E-Book, Deutsch, Band Band 003, 237 Seiten
Busse / Ehmer Wissen wir, was wir tun?
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-647-40234-5
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Beraterisches Handeln in Supervision und Coaching
E-Book, Deutsch, Band Band 003, 237 Seiten
Reihe: Interdisziplinäre Beratungsforschung
ISBN: 978-3-647-40234-5
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
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Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Cover;1
2;Title Page;4
3;Copyright;5
4;Table of Contens;6
5;Body;8
6;Back Cover
;242
7;Stefan Busse und Susanne Ehmer Vorwort;8
8;Wolfram Fischer Die Praxis des Wissens der Praxis;15
9;Fritz Böhle Erfahrungswissen und subjektivierendes Handeln – verborgene Seiten professionellen Handelns;37
10;Stefan Busse Zur Pragmatik beraterischen Handelns in Supervision und Coaching;56
11;Thomas Binder Wie gut verstehen Berater ihre Kunden? Ich-Entwicklung – ein vergessener Faktor in der Beratung;105
12;Manfred Moldaschl Reflexivität + Depistemologie = Supervision?;134
13;Sascha Liebermann und Thomas Loer Autonomie in der Beratung – fördern, hemmen oder erodieren? Überlegungen zum besonderen Charakter des Arbeitsbündnisses in der Beratung von Organisationen;167
14; Dirk Bayas-Linke Videointeraktionsanalyse als Methode für supervisorische Beratungsprozesse und supervisorische Selbstreflexivität? ;193
15;Heidi Möller Supervision und Supervisionsforschung als Selbstkonfrontationsprozess;219
16;Die Autorinnen und Autoren ;237
Autonomie in der Beratung – fördern, hemmen oder erodieren? (S. 166-167)
Sascha Liebermann und Thomas Loer
Überlegungen zum besonderen Charakter des Arbeitsbündnisses in der Beratung von Organisationen Berater gibt es wie Sand am Meer, die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, so dass es ein Leichtes ist, sich als Berater selbständig zu machen. Dies könnte dazu verleiten, die Frage nach einem sachlichen Kern von Beratung gar nicht mehr zu stellen, da ohnehin alles als Beratung bezeichnet werden kann. Beratung, und damit das in diesem Beitrag zu explizierende Arbeitsbündnis, wird schnell zur bloßen Kunden-Lieferanten-Beziehung (Springer, 2009, S. 22) deklariert ; es wird nicht mehr zwischen Klienten, Patienten und Kunden differenziert (Galdynski, 2009), womit der Gegenstand verloren zu gehen droht; aber auch in Berufsfeldern wie der Sozialen Arbeit, die es mit Krisen der Person genuin zu tun hat, ist schon lange an die Stelle des Klienten der Kunde, Nutzer oder Adressat getreten (Liebermann, 2008, S. 53 ff.; Becker-Lenz u. Müller, 2008).
Angesichts dessen scheint es beinahe aussichtslos, einen sachhaltigen Kern von Beratung noch analytisch präzise bestimmen zu können, zumal auch in den klassischen Professionen wie ärztlichem und rechtspflegerischem Handeln das Werbeverbot, und damit ein wichtiges Prinzip zum Schutz der Dienstleistung, aufgeweicht ist.Wo es nun tatsächlich nur um Akquise und Verkauf oder Anwendung standardisierter Problemlösungen auf standardisierbare Handlungsprobleme geht, wie zum Beispiel in der Beschaffung von Unterhaltung im häuslichen Wohnzimmer durch ein Fernsehgerät, im Zugang zu Information durch das Internet oder in der Fertigung eines Kraftfahrzeugs zur Dislozierung von A nach B, ist es angemessen vom Kunden zu sprechen.
Bei der Auswahl aus feststehenden oder feststehend kombinierbaren standardisierten Applikationen ist allenfalls Expertenwissen gefragt. Nicht also der einfache Umstand, dass für einen in Anspruch genommenen Dienst auch bezahlt werden muss, zeichnet die hier dargelegte Problematik aus, auch ärztliche Leistungen sind ja nicht kostenlos. Mit Verkauf ist die offensive Bewerbung und Vermarktung eines Produktes gemeint, das dem möglichen Kunden feilgeboten wird. Beratung hingegen in einem analytisch prägnanten Verständnis, wie es in der Professions- und Professionalisierungstheorie entwickelt wurde (z. B. Parsons, 1939/1949; Oevermann, 1996), steht im Dienste der Restituierung der Autonomie eines Subjekts – sei es eines personalisierten oder eines kollektiven wie der Rechtsgemeinschaft im Nationalstaat.
Die Deklarierung des Klienten zum Kunden kommt einer Dementierung der Krise der Praxis, die gerade der Krise wegen um Rat sucht, gleich. Die Aufhebung dieses kategorialen Unterschieds zwischen Bereitstellen von Expertenwissen, das als Produkt erworben werden kann, sowie standardisierten Dienstleistungen einerseits und Beratung andererseits ist seit Jahren in vielen Bereichen zu erkennen: In der Verwaltung der Erwerbslosigkeit durch die Agenturen für Arbeit, in Bürgerämtern, für die Bürger ebenfalls Kunden sind, aber auch dort, wo unverrückbar vom Subjekt selbst der Erfolg eines Bildungsprozesses abhängt, wie im Universitätsstudium.