Chatwin / Shakespeare | Der Nomade | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 640 Seiten

Chatwin / Shakespeare Der Nomade

Briefe 1948-1988
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-446-24875-5
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Briefe 1948-1988

E-Book, Deutsch, 640 Seiten

ISBN: 978-3-446-24875-5
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Er schrieb, wie er lebte: ohne Ruhe, ohne Rast. Bruce Chatwin war ein literarischer Nomade, seine Bücher wie "In Patagonien" oder "Traumpfade" machten ihn weltberühmt. Hinter dem Autor, der auf Reisen stets Notizen in seine Moleskine-Hefte schrieb, verbirgt sich ein widersprüchlicher Mensch. Chatwins Briefe an Verwandte und Freunde wie Susan Sontag oder Salman Rushdie reichen von der Internatszeit bis zur Arbeit bei Sotheby’s, von den journalistischen Anfängen bis zum literarischen Durchbruch und der Erkrankung an Aids. Der von seiner Ehefrau herausgegebene Briefband ist die einzigartige Möglichkeit einer Annäherung an diesen ungewöhnlichen und zu Lebzeiten stets mythenumwobenen Schriftsteller.

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VORWORT
    Ich lernte Bruce gegen Ende des Jahres 1961 bei Sotheby’s kennen, wo ich für einige Jahre arbeiten sollte. Ich war die erste Amerikanerin, die das Auktionshaus in London einstellte, und natürlich war ich ein Kuriosum. Wenig später schickte man Bruce zum ersten Mal nach New York, wo er sich Gemäldesammlungen für mögliche Versteigerungen ansehen sollte. Er war von allem entzückt, besonders vom Glanz des alten, wohlhabenden WASP-Milieus, das viel Wirbel um ihn machte. Nach dieser Reise – von der er zurückkam angetan mit einer weiten karierten Wolljacke und passendem Hut, wie sie Bauern bei der Arbeit tragen – wurde ich interessanter. Im Lauf der folgenden paar Jahre verbrachten wir Wochenenden in den Black Mountains, gingen in den Malvern Hills mit seinem Vater wandern, und in einem Sommer hätten wir uns beinahe in Libyen getroffen. Wir heirateten 1965. Seine Briefe und Postkarten aus jener Zeit sind verlorengegangen. Es gelang mir, die meisten der späteren aufzubewahren. Ich freue mich sehr, dass nun eine Sammlung seiner Korrespondenz veröffentlicht wird. Briefe sind die anschaulichste Art des Schreibens. Bruce’ Mutter hat seine wöchentlichen Briefchen aus der Prep School aufgehoben, und schon darin zeigen sich eine Menge unterschiedlicher Interessen und Leidenschaften. Es ist faszinierend, zu sehen, wie sich dieses Kind zu einem Kunsthistoriker bei Sotheby’s entwickelt. Er war immer gut im Geschichtenerzählen, was schließlich sein Beruf wurde. Bruce war bei Sotheby’s Experte für impressionistische und moderne Kunst (mit Ausnahme der britischen) und für die Antikenabteilungen. Letztere umfassten Artefakte aus Indien, dem alten Vorderen Orient, aus Europa und dem präkolumbianschen Amerika, aus dem Pazifik und aus Afrika – der ganzen Welt also – und erforderten endlose Recherchen im British Museum und im Pariser Musée de l’Homme. Immer mehr irritierten ihn archäologische Objekte, die zur Auktion eingeliefert wurden und von denen einige aus ungenannten Ausgrabungsorten gestohlen worden waren, und Fälschungen. Er fing an zu bedauern, dass man ihn bei Sotheby’s überredet hatte, nicht nach Oxford zu gehen, als ein Studienplatz frei wurde. Man redete ihm ein, er komme auch ohne akademischen Grad sehr gut zurecht. 1966 sah er sich an Universitäten um, mit der Absicht, Archäologie zu studieren … Nur Edinburgh und Cambridge boten Graduiertenkurse für Erstsemester an, und so ging er nach Edinburgh. Es würde einen dramatischen Einkommensverlust bedeuten, aber wir dachten, wir würden es schon schaffen. Edinburgh war damals sehr unwirtlich im Winter. In der Royal Mile, wo wir in einem neugebauten Wohnblock ein Apartment gemietet hatten, gab es dreiundzwanzig Pubs, und in keinem gab es einen Stuhl, auf den man sich hätte setzen können. Um Blattgemüse und Salat zu bekommen, musste ich in die New Town gehen (über die Brücke in den Stadtteil aus dem 18. Jahrhundert), wo es einen richtigen Gemüsehändler gab. Im riesigen North British Hotel wusste man nicht, was Salat war. Am besten waren der Fisch und die Austernbar im Freien. Man trank seinen Weißwein und bekam dunkles Brot mit Butter zu den Austern. Es war eiskalt, machte aber Spaß. Bruce arbeitete wie besessen und bis tief in die Nacht. Er bewies großen Eifer und war mit sechsundzwanzig ein erwachsener Student, der es nicht leicht hatte neben Teenagern, die direkt von der Schule kamen. Er studierte Sanskrit und Archäologie und wurde Bester des Kurses, was ihn sehr freute. Dann, nach zweieinhalb Jahren eines vierjährigen Studiengangs, gab er auf. Er sagte mir nicht einmal, dass er aufhören wollte. Er war enttäuscht, nachdem er im Sommer mehrfach an Ausgrabungen teilgenommen und erkannt hatte, dass er keinen Gefallen daran fand, die Toten zu stören. In dieser Zeit hatte er angefangen, sich für Nomaden zu interessieren, und er begann, über sie zu schreiben. Das Honorar für die Begutachtung einer Sammlung in Ägypten verschaffte ihm genügend Geld, um ein wenig zu reisen. 1969 fuhren er und Peter Levi mit einem Stipendium, das Peter in Oxford bekommen hatte, nach Afghanistan. Es war Bruce’ dritte Reise dorthin. Ich fuhr ihnen zwei Monate später nach und war von dem Land aufs höchste begeistert. Neun Jahre später haben die Russen die alte Ordnung für immer zerstört. Bruce arbeitete mehrere Jahre lang an dem Buch über die Nomaden, aber es war nicht zu veröffentlichen – bis heute nicht. Dann ließ er sich dazu überreden, für das Magazin der Sunday Times zu arbeiten, damals ein ausgezeichnetes Blatt. Dort gewann er viele Freunde fürs Leben. Zunächst begann Bruce als Kunstexperte, er war der Nachfolger von David Sylvester. Am Ende schrieb er Artikel über Algerien, Mrs. Gandhi, André Malraux ebenso wie über Kunst. Er traf Eileen Gray, eine irische Möbeldesignerin und Innenarchitektin, die bedeutenden Einfluss durch die Verwendung neuer Materialien wie Plexiglas in Verbindung mit herkömmlichem Material hatte. Sie lebte seit 1904 in Paris. Gray ermutigte Bruce, an ihrer statt nach Patagonien zu gehen, da sie schon immer dorthin hatte reisen wollen, nun aber zu alt war. So tat er abermals einen dramatischen Schritt in seinem Leben, ohne irgendjemandem etwas zu sagen, bis er praktisch schon unterwegs war. Er schrieb an die Sunday Times einen Brief auf einem Stück gelben Schreibpapier, das verlorenging oder gestohlen wurde. Auf dem Weg nach Süden rief er mich gewöhnlich aus irgendeiner kleinen Bar an der Straße an. Er war voll des Lobs für argentinischen Moët-&-Chandon-Schampus. Champagner an einem unwahrscheinlichen Ort zu finden, gab ihm großen Auftrieb. So etwas gefiel ihm. Fast immer reiste er allein. Zwei Menschen zusammen wirken abweisend, aber eine Einzelperson ist zugänglich. Er hätte In Patagonien niemals mit mir im Schlepptau schreiben können, auch nicht den Vizekönig von Ouidah oder die meisten seiner anderen Bücher. Die Menschen, denen er unterwegs begegnete, veränderte er ein wenig – die Brüder in Auf dem Schwarzen Berg waren keine Zwillinge; eine Krankenschwester in seinem Erstling In Patagonien war eine Verehrerin von Agatha Christie, nicht von Ossip Mandelstam. Es verärgerte die solcherart veränderten Leute, wie Nicholas Shakespeare und ich feststellten, als wir 1992 Bruce’ Spuren in Patagonien folgten – alles war Teil seiner Erzählweise. In Traumpfade tauchen vollkommen erfundene Figuren auf. Man hat mich oft gefragt, wie ich seine endlosen Abwesenheiten von zu Hause empfand. Manchmal war es irritierend, dass ich mit allem allein zurechtkommen musste, doch ich wusste, dass er arbeitete; er musste frei sein. Ganz zu Beginn unserer Ehe sagte er, er hoffe, es mache mir nichts aus, aber er müsse allein losziehen – Der Kater, der allein umherzieht, ein hübsches Bild von Kipling, steht auf meinem Küchenschrank. Bruce hielt immer brieflich oder telefonisch Verbindung, noch von den entferntesten Winkeln der Erde aus, und ich war schlicht nicht neugierig auf das, was er machte. Er unterhielt mich mit Geschichten, wenn er zurück war. In den frühen 1970er Jahren bekam ich meine ersten schwarzen walisischen Bergschafe, und seitdem orientierte sich mein Tagesablauf nach den Schafen. Ich habe immer noch ihre Nachkommen und freue mich noch genauso an ihnen. Bei allem, was Bruce unternahm, zog er die unterschiedlichsten Menschen an. Er besaß ein Talent, Freunde zu gewinnen, wo immer er war: in Bussen, Zügen oder auf Schiffen. Irgendwie entdeckte er innerhalb von Minuten das, was Fremde besonders interessierte, und sie plauderten drauflos wie alte Freunde. Das hat mich immer erstaunt. Sie dachten, sie seien Freunde fürs Leben geworden. Der Austausch von Adressen bedeutete, dass Bruce Briefe aus allen möglichen unwahrscheinlichen Orten bekam. Ein Nigerianer schickte eine endlos lange Liste von Sachen wie Socken und Hemden und Hosen und Baumwollfaden für den Laden, den er aufmachen wollte. Weitere Listen folgten. Ich fürchte, wir haben sie ignoriert. Nachdem Bruce angefangen hatte, Bücher zu schreiben, wurde er süchtig danach und dachte schon morgens beim Aufwachen an die Arbeit. Wenn wir zusammen auf dem Kontinent reisten, konnte er sehr unruhig werden, wenn er mehrere Tage lang nicht zum Schreiben kam. Er pflegte das Zimmer, in dem wir logierten, so umzuräumen, dass er dort arbeiten konnte. Ich wurde fortgeschickt, um allein Besichtigungstouren zu machen. Es ist wunderbar, dass so viele Menschen seine Briefe aufbewahrt haben, noch bevor er ein bekannter Schriftsteller wurde. Er hat nie etwas aufgehoben, nicht einmal die Erstausgaben seiner Bücher. Ich habe keine Ahnung, was er von Computern gehalten hätte und ihrer Verwendung beim Bücherschreiben. Vielleicht hätte es ihm das allergrößte Vergnügen bereitet, sich mit irgendeiner Person irgendwo auf der Welt zu unterhalten, aber vielleicht hätte er es auch gehasst. Als wir 1983 im Everest National Park unterwegs waren, stieß ein einsamer Amerikaner zu uns und wollte sich unserem Camp anschließen (schließlich wurde er unter einem Vorwand abgewiesen). Er sagte, in wenigen Jahren werde Bruce einen Computer zum Schreiben verwenden. Wir gaben ihm eine spöttische Antwort, und tatsächlich hat Bruce, soweit ich weiß, nie einen Computer auch nur angeschaut. Aber er stellte fest, dass die meisten Bücher, seit es Computer gab, viel dicker geworden waren. Er hatte nichts daran auszusetzen, aber sie waren zu lang, weil das Korrigieren und Bearbeiten mit dem Gerät so leicht war. Er schrieb gewöhnlich von Hand auf gelbem (amerikanischem) Behördenpapier, korrigierte dann das Geschriebene, strich Dinge und legte...


Leube, Anna
Anna Leube übersetzte u.a. Michael Ondaatje, Flannery O’Connor, Jean Rhys, Shirley Jackson, Claudio Magris, Umberto Saba, Alberto Savinio, Italo Svevo und Giovanni Verga.

Chatwin, Bruce
Bruce Chatwin, 1940 in Sheffield geboren, arbeitete zunächst als Kunstsachverständiger bei Sotheby's, später als Journalist und freier Schriftsteller. Er starb 1989 in Nizza. Auf Deutsch erschienen u.a. Utz (Roman, 1989), Traumpfade (Roman, 1990), Was mache ich hier (Reiseberichte, 1991), Wiedersehen mit Patagonien (zusammen mit Paul Theroux, 1992), Auf Reisen (Photographien und Notizen, 1993), Der Traum des Ruhelosen (1996), Verschlungene Pfade (1999), Auf dem schwarzen Berg (Roman 2002) sowie Der Vizekönig von Ouidah (Roman, 2003).

Bruce Chatwin, 1940 in Sheffield geboren, arbeitete zunächst als Kunstsachverständiger bei Sotheby's, später als Journalist und freier Schriftsteller. Er starb 1989 in Nizza. Auf Deutsch erschienen u.a. Utz (Roman, 1989), Traumpfade (Roman, 1990), Was mache ich hier (Reiseberichte, 1991), Wiedersehen mit Patagonien (zusammen mit Paul Theroux, 1992), Auf Reisen (Photographien und Notizen, 1993), Der Traum des Ruhelosen (1996), Verschlungene Pfade (1999), Auf dem schwarzen Berg (Roman 2002) sowie Der Vizekönig von Ouidah (Roman, 2003).



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