte, die Bassarak nicht beantworten wollte. Und weil gefühlt Welten zwischen ihm und Paris liegen würden. Welten voller Sicherheit. Es war spät geworden an diesem Tag. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel über Spaniens Bergen. Bassarak war auf seiner Wanderung so in Gedanken versunken gewesen, dass er sie erst jetzt bemerkte. Ferner Donner drang nun an sein Ohr, und in der Luft lag eine drückende Schwüle, die ihm trotz der schon späten Stunde erneut den Schweiß aus den Poren lockte. Ein Sturm bahnte sich an. Sogar ein ziemlich starker, wenn er sich nicht irrte. Selbst das Zwitschern der Vögel – eigentlich eine Konstante auf seinem Weg – war inzwischen verstummt. Die gefiederten Tiere schienen bereits irgendwo Zuflucht gefunden zu haben. Da geht es ihnen besser als mir. Seufzend beschleunigte Bassarak seinen Schritt. Irgendwo würde er schon eine Scheune oder einen Gasthof finden. Wenn er Glück hatte und sich beeilte, erreichte er ihn noch, bevor das Wetter zur Gefahr wurde und ein Blitz an ihm beendete, was dem Grauen von Paris nicht gelungen war. Knapp eine Stunde später kam er nach Punto Final. Der so pathetisch betitelte Ort war wenig mehr als ein Klecks auf der Landkarte. Eine Handvoll windschiefer Häuser, irgendwo im Hinterland des spanischen Nirgendwo gelegen, zwischen den Bergen und dem Wald, und rechts und links an ein und derselben staubigen Straße aufgereiht, der einzigen weit und breit. Schwarze Fenster, hinter denen sich nichts rührte. Krumme Schornsteine, aus denen kein Rauch aufstieg. Schmutzige Fassaden. Doch mittendrin: ein Gasthaus. Bassarak, inzwischen regennass bis auf die Knochen, atmete erleichtert auf. Schnell bog er von der Straße ab und steuerte auf das ebenso kleine wie unscheinbar wirkende Lokal zu. Es hieß genau wie der Ort, und zumindest von außen machte es selbst an diesem Unwetterabend einen alles andere als heimeligen Eindruck. Aber in der Not war jeder Hafen eine Rettung, und das Punto Final hatte der Straße und dem Sturm zumindest Wände und ein Dach voraus. Das war im Moment alles, was für Bassarak zählte. Dankbar betrat er den Schankraum. Auch das Innere des Gasthauses verdiente eigentlich keine Beschreibung. Schmucklose Wände, abgewetzte Tische und Stühle. Ein langer Tresen am hinteren Ende des Raumes wirkte so windschief wie der gesamte Ort, und die Handvoll schlicht wirkender Gestalten, die sich an ihm versammelt hatten, um ein Glas nach dem anderen zu leeren, waren sich selbst genug. Niemand von ihnen drehte sich nach Bassarak um. Das, fand dieser, war ein weiterer Glücksfall. Er achtete kaum auf sie. Schweigend nahm Bassarak an einem Ecktisch Platz, fuhr sich mit der Hand über das nasse Gesicht und streckte die Beine aus. Wie aus dem Nichts erschien der Wirt neben ihm – ein stämmiger Bär von einem Mann mit schwarzem Haar und vollem Bart –, stellte kommentarlos einen Krug Bier vor ihm ab und ging genauso kommentarlos wieder zum Tresen zurück. Unter anderen Umständen hätte Bassarak sich beschwert, schließlich hatte er nichts bestellt. Nun aber merkte er, wie durstig er war, und leerte den halben Krug in einem einzigen Zug. Das Gebräu schmeckte himmlisch. Zeit verstrich. Bassarak hatte die Stiefel ausgezogen und das Regenwasser aus ihnen gekippt. Sein kurzes Haar begann zu trocknen, die Kleidung ebenfalls. Eine wohlige Wärme und Ruhe machte sich in seinem Inneren breit. Vor den Fenstern des Punto Final tobte das Unwetter. Wind pfiff um die schiefen Häuser, und die restlos verlassene Straße schien im Nass zu versinken. Doch hier im Schankraum war es trocken und friedlich. Außerdem gab es Bier. Bassarak war bereits beim dritten Krug, als er sich endlich einmal nach den Gestalten am Tresen umdrehte. Zwei von ihnen waren tatsächlich eher simple Gesellen. In die Jahre gekommene Männer vom Land, mit wettergegerbten Gesichtern, schwieligen Händen und Hosen, die öfter geflickt worden waren als gewaschen. Stoisch und zügig leerten sie ihre Humpen, einen nach dem anderen. Sie redeten nicht viel, aber das taten sie draußen auf ihren Feldern vermutlich auch nie. Nur einer redete viel. Zu viel. »Herr Wirt, noch eine Runde für meine neuen Freunde! Und zwar das starke Zeug, hört Ihr? Dieser Sturm, der uns so unverhofft in Eurer Schänke zusammengeführt hat, soll uns ein Grund zum Feiern sein.« Sehr gestelzte Worte für einen so simplen Ort. Auch ihr Sprecher passte nicht ganz in die Umgebung. Der Mann dort in den Schatten am hinteren Tresenende war deutlich auffälliger gekleidet als die Landeier, fast schon städtisch. Er war gertenschlank und drahtig, wo sie eher durch Muskeln und klobigere Statur überzeugten. Außerdem hatte er feuerrotes Haar, eine unnatürliche Blässe und trug sogar hier im Haus noch einen Hut, dessen Krempe seine Züge zum Großteil in Dunkelheit hüllte. Der Kragen seines Mantels war hochgeschlagen, als würde er frieren. Und doch lag eine Herzlichkeit und Wärme in seinem Tonfall, die von allem anderen als von Kälte kündete. Sie war klebrig wie Honig und falsch wie der Tod. Bassarak begriff sofort. Denn er kannte solch einen Tonfall gut. Aus Paris … und aus den schlaflosen Nächten. Sofort sah er wieder weg. Sein Atem ging schneller, und die Hände, die seinen dritten Krug hielten, zitterten plötzlich leicht. Mit einem Mal war er stocknüchtern. Konnte es wirklich wahr sein? Einer von ihnen, so weit draußen im Nichts? So fern von Paris und dem pulsierenden Leben, nach dem diese elenden Ungetüme doch so sehr lechzten? Bassarak versuchte sich einzureden, dass seine Phantasie ihm Streiche spielte. Doch sein Instinkt sprach eine ganz andere, erschreckend deutliche Sprache. Die so menschlich anmutende Kreatur da am Tresen war keine Phantasie. Sie war echt. Und sie jagte! »Trinkt, Freunde. Trinkt. Ich lade euch ein. Eure Gesellschaft ist mir ein Segen. Wer hätte gedacht, dass ich hier draußen auf solch herrliche Kumpane stoße?« Bassarak biss die Zähne zusammen, dass ihm die Kiefer schmerzten. Sein ganzer Körper schien zu verkrampfen, so sehr ekelte und entsetzte ihn die Präsenz des blassen Ungeheuers dort am Tresen. Warum hatte er diesen Dämon nicht schon bei seiner Ankunft bemerkt? War er zu müde gewesen, zu erschöpft? Waren die alten Instinkte nach all den Wochen auf der Landstraße etwa eingerostet? Es änderte nichts: Der Blasse Mann war hier, und mit jedem Krug, den er den tumben Feldarbeitern spendierte, zog er seine Schlinge enger zu. Nicht mehr lange, und er würde sich einen der Zecher als Beute nehmen. Wenn nicht sogar alle. Die Gier war schließlich das, was seine elende Brut vor allem anderen auszeichnete. Sogar noch vor dem Mangel an Moral. »Was ist mit Euch, Freund? Wollt Ihr Euch uns nicht anschließen? In stürmischen Nächten wie heute kann man sich doch keine bessere Gesellschaft wünschen?« Bassarak wusste sehr genau, wem die Frage galt. So genau, wie er wusste, dass der Blick des Blassen plötzlich allein auf ihm ruhte. Dieser gierige, unmenschliche, elende Blick. »Wir haben noch Platz für Euch, mein Freund«, rief der Fremde in Bassaraks Rücken. »Kommt doch einfach her. Die nächste Runde geht auf mich!« Bassaraks Augen waren weit geöffnet. Doch obwohl er stur auf den Sturm jenseits der Fenster blickte, sah er nur die Bilder seiner Vergangenheit vor sich. Das Blut von Paris, die Toten und die dämonische, gierige Brut. »Freund?«, rief der Fremde. Falsche Freundlichkeit, falscher Charme. Trügerisch und verlogen. Lockend schlug er zwei Bierkrüge aneinander. »Trinkt mit uns,...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.