E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Brown / Aiyub / Alberdi documenta fifteen lumbung erzählen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7757-5361-6
Verlag: Hatje Cantz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-7757-5361-6
Verlag: Hatje Cantz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ob „tequio“ in Mexiko, „ubuntu“ in Südafrika oder „mutirão“ in Brasilien; es gibt weltweit viele Bezeichnungen für das Gemeinwohl: Im Rahmen der documenta fifteen und ihrer Kernidee der Kollektivität steuern sieben Romanautor*innen – Azhari Aiyub, Cristina Judar, Nesrine Khoury, Mithu Sanyal, Panashe Chigumadzi, Uxue Alberdi und Yásnaya Elena Aguilar Gil – aus verschiedenen Teilen der Welt neue Erzählungen über kollektives Arbeiten und Gemeinschaftsformen bei. Auch haben sich sieben internationale Verlage zusammengeschlossen, um diese globale Perspektive auf das Ausstellungsthema in verschiedenen Sprachausgaben zu ermöglichen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Cover
Titel
Inhalt
Prolog. Wir Sind-in-Gemeinschaft — harriet c. brown
HEILSALBE — Azhari Aiyub
Im Schatten des Ikarus — Uxue Alberdi
Der Zusatzspeicher — Cristina Judar
Halb vertrocknet, halb grün — Nesrine Khoury
Das Igra-Volk des Nordens. Antikapitalistischer Widerstand in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts — Yásnaya Elena Aguilar Gil
Ukuza kukaNxele. Oder, Zeit vergeht — Panashe Chigumadzi
Epilog. WTF are Commons? — Mithu Sanyal
Über die Autor*innen
Über die Verlage
Impressum
HEILSALBE
Azhari Aiyub (1) Die folgende Geschichte trug sich in den Jahren der Militäroperationen in Aceh zu. Es war die Zeit, als die Spezialeinheit des indonesischen Heeres „Kopassus“ bei ihrem Vernichtungszug gegen die Separatisten der Bewegung Freies Aceh1 mehrere Dutzend Geheimgefängnisse kontrollierte.2 Die beiden größten dieser Art waren Rancong und Rumoh Geudong. Nur wenigen Inhaftierten gelang es, lebend aus den Gefängnissen zu entkommen. Einer von ihnen war Syahdi, der, als er die Geschichte erzählte, 59 Jahre alt war. Er wurde zwischen Juli und August 1993 in Lhokseumawe in einem Gebäude der Mobil Oil3 gefangen gehalten. Um dieses Gefängnis von einem weiteren im selben Gebäudekomplex zu unterscheiden, nannten die Kopassus-Soldaten es „Fledermauswache“. Außer Syahdi befand sich in der Fledermauswache ein weiterer Häftling. Es war eine Tigerin mit dem Namen Baiduri, sie war nicht weniger als fünfzehn Jahre alt, und sie lag im Sterben. Man nahm an, dass Baiduri die Tigerin des Pawang Leman war, einem Dor?eiler mit der Fähigkeit, mit Tieren zu kommunizieren und Wunden mit den Mitteln der Natur zu behandeln. Das Heilmittel aus Lemans Herstellung war eine kupferfarbene Salbe mit eigentümlich ranzigem Geruch, deren Anwendung er anfangs ausschließlich auf die Behandlung verletzter Wildtiere beschränkt hatte. Später fanden Kopassus-Soldaten eine solche Salbe in den Taschen der gefangengenommenen Separatisten, laut deren Aussagen sie vermochte, eitrige Schusswunden innerhalb nur weniger Tage zu schließen. Auf der Grundlage dieser Informationen hatte die Spezialeinheit den Namen Leman bereits vor geraumer Zeit auf die Liste der meistgesuchten Flüchtigen gesetzt. Den Soldaten war es bislang nicht gelungen, Leman festzusetzen, nicht, weil er ein besonders gerissener Gegner gewesen wäre, sondern weil er anders als die meisten anderen Freiheitskämpfer keine wunden Punkte hatte. Die Separatisten mochten grausam sein, gingen in der Regel aber in die Knie, sobald sie erfuhren, dass ihre Kinder, Ehefrauen oder Eltern als...