E-Book, Deutsch, 512 Seiten
Claussen / Seifritz Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-456-76069-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Band 2: Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen
E-Book, Deutsch, 512 Seiten
ISBN: 978-3-456-76069-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Wirksamkeit von Sport und Bewegung ist in der Behandlung von Depressionen, Angsterkrankungen und weiteren psychischen Erkrankungen nachgewiesen. Dementsprechend sind in vielen psychiatrischen Kliniken mittlerweile sport- und bewegungstherapeutische Angebote integrale Bestandteile der Behandlung.
Dieses Lehrbuch vermittelt gut strukturiert die Grundlagen von körperlicher Aktivität für die psychiatrisch-psychotherapeutische Patient:innenversorgung sowie die Empfehlungen zu Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen, d.h.:
umfassendes Basiswissen (biologische, psychische und soziale Wirkmechanismen) inklusive sportmedizinischer Aspektedie Kombination von körperlicher Aktivität mit den etablierten Behandlungsverfahren in der Psychiatrie und PsychotherapieSport und Bewegung bei den wichtigsten psychiatrischen Erkrankungen und über die LebensspanneExkurs zu sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport.
In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung wird körperliche Aktivität bei psychischen Erkrankungen weiter an Bedeutung gewinnen. Dieses Lehrbuch nimmt das gesamte Wissen hierzu auf. Es ist in sich geschlossen, kann aber auch optimal in Ergänzung zu dem bestehenden Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie mit dem Inhalt „Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport" genutzt werden. Beide Lehrbücher bilden zusammen das gesamte Spektrum der Sportpsychiatrie und -psychotherapie ab.
Zielgruppe
Sportpsychiater_innen und -psychotherapeut:innen, Sportmediziner:innen, klinische Psycholog_innen und Psychotherapeut_innen, Sportpsycholog_innen, Mental Trainer_innen, Physiotherapeut_innen, Sportwissenschaftler_innen, Trainer_innen und Betreuer_innen und weitere Fachdisziplinen im Leistungssport
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
|23|1 Sportpsychiatrie und -psychotherapie
Malte Christian Claussen Die Sportpsychiatrie und -psychotherapie hat sich aus der Psychiatrie und Psychotherapie heraus entwickelt und sich in den letzten Jahren mehr und mehr als psychiatrisch-psychotherapeutisches Teilgebiet etablieren können. Auch darüber hinaus und innerhalb der Sportmedizin, die als ein Querschnittsfach das sportmedizinische Wissen zahlreicher medizinischer Fachrichtungen und Disziplinen bündelt, ist eine zusätzliche Verortung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie denkbar. Eine systematische und gezielte Integration der Sportpsychiatrie und -psychotherapie innerhalb der Sportmedizin ist bisher aber nicht erfolgt. Zudem weisen die wenigsten Psychiater und Psychotherapeuten respektive Sportpsychiater und -psychotherapeuten eine sportmedizinische Weiterbildung auf, sodass die Diskussion der Sportpsychiatrie und -psychotherapie innerhalb der Sportmedizin mit gebotener Vorsicht erfolgen muss. Im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie als medizinische und psychiatrisch-psychotherapeutische Fachdisziplin ist diese Diskussion wichtig und soll an dieser Stelle aufgenommen und weiter angestoßen werden. Die Einordnung der Sportmedizin in Fort- und Weiterbildung durch die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention – Deutscher Sportärztebund ist in Box 1-1 wiedergegeben [1]. Dieses Verständnis zeigt in weiten Teilen eine Überschneidung mit den Tätigkeitsfeldern der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. In dieser Hinsicht erscheint es logisch und sinnvoll, dass sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie, ohne ihre Identität als psychiatrisch-psychotherapeutisches Fachgebiet aufzugeben, in Zukunft auch und mehr (noch) in die Sportmedizin einbringen sollte und natürlich wünschenswert auch umgekehrt die Sportmedizin in die Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Box 1-1: Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention – Deutscher Sportärztebund: Einordnung der Sportmedizin in Fort- und Weiterbildung [1] Sportmedizin ist der Teil der theoretischen und praktischen Medizin, der den Einfluss von Bewegung, Training und Sport sowie des Bewegungsmangels auf den gesunden und kranken Menschen jeder Altersstufe mit dem Ziel untersucht, die gewonnenen Erkenntnisse sowohl in der Diagnostik und Therapie als auch in der Prävention und Rehabilitation sowie zum Wohle des Sports einzusetzen. Sportler aller Leistungsklassen, vom Freizeitsportler bis zum Hochleistungssportler, stehen traditionell im Fokus der Sportmedizin, doch erlangt in unserer von Bewegungsmangel geprägten Gesellschaft die gesundheitlich relevante „Erhaltungsdosis an Bewegung“ unter präventiven Gesichtspunkten zunehmend Bedeutung. Die Sportmedizin beschäftigt sich ebenso mit den therapeutischen und rehabilitativen Möglichkeiten von Sport sowie der Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von Sportverletzungen und Sportschäden. Dabei bündelt die Sportmedizin das sportmedizinische Wissen zahlreicher medizinischer Fachrichtungen und Disziplinen im Sinne eines Querschnittsfachs. |24|Sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Sektionen, Arbeitsgruppen und Referate innerhalb der Gesellschaften der Sportmedizin und die systematische Einbringung sportpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Inhalte in die Weiterbildungsprogramme der Sportmedizin stünden am Ende einer solchen Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie in der Sportmedizin. 1.1 Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie
Im Gegensatz zur Psychiatrie und Psychotherapie sowie zur Sportmedizin ist die Sportpsychiatrie und -psychotherapie eine noch sehr junge medizinische und psychiatrische Fachrichtung und Disziplin. Regelmäßige und systematische Veröffentlichungen von Psychiatern und Psychotherapeuten in den Tätigkeitsfeldern der Sportpsychiatrie und -psychotherapie sind erst in den letzten Jahren erfolgt. Hiervor sowie vor der Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie beschäftigten sich jedoch bereits verschiedene Fachleute, Sportärzte, Neurologen, aber auch Psychiater und Psychotherapeuten sowie andere medizinische und nichtmedizinische Fachleute wie Psychologen, psychologische Psychotherapeuten, Sportpsychologen und Sportwissenschaftler mit psychischer Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport, Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen sowie sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport und veröffentlichten hierzu Untersuchungen und Studien. Eine systematische Einordnung dieser Themen in der Psychiatrie und Psychotherapie oder der Sportmedizin respektive der Sportpsychiatrie und -psychotherapie erfolgte aber (lange) nicht. Heute kann die Sportpsychiatrie und -psychotherapie zudem in Hinblick auf die Wirksamkeit von Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen eine bereits bemerkenswerte wissenschaftliche Basis aufweisen, deren empirische Grundlagen – wie die auch in den zwei anderen Tätigkeitsfeldern, psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport sowie sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport – in den nächsten Jahren weiter zunehmen werden. Diese Basis ermöglicht es erstmals, in diesem Umfang die Sportpsychiatrie und -psychotherapie in einem Lehrbuch abzubilden: Mit dem ersten Band im „Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport“ (LBSP1), der im Juli 2022 erschien, und mit dem vorliegenden Werk. Ihren Ursprung in der medizinischen Literatur hat die Sportpsychiatrie und -psychotherapie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre. Massimino [2], Glick und Marcotte [3] sowie Begel [4, 5] sind hier besonders zu nennen. Die Autoren beschrieben zunächst verschiedene Perspektiven und Tätigkeitsfelder der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Erstmals Eingang in die Literatur fand die „Sportpsychiatrie“ aber bereits 1967 durch Beisser [6]. Tatsächlich muss man aber – wie bereits angesprochen – deutlich weiter zurückgehen, denn die ersten Auseinandersetzungen mit und die Beobachtung von eigentlich sportpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Themen in der Medizin liegen weit vor dem skizzierten Ursprung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Der von Martland 1928 beschriebene Punch Drunk und die in der Folge weiter von Jokl und Guttmann 1932 beschriebenen neuropsychiatrischen Symptome eines Boxers zeigen psychiatrisch-neurologische Beispiele aus der sportärztlichen Praxis und sind im Grunde auch Themen der Sportpsychiatrie und -psychotherapie [7, 8] (s. Kap. 13 LBSP1). Ebenso verhält es sich mit dem Eröffnungsvortrag des 1. Deutschen Sportärztekongresses in Oberhof im Jahr 1912 über „Sportübertreibungen“ von Geheimrat Prof. Dr. med. Friedrich Kraus (1858–1936), Leiter der II. Medizinischen Klinik der Berliner Charité von 1905 bis 1927 [9], der an suchthaftes Sport- und Bewegungsverhalten denken lässt (s. Kap. 39). |25|In den USA und international – außerhalb des deutschen Sprachraums – entwickelte sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie in den letzten 30 Jahren einerseits als Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie und andererseits psychische Gesundheit und Erkrankungen insbesondere im Leistungssport als Tätigkeitsfeld von Sportpsychiatern und -psychotherapeuten [5, 10]. Die Verschreibung von Bewegung bei psychischen Gesundheitsproblemen als Aufgabe der Sportpsychiatrie wurde Ende der 1980er Jahre zunächst von Massimino diskutiert [2]. Die Anwendung des psychischen Wissens in der Welt des Sports dagegen wurde von Begel als Aufgabe der Sportpsychiatrie hervorgehoben [4]. Die Meinung von Begel sowie die allgemein vorherrschende Meinung zu Beginn der Entwicklung, dass der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im...