Brendel | Wunderglaube und Mißtonleiter | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Brendel Wunderglaube und Mißtonleiter

Aufsätze und Vorträge
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-446-24692-8
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Aufsätze und Vorträge

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-446-24692-8
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alfred Brendel versteht sich außer am Klavier auch sprachlich glänzend auszudrücken. In diesem Buch gibt der Musiker kritische Einblicke in die musikalische Praxis – insbesondere zu Beethovens und Schuberts Streichquartetten – und einen erhellenden Rückblick auf seine Plattenaufnahmen. Und der Leser Brendel interessiert sich für die Literaten des 18. und 19. Jahrhunderts. Lebhafte Beobachtungen eines großen Pianisten zu Musik, Literatur und Film – ergänzt um Gedanken des großen Dichters Jean Paul.
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Meine Schallplattenaufnahmen.
Ein Rückblick
2013   Innerhalb der sechzig Jahre meines Pianistendaseins sehe ich als besondere Anomalie die ungewöhnlich große Zahl meiner Tonaufnahmen. Um zu erklären, wie sie zustande kamen, muß ich etwas weiter ausholen. Wenn man das übliche Bild einer erfolgreichen Karriere vor Augen hat – Wunderkind, frühe Begeisterungsstürme, verblüffende Spielsicherheit – dann war meine Entwicklung untypisch. Ich komme weder aus einem musikalisch aktiven oder auch nur musischen, osteuropäischen oder jüdischen, akademischen oder abenteuerlustigen Haus. Vor meinem fünfzehnten Jahr hatte ich noch kein Sinfoniekonzert, keinen Klavierabend und keine Opernaufführung erlebt. Sporadische Lichtblicke bot manchmal das Radio. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr arbeitete ich, vom Besuch kurzer Meisterkurse abgesehen, allein. In diese Arbeit waren damals auch das Komponieren, Malen und Schreiben mit eingeschlossen. Ludovika von Kaan, die Grazer Klavierpädagogin, entließ mich freundlich, riet mir zu einem ersten Klavierabend und knüpfte den Kontakt zu dem großen Pianisten Edwin Fischer. In den folgenden Jahren gab es drei Sommeraufenthalte in Luzern bei Fischer, einen bei Eduard Steuermann in Salzburg sowie wenige Kurzbesuche bei Paul Baumgartner in Basel. In Wien absolvierte ich die Staatsprüfung für Klavier, um meinen Eltern etwas vorzuweisen. Mein erster öffentlicher Klavierabend als Siebzehnjähriger in Graz mit selbst ausgedachtem, ungewöhnlichem Programm (Die Fuge im Klavierwerk) hatte Erfolg, was meine Mutter, eine geborene Pessimistin, fürs erste besänftigte. Erste Aufnahmen in Wien
In den fünfziger Jahren strömten kleinere amerikanische Schallplattenfirmen nach Wien, weil es sich dort besonders billig aufnehmen ließ. Meine erste Aufnahme fand im Januar 1951 statt. Kurz vor Weihnachten hatte ich ein Telegramm bekommen, das mich einlud, das fünfte Klavierkonzert von Prokofjew aufzunehmen. Ich hatte nie eine Note von Prokofjew gespielt, genauso wenig wie das Wiener Volksopernorchester, mit dem ich das Werk dann in zwei Sitzungen aufnahm. Der Dirigent war jung, freundlich und unerfahren. Kurz danach tauchte ein wesentlich älterer Herr namens Adler aus den Vereinigten Staaten auf, der sich darüber freute, daß er einmal mit einem kleinen Orchester Artur Schnabel als Solisten dirigieren durfte, was ihm in der lokalen Zeitung die Überschrift »Schnabel und Adler« einbrachte. Für seine winzige Firma wählte er aus einer langen Liste von Werken, die ich hingeschrieben hatte, Busonis »Fantasia contrappuntistica«. Busoni hatte mich schon frühzeitig als eine Künstlerfigur gefesselt, die über das Pianistische weit hinausreichte. Mit der Aufnahme von Liszts für seine Enkelin Daniela komponierter später Klaviersuite »Weihnachtsbaum« begann meine Beschäftigung mit dieser damals noch so gut wie unbekannten Musik, deren Noten ich in der Wiener Nationalbibliothek fotokopieren ließ. Die VOX-Periode
Als nächster erschien George H. Mendelssohn, eine an den Filmschauspieler Adolf Wohlbrück erinnernde Gestalt, der mir als Präsident der VOX dann über zehn Jahre lang eine Flut von Dingen zu spielen gab. Unter seiner Ägide verbrachte ich viele Stunden in den Sälen des Wiener Konzerthauses oder Musikvereins, in denen die meisten Aufnahmen stattfanden. Ich erinnere mich zunächst an ein Programm mit russischer Klaviermusik: Strawinskys »Petruschka«, Balakirews »Islamey« und Mussorgskys »Bilder einer Ausstellung«. Während des Studiums der »Petruschka-Suite« ersann ich die Methode, Hansaplast über meine Fingerkuppen zu kleben, um das Splittern der Fingernägel zu verhindern. Dann gab es, abgesehen von mindestens sieben Liszt-Platten, meine ersten Aufnahmen von Mozart-Konzerten und die Gesamtaufnahme von Beethovens Klavierwerken, die sich über fünf Jahre hinzog. (Die Firma VOX hat als erste die Idee realisiert, sogenannte VOX-Boxen von Langspielplatten herauszubringen, die ganze Serien von Werken eines Komponisten enthielten.) Nur weniges von Beethovens Klaviermusik, wie die kindlichen Variationen über einen Marsch von Dreßler, habe ich weggelassen. Zuerst spielte ich alle kleineren Variationenwerke ein, Nebenwerke, die dennoch die Kenntnis Beethovens wesentlich ergänzen. Die Aufnahme der 32 Sonaten wurde zufällig am 5. Januar 1963, also an meinem 32. Geburtstag, abgeschlossen, allerdings nicht mit den späten Sonaten, die ich schon Ende der fünfziger Jahre eingespielt hatte. Daneben entstanden meine ersten Schubert-Aufnahmen: Impromptus, »Moments musicaux«, die drei nachgelassenen Stücke und die Wandererfantasie, ein Werk, das ich ebenso wie Liszts h-Moll-Sonate seit meinen Jünglingstagen im Repertoire hatte. Nicht vergessen sei das Klavierkonzert op. 42 von Arnold Schönberg, ebenfalls noch in den fünfziger Jahren in Baden-Baden aufgezeichnet. Dirigent war der junge Michael Gielen. (Die beiden anderen Aufnahmen dieses Werkes kamen später mit Rafael Kubelik in München und noch einmal mit Gielen in Baden-Baden zustande.) Es ist kaum zu beschreiben, wie schwierig eine Aufführung dieses Werkes anfangs war, und wie einfach, ja fast selbstverständlich sie inzwischen geworden ist. Ein Teil meiner Wiener Aufnahmen wurde von einem Kontrabassisten als Aufnahmeleiter betreut, der hauptsächlich den Baßschlüssel verfolgte. Ferner war da ein einziger Tontechniker, der das Magnetophon bediente, aber keine Noten lesen konnte. Während des »Schneidens« saß ich mit diesem allein im Studio und gab ihm an den Schnittstellen die Einsätze; das Tonband wurde damals tatsächlich mit einer Schere geschnitten. Ich habe bei diesen Aufnahmen viel gelernt, und nicht nur tontechnisch: Es ergab sich ein erster Überblick über das Panorama Beethovenscher Klavierkompositionen, die Leichtes, Verspieltes, Graziöses, Komisches, Witziges ebenso beherbergen wie Drama und Tragödie, Intellektualität und Gefühlsgewalt, Wärme und Schroffheit, die Knappheit der Bagatellen und den Riesenorganismus der »Hammerklaviersonate«. Ans Ende dieser VOX-Turnabout-Periode gehören meine ersten »Diabelli-Variationen«, ein Lieblingswerk, das ich, wie auch einige der Sonaten, zunächst im Studio spielte, bevor ich damit vierzig Jahre lang durch die Konzertsäle zog. Das Vanguard-Intermezzo
Von der VOX wechselte ich für ein kurzes Zwischenspiel zu Vanguard. Es zeitigte unter anderem meine erste Schumann-Aufnahme (Sinfonische Etüden und Fantasie) und Schuberts Sonaten in c-Moll und C-Dur. Als ich in den sechziger Jahren Schuberts c-Moll-Sonate in Wien spielte, hatte der Schubert-Forscher Otto Erich Deutsch, der im Publikum saß, dieses Werk noch nie gehört. Weiters produzierte die Vanguard Mozarts Konzerte KV 271 und 449 mit den Solisti di Zagreb sowie einige der Lisztschen Rhapsodien und Chopin-Polonaisen. Ich hatte mir mehrere Monate freigehalten, um in den virtuosen Geist dieser Werke einzudringen. Wiewohl ich mich nicht für einen geborenen Chopin-Spieler hielt, reizte mich die Beschäftigung mit seinen Polonaisen, die ja, mit Ausnahme der selbst von Greisen heruntergedonnerten in As-Dur, die Konzertprogramme seltener erreichen. Die Ära Philips-Decca
Nach einem Beethoven-Abend in London gegen Ende der sechziger Jahre nahmen dann plötzlich große Schallplattenfirmen von mir Notiz. So begann meine Verbindung mit Philips (später Decca), einer Firma, die mich für den Rest meiner Pianistenzeit unter ihre freundlichen Fittiche nahm. Zwischen 1970 und 2005 entstanden nicht nur zahlreiche Studioaufnahmen – es gab auch Gelegenheit, Live-Mitschnitte zu veröffentlichen, von denen mir manche besonders lieb geblieben sind. Zu den Einspielungen der Ära Philips gehörten, um nur einige zu nennen, meine zweite und dritte Serie aller Beethoven-Sonaten sowie drei Zyklen seiner Klavierkonzerte. An zwei Gesamtaufnahmen der späteren Klavierwerke Schuberts (1822–28) schlossen sich noch Live-Aufnahmen von fünf der Sonaten an. Auf sämtliche Klavierkonzerte von Mozart mit der Academy of St. Martin-in-the-Fields und Sir Neville Marriner folgten noch sechs Mozart-Konzerte mit dem Scottish Chamber Orchestra und Sir Charles Mackerras, dazu die meisten Mozart-Sonaten und Klavierstücke, ferner eine Auswahl aus Liszts Spätwerk und die zweite und dritte meiner Aufnahmen seiner h-Moll-Sonate, zwei Versionen beider Brahms-Konzerte (die spätere mit Abbado und den Berliner Philharmonikern), zu denen sich eine dritte (Live-)Aufnahme des d-Moll-Konzerts mit Sir Colin Davis gesellte, sowie einige der Klavierwerke Schumanns. Nicht zuletzt nenne ich ein Dutzend von Haydns kostbaren Sonaten. Unter den Kammermusikaufnahmen erwähne ich eine schöne Schumann-Platte mit Heinz Holliger, dazu jene der Klavier-Cello-Werke Beethovens mit meinem Sohn Adrian. Eine Mozart-CD mit dem Alban-Berg-Quartett ist bei EMI erschienen. Schließlich gab es mit Dietrich Fischer-Dieskau, aber auch mit Matthias Goerne, Schuberts »Winterreise« und die Lieder des »Schwanengesangs«. Eine zusätzliche »Winterreise« mit Fischer-Dieskau für das Fernsehprogramm des Senders Freies Berlin (1979) ist als Konzertaufführung in einem Zug durchgespielt. Der große Sänger war hier, im Vergleich zur Philips-Aufnahme, besser bei Stimme. Voraussetzungen des Erfolgs
Worauf gründet sich der anhaltende Erfolg einer Solistenkarriere? Hervorzuheben wäre, neben dem Können und einer guten Konstitution, die Wertschätzung wichtiger Orchester und Dirigenten und das Gewicht von Schallplattenverträgen. Hinzu tritt die hingebungsvolle Arbeit freundlicher Agenten und, als ein weiterer...


Brendel, Alfred
Alfred Brendel, 1931 in Wiesenberg/Nordmähren geboren, weltweit geschätzter Pianist, gilt als einer der bedeutendsten Interpreten klassisch-romantischer Musik des 20. Jahrhunderts. Als Schriftsteller ist er mit Essays und Gedichten hervorgetreten. Er ist u.a. Ehrendoktor der Universitäten von London, Oxford und Yale und lebt in London.

Alfred Brendel 1931 in Wiesenberg /Nordmahren geboren, lebt in London. Als Schriftsteller ist der weltberühmte Pianist Alfred Brendel mit Essays und Gedichten hervorgetreten.



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