Braumann | Eine Heimat am See | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Braumann Eine Heimat am See

Erzählungen und Geschichten aus sieben Jahrzehnten
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7025-8012-4
Verlag: Verlag Anton Pustet Salzburg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erzählungen und Geschichten aus sieben Jahrzehnten

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-7025-8012-4
Verlag: Verlag Anton Pustet Salzburg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Franz Braumann war zu Lebzeiten einer der erfolgreichsten Salzburger Schriftsteller. Der Heimatdichter, Sagenerzähler, Jugendbuch- und Reiseschriftsteller hinterlässt ein umfangreiches Werk an veröffentlichten Büchern, Erzählungen, Artikeln und Berichten. Mit Literaturpreisen und Auszeichnungen im In- und Ausland wurde seine Bedeutung gewürdigt. Anlässlich seines 100. Geburtstages sind seine besten Erzählungen und Sagen in einem spannenden Lesebuch erschienen:
Vom "Bauerndichter" über den begnadeten Sagen- und Märchenerzähler bis zum Romanschriftsteller, der modernen gesellschaftspolitischen Themen im Spannungsfeld zwischen Land und Stadt ebenso gerecht wird wie historischen Erzählungen und Biografien. Auch die Abenteuer aus aller Welt und Reisegeschichten sind in dem Sammelband aufgenommen, weiters Braumanns lyrisches Werk. Gedichte sind das verbindende Element zwischen diesen einzelnen literarischen Landschaften, als deren Herzstück freilich die Gegend rund um den Wallersee anzusprechen ist. Das Zuhause, das den Dichter geprägt und immer aufs Neue inspiriert hat, weit über die Jugend am See hinaus, als er längst den Reisenden und Fotografen in sich entdeckt hatte, der alle Kontinente der Erde besuchte.

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WIE EIN BAUERNBUB DICHTER WURDE
IN HUTTICH, EINEM kleinen Dorf an der Ostgrenze der Gemeinde Seekirchen, wurde ich geboren. Der Markt liegt ungefähr in der Mitte der großen Landgemeinde. Markt und Land wurden damals noch von zwei Bürgermeistern mitsamt je einem Gemeinderat geleitet. Diese Doppelgemeinde besaß eine gemeinsame Volksschule, zu der eine einklassige Nebenschule in Edt-Mödlham am Fuße des Haunsberges sich im großen Gemeindegebiet anschloss. Geboren wurde ich als zweites von sechs Kindern am 3. Dezember 1910. Allerdings gab es eine Ungewissheit meines Geburtsdatums, die bis zum heutigen Tag nicht eindeutig gelöst ist. Meine Mutter ließ ihr Leben lang von der Feststellung nicht ab, dass ich am 3. Dezember um drei viertel eins in der Früh auf die Welt gekommen sei. Sie hatte noch am Tag zuvor ihre Weckeruhr nach der alten silbernen Taschenuhr des Vaters eingestellt, und deren Vergleichsmaß war seit Jahren die Turmuhr der Kirche im Markt. Doch als mich mein Vater beim Schuleintritt in die Matrik eintragen ließ, die ihre Daten aus dem Gemeindeamt erhielt, schrieb mich die Lehrerin als am 2. Dezember 1910 geboren ein! Der Vater schüttelte dazu den Kopf. „Das muss doch die Kindsmutter am besten wissen!“ Aber die eintragende Lehrerin lächelte nur. „Wir dürfen nur das amtliche Geburtsdatum von der Gemeinde eintragen!“ Und zum Kopfschütteln des Vaters sagte sie: „Eure Bauernuhr ist sicher wie üblich um eine halbe Stunde vorausgegangen, und so war’s bei euch der 3. Dezember um Viertel nach zwölf!“ Und wie es immer geht: Dem Amt wurde Recht gegeben. So blieb ich bis zum heutigen Tag um einen Tag älter, als ich wirklich bin. Was wird man einst im Jenseits dazu sagen, wenn ich dort zur falschen Zeit anrücke? Die Volksschule verließ ich – es ist fast eine Angeberei – mit lauter Einsern im Zeugnis. Allerdings war’s im Schönschreiben ein geschenkter Einser. Danach absolvierte ich auch noch zwei Winterhalbjahre an der Landwirtschaftsschule, denn es stand immer noch das Ziel vor mir, in späteren Jahren auch selber einmal ein Bauer zu werden. Allerdings war dies nicht auf dem elterlichen Gut möglich, denn nach einer alten bäuerlichen Ordnung war es allgemein so üblich, dass der älteste Sohn einmal das Erbe übernehmen sollte. Vielleicht aber traf es sich einmal nach Jahren so, dass anderswo wegen des Fehlens eines Sohnes eine weibliche Hoferbin in der näheren oder ferneren Nachbarschaft einen Besitz übernahm, die dazu auch einen rechtschaffenen Bauern brauchen konnte. Wie hoch allerdings die Chancen für einen solchen Glücksfall waren, das musste wohl erst die Zukunft erweisen. Nun besaß der Vater drei kräftige Söhne auf dem über zweihundert Jahre alten Bauernhof, der noch ganz von Grund auf aus Holz erbaut war, mit einem sehr flachen Dachstuhl, der mit Holzschindeln eingedeckt war. Bei unheilvollen Wettern geschah es, dass die schweren Sommergewitter mit Stürmen die Regenfluten stauten, sodass das Wasser nicht rasch genug ablaufen konnte und auf die Heustöcke oder gar bis in die oberen Kammern tropfte. Ein steilerer Dachstuhl war für unser Haus am notwendigsten. Zum Glück besaßen wir ein paar Joch schlagbaren Waldes, aus dem wir die Trambalken für den Dachstuhl und neue Holzschindeln herausfällen konnten. Damals war es auch noch ein alter Bauernbrauch, dass jeder Nachbar weitum einen gefällten Blochstamm spendete und auch einen Knecht mehrere Tage lang auf Robotarbeit sandte. Wochenlang fällten wir zwei Söhne mit unserem Vater selber im Wald das notwendige Bauholz. Viele eiskalte Winterwochen lang fuhren und streiften wir die Stehsäulen und Dachtrambalken zum Sägewerk und danach das geschnittene Holz auf den Bauplatz. Mein Bruder hatte dabei gut lachen – er war gegen die Kälte so unempfindlich, dass er kaum einmal Handfäustlinge brauchte. Mir aber nützten nicht einmal die Fäustlinge – und oft trieb es mir, ohne dass ich’s verhindern konnte, vor Fingerfrieren das Wasser in die Augen. Doch auch dieser kalte Winter ging vorbei. Einmal lief ich direkt in die Falllinie eines gefällten Blochbaums – doch dieser verfing sich an einem stehenden Stamm. Ich konnte aus dem sausenden Geäst herauskriechen – kaum mit ein paar Kratzern im Gesicht. Der Vater war leichenblass, als er mich lebend wiedersah. Er atmete tief auf, als er mich gesund herauszog. Er machte nicht viel Worte dabei und brummte nur: „Du wirst noch einmal recht alt werden, weil du einen so guten Schutzengel geschenkt gekriegt hast!“ Bei unseren Bauersleuten galt zu meiner Jugendzeit die feste Auffassung, dass jeder Mensch bei der Geburt seinen Schutzengel bekomme, der ihn sein ganzes Leben lang bis zum Tode begleite und schirme. In meiner Jugendzeit – mit 16 oder 17 Jahren – fiel in mein unbelastetes Dahinleben eine neue Unruhe hinein. Als ich mir in den ersten Volksschuljahren auch die Kunst des Lesens errungen hatte, fing für mich eine neue Leidenschaft an. Ich konnte seither kein Buch – war es nur ein Kalender oder ein altes Geschichtenbuch – auch nur sehen, ohne dass dieses mich nicht auch gleich wie magisch anzog. Von einem alten, belesenen „Viertelmann“, einem Auszugbauer, erfuhr ich, dass es im nahen Neumarkt eine Pfarrbibliothek gebe. Schon am nächsten Sonntag stand ich vor dem Pfarrhof unter ein paar anderen „belesenen“ Leuten. Es wurde eine der tiefsten Erschütterungen meiner Jugend, in einem einzigen Raum Hunderte von Büchern zu entdecken, die sich mir darboten, gelesen zu werden. Ich lieh mir aus, was ich tragen konnte. In den kommenden Wochen ging ich nur noch wie ein Träumender meinen Arbeiten nach. Bald hieß ich in der Nachbarschaft nur noch „Der Lesenarr“. Doch nicht alle meine Nachbarn sahen diese meine neue Leidenschaft gern. Eine ältere Nachbarin, die in einer angrenzenden Wiese ihre Kleinhäusler-Kühe hütete, sagte am nächsten Sonntag beim Kirchgang zu meinem Vater: „Sogar beim Hüten tut dein Bub nichts anderes als lesen! Wenn ich da was zu reden hätte, ich würde ihm das Büchel um die Ohren schlagen!“ Damals dachte wohl mancher unserer Nachbarn still bei sich: „Aus dem Auger Franzl wird wohl auch einmal nichts Gescheites werden bei seiner Leserei! Wohl halt ein so traumhappiger Mensch.“ Nichts Rechtes werden! – Das lag damals als Drohung von manchen Seiten der Dörfler über mir. Und diese trübe Zukunfts-Prophetie besaß ja eine gewisse Berechtigung: Ich kannte auch kein größeres Wissen, als es die Volksschule vermittelte. Wohl auch noch einige Fachkurse, die jedoch noch lange nicht für einen echten Beruf ausreichten – etwa als Zimmermann oder Maurer. Und zu meinem Unglück war ich auch nicht als Erbe eines Bauernhofes geboren worden. Vor mir lag damals nur die trübe Zukunft, mein Leben lang ein dienender Knecht bleiben zu müssen. Nur heimlich, ganz für mich allein, hatte ich etwas Neues angefangen: Ich „dichtete“, das heißt, ich schrieb Verse und Geschichten. Und hier stellte sich – für mich selber ganz unerwartet – sogleich ein Erfolg ein: Meine Geschichten, aber auch die Verse wurden in einer Monatsschrift gedruckt! Noch jetzt, nach einem ganzen, langen Menschenleben erinnere ich mich der inneren Erschütterung, als das erste gedruckte Gedicht vor mir lag: Wohin lenkte dieser Anruf aus meinem innersten Daseinsgefühl auf einmal mein Leben? Versank ich damit noch tiefer ins Spinntisieren hinein – oder hatte ein seelischer Funken in mir ein geistiges inneres Licht entzündet, das von jetzt an mein ganzes Leben lang nie mehr erlöschen würde? In den nächsten Tagen meines äußeren Lebens aber änderte sich kaum etwas um mich herum. Der Vater redete am anderen Morgen mit dem Zimmermeister eines nahen Marktes: „Kannst du nicht wieder einmal einen Zimmermann brauchen? Ich schicke dir unseren Franzl gleich jetzt über den Winter in die Lehre! Er ist gesund und stark genug und versteht es auch sicher bald, was er als Zimmermann alles lernen muss!“ Ich stand in dieser Stunde neben dem Vater, aber mich verlockte das Angebot, jetzt ernsthaft in eine Handwerkslehre einzutreten, viel weniger. Ich kannte einige Zimmerleute von unserem neuen Dachstuhlbau als starke, im Reden und Handeln kurz angebundene Kerle. Diese waren von ihrer harten und schweren Arbeit meistens auch im Reden schroff und kantig geworden. Damals hatte ich ja bei unserem Dachstuhlbau mit ihnen wochenlang die härtesten und gröbsten Arbeiten getan. Der Zimmermeister nickte meinem Vater zu: „Wenn dein Bub gern dabei ist, kann er gleich morgen bei mir als Zimmerlehrling anfangen!“ Vor einer Woche gerade war im härtesten Winter ein Bauernhaus abgebrannt, und so schnell wie möglich musste über den brandverrußten Hausmauern ein neuer Dachstuhl aufgestellt werden. So stand ich schon am nächsten Morgen in dicken Handschuhen und frierend auf der Brandstätte. Keiner der...


Franz Braumann, geboren 1910 als zweites Kind der Augerbauersleute Paul und Maria Braumann. Der gelernte Zimmermann beginnt, Gedichte und Erzählungen zu schreiben. Dann folgt der Besuch der Lehrerbildungsanstalt in Salzburg. Neben der Unterrichtstätigkeit in Oberndorf, Straßwalchen, Köstendorf ist er als Schriftsteller tätig. 1958 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Jugendliteratur. Sein Lebenswerk umfasst an die 100 Werke, das mit einer Reihe von "Sagenreisen" abgerundet wird. Der Heimatdichter verstarb 93-jährig infolge eines Unfalles in seinem Obstgarten.



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