E-Book, Deutsch, 408 Seiten
Dachs / Hornung Zellkultur
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7546-0550-9
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein Business-Roman über bionisches Organisationsdesign
E-Book, Deutsch, 408 Seiten
ISBN: 978-3-7546-0550-9
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Zellkultur ist ein spannender und praxisnaher Roman für alle Manager, Führungskräfte und Vordenker, die ihre Organisation aus einem völlig neuem Blickwinkel verstehen wollen. Die Natur hat vor vier Milliarden Jahren geschafft, womit Unternehmen noch heute kämpfen: Erfolgreiche Organisationen, die jeder Veränderung trotzen und dauerhaft bestehen. Verstehen Sie, wie Unternehmen die Erfolgsprinzipien des Lebens nutzen können, um mit dem Wandel des 21. Jahrhunderts Schritt zu halten. Begleiten Sie den Manager Max Neumann dabei, wie er seinen schwächelnden Digitalisierungsbereich nach dem Vorbild lebender Zellen organisiert, um der drohenden Zerschlagung durch einen neuen Investor zu entgehen. In Zellkultur erfahren Sie •welche grundlegenden Funktionen jedes lebende System, egal ob Organismus oder Organisation, verwirklichen muss, um auf Dauer überleben zu können. •weshalb Lean und Agilität keine Erfindungen, sondern Entdeckungen sind, die in lebenden Zellen seit Anbeginn harmonisch zusammenwirken. •wie Sie lebende Organisationen schaffen, die sich an die Veränderungen der unsicheren Wirtschaftswelt erfolgreich anpassen.
Clemens Dachs ist der Gedankenvater der Idee, dass soziale Organisationen von den Erfolgsprinzipien zellulären Lebens lernen können. Bis 2021 wirkte er als einer der fünf Chief Engineers der Siemens AG, spezialisiert auf Prozesse und Organisationsformen der Zukunft. Moritz Hornung ist Enthusiast für Systemtheorie, Management und Führung. Als 'Überlebenskünstler' für Organisationen führt er einen Blog unter www.business-survivalist.com.
Autoren/Hrsg.
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Die Konferenz
A nfangs hatte ich jede Gelegenheit genutzt, darüber zu fluchen, wie ungelegen diese Konferenz in Amsterdam mir gerade kam. Aber glücklicherweise verstand es unsere Personalleiterin Victoria bestens, mit deutlichen Gefühlsäußerungen und meinem Unmut im Speziellen umzugehen. Sie schaffte es, mich wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen, indem sie mir klarmachte, wie notwendig diese Konferenz für uns war. Nur weil die unmittelbare Situation sich geändert hatte, bedeutete dies nicht, dass andere Baustellen weniger wichtig waren. Denn wie es das Schicksal wollte, hatten Victoria und ich nur wenige Tage nach der unheilvollen Ankündigung von Herrn Ernst geplant, gemeinsam eine Konferenz zu besuchen. Wenn ich mich recht entsann, war die Idee des Konferenzbesuches einige Wochen zuvor geboren worden, als wir im Leitungskreis darüber fachsimpelten, wie wir unseren angestaubten Betrieb attraktiver für junge Talente machen könnten. Unser Unternehmen war nicht nur in jedem Sinne klassisch organisiert. Auch unser Firmenimage und Portfolio waren zumindest nach außen hin nicht wirklich hip genug, um Informatikabsolventen und andere IT-Fachkräfte in Scharen zu uns zu locken. Dass wir unter der Haube einige kreative Köpfe und Ideen hatten, musste man der Welt erst einmal klarmachen. Das war nur eines der Probleme, die insbesondere meinen Digitalisierungsbereich in Atem hielten. Da waren wir nun auf einer Konferenz, in der es einzig und allein darum ging, Unternehmen und Menschen erfolgreich durch die Digitalisierung zu führen. Victoria und ich hatten uns schon am Vorabend während unseres Fluges die Vorträge und Workshops notiert, die uns besonders ansprachen. So huschten wir von Vortrag zu Vortrag, nahmen an Workshops teil und plauschten in den Kaffeepausen mit anderen Konferenzteilnehmern. Wie erwartet war der Espresso erstklassig und das Catering ließ keine Wünsche übrig. Ungeachtet der zahlreichen Fachvorträge kamen wir beide zu einer zumindest beruhigenden Erkenntnis: Gefühlt hatte jeder, mit dem wir gesprochen hatten, vergleichbare Schwierigkeiten, wenn es darum ging, die eigene Organisation für die kommenden Jahrzehnte aufzustellen. Da die Konferenz über zwei volle Tage ging, gab es auch eine Abendveranstaltung. Hierfür tauschte ich meine Lederschuhe gegen ein paar bequeme Sneaker und streifte einen dünnen Baumwollpullover über. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich Victoria in zwei Minuten in der Lobby treffen sollte. Auch mein Magen meldete sich zu Wort und gab mir zu verstehen, dass die Häppchen des Tages keine vollwertige Mahlzeit ersetzt hatten. Also trieb ich mich zur Eile an und beschloss, anstelle des Aufzugs, die Treppen zu nehmen. Unten öffnete ich die Tür zur Hotellobby und wurde von einer Klangkulisse aus plätschernden Stimmen und säuselnder Jazz-Musik empfangen. Ich ließ meinen Blick durch die weite, von unzähligen Lichtspots erleuchtete Lobby streifen. Victoria saß bereits in einem der tiefen, dunkelroten Loungesessel, die den Eingangsbereich flankierten. Als ob sie meinen suchenden Blick spürte, hob sie ihren Blick von ihrem Mobiltelefon und sah zu mir hinüber. Sie winkte, erhob sich mühelos aus dem tiefen Sessel und strich ihre langen, welligen Haare zurück. »Guten Abend, Max. Bereit fürs Abendessen?« »Sicher doch, ich habe einen Bärenhunger«, antwortete ich ehrlicher, als ich es beabsichtigt hatte. »Na dann lass uns keine Zeit verlieren. Das Taxi ist schon da.« Kurze Zeit später waren wir wieder mittendrin im Getümmel. Mit vielen anderen hundert Teilnehmern saßen wir an mehreren Dutzend Tischen verstreut. Wir verbrachten fast zwei geschlagene Stunden damit, uns über das Gehörte des heutigen Konferenztages mit unseren zufällig ausgewählten Tischgenossen zu unterhalten. Das aufgetischte Vier-Gänge-Menü ließ ausreichend Zeit, um sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Gesprächsthema Nummer eins war ein Vortrag, den wir ebenfalls besucht hatten. Die Meinungen unserer Tischnachbarn rangierten von »originell« bis hin zu »abgefahren« und »etwas weit hergeholt«. Die Rede war von einem Vortrag über die bionische Organisation der Zukunft. Ich konnte mich noch gut an den wohlbeleibten älteren Herren erinnern, Professor Stafford Bateson. Sein wohltuender britischer Akzent klang mir noch jetzt in den Ohren. Nach dem Abendessen beschlossen Victoria und ich kurzerhand, einen kleinen Spaziergang zu machen, bevor wir uns für ein Stündchen an die Bar gesellen wollten. Wir schlenderten die fast menschenleere Treppe des Konferenzgebäudes hinunter. Die Musik und das Stimmenwirrwarr von hunderten Teilnehmern folgte uns noch einige Meter, bis wir am Fuße angekommen waren. Unsere Schritte hallten in der geräumigen Eingangshalle. Da war sie wieder, diese britische Stimme. Sie kam aus einer kleinen Sitzecke. Ich blickte mich um und erkannte Professor Bateson. Er nahm gerade sein Mobiltelefon vom Ohr und legte es neben die Tasse auf dem kleinen Tisch vor sich. Ich stupste Victoria an, die ihn offensichtlich noch nicht bemerkt hatte. »Ist das nicht dieser Professor von heute Morgen?« Sie lugte über meine Schulter in die von mir angedeutete Richtung. »Ja, du hast recht. Komm, lass uns hingehen. Wenn der erst einmal oben an die Bar geht, wirst du ihn kaum noch zu greifen bekommen.« Gesagt, getan. Wir schlenderten zu der kleinen Sitzgruppe hinüber. »Guten Abend, genießen Sie auch ein paar ruhige Momente abseits des Trubels da oben?« Ich deutete einen Blick in Richtung der oberen Stockwerke an, von der leise Stimmfetzen und Hintergrundmusik zu uns herunterdrangen. Er hob den Blick und wand sich etwas ungelenk in dem modernen, jedoch viel zu klein geratenen Sessel um. Ich musste innerlich grinsen, da mir sofort ein zugegeben bitterböser Gedanke kam: Der werte Herr hatte schon eine gewisse Ähnlichkeit mit den Zellen, über die er referiert hatte. Bateson lächelte herzlich, machte Anstalten, sich zu erheben, und deutete auf die verbliebene Sitzbank, die gerade genügend Platz für uns beide bot. »Ganz recht. Als Redner hat man auf diesen Konferenzen kaum Ruhe, um durchzuatmen. Aber bitte, nehmen Sie doch Platz.« Wir ließen uns nieder und ich betrachtete mein Gegenüber im Lichte der schummrigen Beleuchtung. Der Professor war von runder und gedrungener Gestalt. Er trug das gleiche Outfit wie noch heute Vormittag, ein weißes Hemd, eine rote Krawatte und einen schwarzen Anzug mit passendem Einstecktuch. Erst jetzt sah ich, dass ein verzierter schwarzer Gehstock neben seinem Sessel lehnte. Ein echter britischer Gentleman. »Sie haben doch den Vortrag über bionische Organisationen heute gehalten, nicht wahr? Wir haben schon bei Tisch mit anderen Teilnehmern darüber gesprochen«, begann ich das Gespräch. »Splendid! Und was halten Sie davon?« Wir blickten uns an und Victoria beantwortete seine Frage. »Nun, zugegeben war ich erstmal überrascht, dass Sie als Molekularbiologie auf einer Konferenz für Organisationsentwicklung und
-kultur zu finden sind. Für gewöhnlich wimmelt es hier eher vor Psychologen und Betriebswirtschaftlern.« Er schien ganz und gar nicht über diese Bemerkung überrascht zu sein. »Ja, das höre ich häufig.« Er lehnte sich vor und blickte uns beide verschwörerisch an. »Aber wissen Sie was? Das liegt nur daran, dass die Leute in ihren Schubladen denken. Diese Disziplinen sind sich ähnlicher, als man denkt.« Victoria runzelte die Stirn und Bateson legte eine Frage nach. »Warum sind Sie beide hier? Also auf dieser Konferenz?« »Nun, wir möchten ein paar Ideen sammeln, wie wir unsere Organisation besser auf die Veränderungen einstellen können, die der digitale Wandel mit sich bringt. Strukturen, Prozesse, aber auch, wie wir für bestehende und neue Mitarbeiter attraktiv sein können«, fasste ich den Sachverhalt in einem Satz zusammen. Victoria nickte mir zu. »Das habe ich mir gedacht! Und waren Sie erfolgreich?«, erkundigte sich Bateson. »Ja, wir haben Anregungen bekommen. Da werden wir das eine oder andere gleich angehen, wenn wir wieder zurück sind«, entgegnete ich zuversichtlich. Sein Gesicht hellte sich um einige Nuancen auf und sein buschiger Schnauzer wackelte aufgeregt. »Das hört sich wunderbar an. Da können Sie sich glücklich schätzen.« War das Ironie? Ich blickte Victoria fragend an, aber sie zuckte nur mit den Schultern. Dann wandte sie sich an unser Gegenüber. »Ich vermute, Sie wollen darauf hinaus, dass es in der Realität nicht so einfach ist? Also einfach heimkehren und eben mal ein paar tolle Dinge auf den Weg bringen?« »Exactly! Sie wären damit eine sehr glückliche Ausnahme, denn zumeist funktioniert das ja gerade nicht. Ideen und großartige Ziele haben alle Unternehmen. Und doch schaffen es nur die wenigsten, diese in die Realität zu bringen. Wissen Sie, jede Fußballmannschaft hat das Ziel, mehr Tore als die andere Mannschaft zu schießen, es kommt aber nur eine an die Tabellenspitze. Wäre es so einfach, würden Sie vermutlich gar nicht hier sein.« Sein Kommentar saß. Mehr noch, ich musste mir eingestehen, dass er recht hatte. In meinem Kopf tauchten Szenen des täglichen Büroalltags auf. Kompetenzgerangel, Task-Forces, Krisenmeetings und das Abwenden der täglichen Katastrophen. Geordnete und zukunftsorientierte Veränderung kam dabei eher selten vor. »Okay, Sie haben recht. Und woran liegt das ihrer Meinung nach?« Er nahm einen Schluck aus seiner Teetasse, wobei er den kleinen Finger steil ausstreckte. Dann fuhr er sich durch den Bart und blickte uns aus großen Augen an. »Spezielle Gründe gibt es...