Coenen-Marx | Die Seele des Sozialen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 211 Seiten

Coenen-Marx Die Seele des Sozialen

Diakonische Energien für den sozialen Zusammenhalt
2. veränderte Neuauflage 2014
ISBN: 978-3-7887-2771-0
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Diakonische Energien für den sozialen Zusammenhalt

E-Book, Deutsch, 211 Seiten

ISBN: 978-3-7887-2771-0
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Das Buch gibt einen kenntnisreichen Überblick über verschiedene Problemlagen der Diakonie. Dabei wird die Entwicklung der diakonischen Arbeit von der auf Aufopferung setzenden Dienstgemeinschaft der Gründungszeit zu einem auch nach unternehmerischen Kriterien geführten Dienstleister mit selbstbewussten MitarbeiterInnen aus verschiedenen sozialen Kontexten dokumentiert und illustriert. Dunkle Seiten der Diakoniegeschichte und ihre Konsequenzen werden ebenso erwogen wie die allgemeine Entwicklung des Sozialwesens in Deutschland in Folge des demografischen Wandels und der Globalisierung. Gestützt auf Führungserfahrung und die persönliche Kenntnis der Problemlagen in vielen Einrichtungen entwickelt die Autorin eine breite Perspektive für die Unternehmen und ihr Verhältnis zur Kirche einerseits, zur säkularen Gesellschaft andererseits. Um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen, braucht es neben gelebter Spiritualität und fürsorglicher Gemeinschaft einen offenen Umgang mit den Konflikten, die entstehen, wo Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur zusammenarbeiten, aber auch neue Konzepte für Bildung und Weiterbildung. Und schließlich den Mut, Innovationen zu wagen. Nach der Rekapitulation der diakonischen Gründungsgeschichte und einer vorwärtsweisenden Auseinandersetzung mit dem, was davon Diakonie und Gesellschaft bis heute prägt, ruft die Verfasserin diakonische Dienste, Gemeinden und Engagierte dazu auf, sich an den Neuanfängen zu beteiligen, die heute wieder in sozialen Bewegungen spürbar sind.
Coenen-Marx Die Seele des Sozialen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einleitung
»Ich bin mit Diakonissen aufgewachsen«, sagten mir oft begeisterte Besucher während meiner Zeit als Vorsteherin der Kaiserswerther Diakonie. Ich muss zugeben, ich konnte diesen Satz lange Zeit nicht hören; er war mir zu sentimental, obwohl – oder vielleicht weil – auch ich mit Diakonissen aufgewachsen bin. Die geliebten Kindergärtnerinnen und Gemeindeschwestern meiner Kindheit waren Schwestern mit Pünktchenkleid und Haube. Wann immer ich Freunde und Fremde in Kaiserswerth zu Besuch hatte, war zu spüren: Sie werden bis heute vermisst – in den Gemeinden, aber auch in den inzwischen technisch weit besser ausgestatteten diakonischen Einrichtungen. Sie waren das Symbol einer diakonischen Kirche, vor allem aber ein Zeichen von Schwesterlichkeit und Barmherzigkeit. Seit 1984 war und bin ich in der diakonischen Arbeit aktiv – zunächst in Gemeinde und Kirchenkreis, später in der Geschäftsführung des Diakonischen Werks im Rheinland, schließlich von 1998–2004 als Vorstand der Kaiserswerther Diakonie und Vorsteherin der Kaiserswerther Schwesternschaft und heute ehrenamtlich in zwei Kuratorien diakonischer Unternehmen. In der EKD bin ich unter anderem als Geschäftsführerin der EKD-Kammer für Soziale Ordnung mit den Herausforderungen des sozialen Wandels in unserer Gesellschaft beschäftigt. Im Rückblick ist mir klar geworden: Den Spannungsfeldern, die ich während meiner Zeit in Kaiserswerth kennengelernt habe, verdanke ich wesentliche Impulse zur Auseinandersetzung. Dabei ging und geht es vor allem um die Auswirkungen der gesellschaftlichen Umbrüche auf die diakonischen Unternehmen – es hat ja seine Gründe, dass es kaum noch Diakonissen gibt. Es geht aber auch um die Bedeutung von Spiritualität, Gemeinschaft, Bildung und sozialem Engagement für die soziale Arbeit der Kirchen. Diese Wurzeln aller diakonischen Kultur haben gelitten, und den Früchten scheint gelegentlich der Markenkern zu fehlen – wie einer tauben Nuss. Ich bin aber überzeugt davon, dass die Gesellschaft darauf angewiesen ist – und dass die Kirche eine Verpflichtung hat –, die verborgene Schrift unserer Sozialkultur wieder erkennbar zu machen, damit das Soziale nicht seine Seele verliert. Das hat mich in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt – in Vorträgen und Artikeln, aber auch bei der Beratung diakonischer Träger und Gemeinschaften. Dieses Buch ist der Versuch, die wichtigsten Überlegungen zusammenzufassen. Keine Frage: Die soziale Struktur unserer Gesellschaft ist im Umbruch. Dabei geht es um mehr als um die fiskalische Krise der sozialen Sicherungssysteme angesichts einer globalisierten Wirtschaft. Zwar wirken sich prekäre Beschäftigungsverhältnisse, unterbrochene Erwerbsbiografien und Teilzeitbeschäftigungen auf die Stabilität der Sozialsysteme aus – aber der demographische Wandel und die Veränderung von Familien und Geschlechterrollen reichen tiefer: Sie verändern das Design unseres Zusammenlebens grundlegend. Die alte Rollenaufteilung, nach der die erwerbstätigen Männer das Geld für diesen Sozialstaat erarbeiten, während ihre Frauen sich in Familie und freier Zeit ehrenamtlich und kostenlos fürs Soziale engagieren, trägt nicht mehr. Diese Arbeitsteilung spiegelte sich aber auch in der so großartigen Diakonissengeschichte, die zugleich ein Stück Kirchengeschichte ist. Die Vorstellung, dass vor allem der Staat mit den Verbänden und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, auskömmlich finanziert, dafür zuständig ist, sozialstaatliches Handeln professionell zu gestalten, trägt ebenfalls nicht mehr. Der Bedarf an sozialen und gesundheitlichen Dienstleistungen steigt, zugleich aber stoßen Professionalisierung und Ökonomisierung personell wie finanziell an ihre Grenzen. Auch wenn der neu entstandene Sozial- und Gesundheitsmarkt die Chance bietet, den zahlungskräftigen Kunden passgenaue Angebote zu machen: Diejenigen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind, an der Armutsgrenze leben oder denen es einfach an Reflexionskraft, Bildung und Netzwerken fehlt, ihre Bedürfnisse ins Spiel zu bringen, fallen zunehmend heraus aus der Gesellschaft der Steuerbürger und Konsumenten. Es wird Zeit, dass wir soziale Gerechtigkeit neu definieren – mit dem Ziel der gerechten Teilhabe auch für Kinder, Menschen mit Behinderung oder für ältere Pflegebedürftige. Zu lange waren sie Objekte unserer Fürsorge – selbst in der Diakonie. Dabei brauchen wir einen neuen Mix aus Professionalität und bürgerschaftlichem Engagement, aus bezahlbaren Leistungen und sozialem Einsatz – eine aktive Bürgergesellschaft, die die Exklusion ganzer Bevölkerungsgruppen überwindet. Die sozialen Bewegungen zielen seit langem in diese Richtung, nämlich seit in den 70er Jahren der Wunsch nach Emanzipation und die Suche nach Integration die gesellschaftlichen Debatten bestimmte. Von der Frauenbewegung, der Kritik an der Heimerziehung und der Psychiatrieenquete nach 1968 bis zur Hospizbewegung in den 80er und 90er Jahren stand die Würde jedes und jeder Einzelnen im Mittelpunkt: Von der Entstehung der Sozialpsychiatrie, der Ambulantisierung der so genannten Anstalten für behinderte und psychisch kranke Menschen bis zur Entwicklung der Quartierspflege in der Altenhilfe ging es von Anfang an und bis heute um die Rückführung der Hilfebedarfe in den Sozialraum. Dahinter stehen immer das Wissen um die Verantwortung der Gemeinschaft, die Anerkennung von Verschiedenheit und der Respekt vor der Autonomie. In Bürgergesellschaft und Quartier geht es um gesellschaftliche Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger. Dabei können Kirche und Diakonie auch heute eine Schlüsselrolle spielen. Sie müssen allerdings anerkennen, dass sie nur noch manchmal die Regisseure der Veränderung, die Gastgeber anderer Gruppen sind. In der pluralen Gesellschaft werden sie oft nur noch Mitspieler oder, wenn es gut geht, Initiatoren sein. Aber gerade in dieser Rolle können sie zu Chance-Agents werden. Eine besondere Bedeutung werden dabei, wie zu Beginn der neuzeitlichen Diakonie, die ehrenamtlich Engagierten bekommen. Soziale Bürgerbewegungen sind die »Detektoren« für neue soziale Notlagen und offene gesellschaftliche Fragen. Sie leben vom Engagement vieler Einzelner, die sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind. Was wären die Palliativstationen und Hospize ohne die Bereitschaft von Menschen, sich Sterblichkeit aktiv zu stellen, um das Leben neu zu entdecken? Wie sähe die Integration behinderter Kinder aus ohne den wunderbaren Einsatz der Eltern, die sie trotz vieler schmerzhafter Erfahrungen zur Welt gebracht und erzogen haben? Wer würde die Alzheimer-Erkrankung zum gesellschaftlichen Thema machen, wenn nicht die Angehörigen? Wer würde Veränderung von Tageseinrichtungen und Schulen vorantreiben, wenn nicht die Eltern, die auf ein neues soziales Gewebe in der Gesellschaft angewiesen sind? Immer neu schließen sich Angehörige, Nachbarn und ehrenamtlich Engagierte zusammen, weil sie ein Problem anpacken wollen, das gesellschaftlich verdrängt wird – und sie engagieren sich quer zu den alten, konfessionell oder weltanschaulich geprägten Verbändestrukturen. Zum Teil von Sponsoren aus der Wirtschaft unterstützt, wie bei der Tafelbewegung, geben sie auch Kirche und freier Wohlfahrtspflege neue Anstöße. Ein aktiver Sozialstaat braucht eine engagierte Zivilgesellschaft. Wenn aus Hilfeempfängern Helfer werden sollen, wenn es um Mitmenschlichkeit und Beteiligung geht, sind Christinnen und Christen gefragt. Und damit meine ich nicht nur die Institution Kirche oder die Träger der Diakonie, sondern vor allem die Gruppen und Initiativen, die Notlagen frühzeitig aufspüren und kreative Lösungen suchen. Diakonie hat nicht nur eine Rolle auf dem Sozialmarkt, wie sie heute im Vordergrund steht, sie ist vor allem ein Kristallisationspunkt für die Erneuerung unserer Sozialkultur. Dabei können die Akteure durchaus anknüpfen an die Initiativen und Bewegungen des 19. Jahrhunderts, als Wichern und die Fliedners, Amalie Sieveking und Bodelschwingh, Kolping und Ketteler aus ihrer Glaubensüberzeugung Vereine gründeten, mit Wirtschaft und Politik kooperierten, Sponsoren fanden, neue Berufe gründeten und schließlich auch die Kirche veränderten. Gerade in Deutschland leben Zivilgesellschaft und Sozialstaat bis heute aus diesen oft vergessenen Wurzeln. Mir scheint es wichtig, daran zu erinnern, weil ich überzeugt bin: Die Sozialkultur ist auf engagierte Menschen angewiesen, und es ist unumstritten, dass religiöse Bindungen für soziales Engagement eine große Rolle spielen. Mit ihren Gemeinden, Gruppen, Initiativen und Verbänden können die Kirchen verlässliche und vielfältige Strukturen für freiwilliges Engagement bieten. »Diakonie als teilendes, heilendes und versöhnendes Amt der Kirche gehört unabdingbar zum Wesen der Kirche. Sie fordert von dem einzelnen und von der Kirche, dass sie nicht von dem geben, was sie haben, sondern aus dem, was sie sind. Diakonie muss die bestehenden Grenzen … durchbrechen und durch die Gemeinschaft des Volkes Gottes zum teilenden und heilenden Wirken des Geistes in der Welt werden,« so die ökumenische Versammlung von Vancouver.1 Die Überlegungen dieses Buches betreffen das Selbstverständnis der Diakonie und ihren unverwechselbaren Beitrag zu einer Gesellschaft im Transformationsprozess. Ich beginne mit einer Frage, die mitten hinein zielt in das zentrale Problem: Wo sind in der sozialwirtschaftlich aufgestellten Diakonie die theologischen Kennzeichen diakonischer Arbeit – Engagement und Spiritualität? 1  Gill, David, Gathered for life. Official report of the 6th Assembly of the WCC, Vancouver/Canada, Grand Rapids...


Cornelia Coenen-Marx, geb. 1952, 1990-1993 Leiterin der Abteilung Sozialwesen im Diakonischen Werk der Ev. Kirche im Rheinland; 1993-1998 Landeskirchenrätin; 1998-2004 Vorstand der Kaiserswerther Diakonie; 2004-2007 Nahostreferentin der EKD; seit 2007 Oberkirchenrätin bei der Evangelischen Kirche in Deutschland und dort für Gesellschafts- und Sozialpolitik zuständig.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.