Dembeck / Küpper / Parr | Literatur und Mehrsprachigkeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 380 Seiten

Dembeck / Küpper / Parr Literatur und Mehrsprachigkeit

Ein Handbuch

E-Book, Deutsch, 380 Seiten

ISBN: 978-3-8233-0045-8
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das Forschungsgebiet "Literatur und Mehrsprachigkeit" erfährt in der internationalen Literatur- und Kulturwissenschaft zurzeit einen beachtlichen Aufschwung, denn die Analyse literarischer Mehrsprachigkeit verspricht einen neuartigen Zugang zum Verhältnis von Literatur und Phänomenen kultureller sowie sozialer Differenz. Das Handbuch geht davon aus, dass sich die Erforschung literarischer Mehrsprachigkeit in erster Linie durch ihre Fragerichtung und ihre Methodik auszeichnet. Es stellt daher die Methoden vor, die für die Analyse literarischer Mehrsprachigkeit zur Verfügung stehen, und bietet zugleich kulturhistorische Hintergrundinformationen für ihre Interpretation. So eröffnet es auch neue Perspektiven auf die spezifische Sprachlichkeit literarischer Texte. Damit stellt das Handbuch angehenden ebenso wie etablierten Literatur- und Kulturwissenschaftlern dringend benötigte Werkzeuge zur Erschließung der Sprachvielfalt in der Literatur zur Verfügung.
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Mehrsprachige Literatur. Zur Einleitung

I. Kulturelle und soziale Rahmenbedingungen literarischer Mehrsprachigkeit
1. Sprache und Kultur
2. Sprachliche und kulturelle Identität
3. Einsprachigkeit, Mehrsprachigkeit, Sprachigkeit
4. Sprache als Medium von (Des-)Integration
5. Ethik der Mehrsprachigkeit

II. Sprachliche Rahmenbedingungen literarischer Mehrsprachigkeit
1. Ebenen der Sprachstandardisierung
2. 'Heilige Sprachen', Weltsprachen, Lingua Franca
3. Sprachkontakt: Pidgins und Kreolsprachen
4. Künstliche Sprachen (Plansprachen/Welthilfssprachen)
5. Spezialsprachen: Fachsprachen, Wissenschaftssprachen etc.
6. Schriftsysteme, Sprachen, Mehrsprachigkeit
7. Durchsetzung von Sprachstandards
8. Pragmatik der Mehrsprachigkeit

III. Basisverfahren literarischer Mehrsprachigkeit
1. Sprachwechsel/Sprachmischung
2. Mehrsprachigkeit in der Figurenrede
3. Zitat und Anderssprachigkeit
4. Mehrschriftlichkeit

IV. Formen der Übersetzung
1. Semantische Übersetzung
2. Homophone Übersetzung

V. Gattungs- und medienspezifische Verfahren literarischer Mehrsprachigkeit
1. Versform
2. Dramatik/Theater
3. Erzählen
4. Liedtexte
5. Hörspiel/Hörbuch
6. Film
7. Fernsehen

VI. Anhang
1. Institutionen mehrsprachiger Literatur und ihrer Erforschung
2. Auswahlbibliographie
3. Autorenverzeichnis
4. Personenindex


Mehrsprachige Literatur. Zur Einleitung
Till Dembeck und Rolf Parr a) Zum Stand der literaturwissenschaftlichen Mehrsprachigkeitsforschung
In der internationalen literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschung ist das Interesse an Mehrsprachigkeit in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Ein Stück weit schließen die Philologien damit an eine Entwicklung an, die in der Linguistik, vor allem in der Soziolinguistik, und in den Erziehungswissenschaften schon länger Fahrt aufgenommen hat und die vor allem aus dem Gebiet, in dem sich beide Disziplinen überschneiden, nämlich in der sog. Fremdsprachendidaktik (die aber teils nicht mehr so heißen will), nicht mehr wegzudenken ist. Mit Blick darauf ist unlängst bereits der unvermeidliche ›Turn‹ konstatiert worden.1 Von einem Mehrsprachigkeits-Turn zu sprechen wäre mit Blick auf die Philologien jedoch stark übertrieben: ›Literarische Mehrsprachigkeit‹ ist weit entfernt davon, als eigenes Forschungsgebiet neben den Nationalphilologien anerkannt zu werden. Mit der wie auch immer zögerlichen Hinwendung zu Fragen der Mehrsprachigkeit reagieren die Literaturwissenschaften unter anderem auf eine Neuausrichtung, die auch andere Forschungsfelder der Disziplin betrifft: auf die Anreicherung philologischer Forschung um vormals der Linguistik vorbehaltene Beschreibungsmodelle und auf die Überschreitung nationalphilologischer Eingrenzungen. Die Literaturwissenschaften jenseits der Nationalphilologien haben das Paradigma der ›Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft‹ längst hinter sich gelassen und operieren mit Begriffen wie Inter- und Transkulturalität, Hybridität und anderen mehr. Demgegenüber ist der Einfluss der Linguistik auf die Literaturwissenschaften ungleich weniger gut sichtbar. Er artikuliert sich beispielsweise in einem vorsichtig erwachenden neuen Bewusstsein für die sprachliche Formanalyse (von Lyrik wie von Erzähltexten). Alles in allem lassen sich mindestens drei gute Gründe dafür anführen, die erwachende Konjunktur literaturwissenschaftlicher Mehrsprachigkeitsforschung zu begrüßen: Erstens verspricht die Beschäftigung mit und die Analyse von Mehrsprachigkeit und insbesondere mehrsprachiger Literatur allen, die sich für Fragen der Inter- und Transkulturalität sowie der Migration interessieren, einen wichtigen Zugang zu Phänomenen sprachlicher, kultu­reller und auch sozialer Differenz. Zweitens kommen mehrsprachige literarische Texte dem neu erstarkten Interesse an der sprachlichen Struktur der literarischen Textualität entgegen. Damit stellen sie auch eine Herausforderung an die philologischen Arbeitsinstrumente dar, die sich zunehmend linguistischer Konzepte und Terminologien bedienen bzw. diese sogar adaptieren müssen, um ihren Gegenständen gerecht zu werden. Drittens schließlich bietet Mehrsprachigkeit die Möglichkeit, die Einschränkungen der nationalphilologischen Betrachtungsweise zu überwinden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um ›Weltliteratur‹ und die sich wandelnde Rolle der ›Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft‹ reizvoll. Das Handbuch will allen drei Perspektiven auf den Gegenstand ›Mehrsprachige Literatur‹ gerecht werden und deren fachpolitische Konsequenzen ausloten. Neuere Diskussionen haben nämlich gezeigt, dass sich das Forschungsfeld ›Mehrsprachige Literatur‹ keineswegs über die Sammlung ihrer Gegenstände konstituieren lässt, denn dann findet sich kaum noch eine Möglichkeit zur Eingrenzung. Das liegt nicht nur daran, dass – welthistorisch betrachtet – keinesfalls Einsprachigkeit, sondern Mehrsprachigkeit den Normalfall menschlicher Kommunikation darstellt; hinzu kommt nämlich, dass es letztlich definitorisch kaum möglich ist, zu sagen, was ein einsprachiger Text eigentlich ist. Denn Spannungen und Interferenzen zwischen unterschiedlichen Sprachstandards (im Sinne von Polyphonie oder Heteroglossie) finden sich immer und überall, und es spricht vieles dafür, auch hier von Mehrsprachigkeit zu reden. Von daher liegt es nahe, zu sagen, dass sich die Forschung zur literarischen Mehrsprachigkeit in erster Linie durch ihr spezifisches Interesse, durch ihre Fragerichtung und durch ihre Methodik auszeichnet, was nichts anderes bedeutet, als dass sie im Grunde eine neue disziplinäre Ausrichtung der Literaturwissenschaft mit sich bringt. Will man das damit entstehende Arbeitsfeld umreißen, muss man sich also in erster Linie der Methodik widmen, die seine Erschließung allererst möglich macht. Damit kommen die drei eingangs aufgezeigten Perspektiven ins Spiel, denn die Methodik einer literaturwissenschaftlichen Philologie der Mehrsprachigkeit hat einerseits das strukturelle Gefüge von Sprachdifferenzen im Text zu beschreiben, andererseits aber auch deren kulturpolitischen Einsatz. b) Konzeption des Handbuchs
Aus diesen Vorüberlegungen leitet sich die Konzeption des Handbuchs ab: Geboten wird kein Überblick über den Gegenstand ›Mehrsprachige Literatur‹, sondern ein Überblick über die Voraussetzungen ihrer Analyse und über das Inventar an Verfahren, die für die Analyse zur Verfügung stehen. Das bedeutet unter anderem, dass ein Stück weit offengelassen wird, was Mehrsprachigkeit eigentlich ›ist‹. Relevanter erscheint demgegenüber die Frage, was auf welcher Grundlage als Mehrsprachigkeit oder sprachliche Vielfalt wahrgenommen wird. Aus linguistischer Perspektive ist es relativ unproblematisch, unterschiedliche Ebenen zu beschreiben, auf denen sich einzelne Idiome unterscheiden lassen – man kann dann etwa Dialekte, Soziolekte oder standardisierte Nationalsprachen voneinander abgrenzen. Von literarischer Mehrsprachigkeit kann man aber nicht nur dann sprechen, wenn sich in einem Text Segmente aus diversen derart voneinander unterschiedenen Idiomen finden, wenn also beispielsweise Deutsch und Französisch in dem Roman eines deutschen Nobelpreisträgers vorkommen oder wenn ein amerikanischer Romancier des 19. Jahrhunderts die unterschiedlichen Soziolekte der amerikanischen Bevölkerung abzubilden versucht. Beobachten lassen sich darüber hinaus beispielsweise Formen von ›latenter‹ Mehrsprachigkeit – so etwa dann, wenn gesagt wird, eine Person spreche jetzt Spanisch, die Worte, in denen man diese Rede vor sich sieht, aber klar dem Englischen zugehören. Aber auch die Verwendung ›fremdsprachlicher‹ metrischer Muster, die ›wörtliche Übersetzung‹ anderssprachiger idiomatischer Wendungen, die Verwendung übersetzter anderssprachiger Zitate – um nur einige Beispiele zu nennen – sind unter dem Schlagwort literarischer Mehrsprachigkeit zu diskutieren. Schließlich ist festzuhalten, dass Mehrsprachigkeit in der Literaturwissenschaft nicht nur durch Übernahme linguistischer Begrifflichkeiten und Verfahren behandelt werden kann und darf, sondern dass sich die Verbindung dieser Begrifflichkeiten und Verfahren mit genuin philologischen anrät. Denn auch im Grunde nur als rhetorisch zu beschreibende Textverfahren – beispielsweise die freiwillige Beschränkung der französischen Schriftsprache auf alle Buchstaben außer dem ›e‹ – erzeugen Effekte, die denen der Verwendung einer anderen Sprache nahekommen. Im Einzelfall – und für den sollte sich Philologie ja interessieren – muss man neben der Vielfalt linguistischer ›Codes‹ im literarischen Text auch zu beschreiben versuchen, welchen rhetorischen, stilistischen, diskursiven oder sonstigen Strategien ihre Anwendung, Mischung und Dekonstruktion gehorcht. Eine solche Herangehensweise verspricht nicht zuletzt Aufschluss über die Frage, wie literarische Mehrsprachigkeit kulturell zu werten und zu beschreiben ist. Die in der ›Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft‹ geführte Debatte über ›Weltliteratur‹ steht dazu durchaus in Bezug. Einer der wichtigsten Punkte in dieser Debatte besteht in der Einschätzung des Stellenwerts von Übersetzung. Einerseits wird Weltliteratur als Netzwerk von Texten und Übersetzungen beschrieben, die weltweit migrieren. Weltliteratur erscheint dann als sprachgrenzüberschreitende Textbewegung. Andererseits beharrt man auf der Unübersetzbarkeit von Literatur, so dass die Weltliteratur gerade ihre intrinsische Inkommensurabilität ausmacht. Geht man methodisch von Mehrsprachigkeit aus, versucht man also, wie es hier vorgeschlagen wird, immer abzuschätzen, wie beliebige Texte mit sprachlicher Vielfalt umgehen oder zu ihr Stellung beziehen, so lassen sich Sprachgrenzüberschreitungen – glückende und scheiternde – auch in den einzelnen Texten feststellen. Weltliteratur lässt sich dann als Netzwerk nicht nur von Texten fassen, sondern auch von wie auch immer näher aussehenden mehrsprachigen Textverfahren. Insofern Sprachdifferenzen immer auch eine kulturelle Wertigkeit haben, gewinnt man durch dieses Vorgehen auch die Möglichkeit, eine Art kulturpolitische ›Agency‹ der literarischen Texte selbst zu analysieren: die Art und Weise, wie sie schon in ihrer sprachlichen Form, in ihrem Umgang mit Sprachdifferenz, kulturell und sozial wirken wollen. c) Aufbau des Handbuchs
Der Aufbau des Handbuchs entspricht diesen methodischen Grundüberlegungen: Die ersten zwei Kapitel bieten einen Überblick über die im Weiteren vorausgesetzten grundlegenden Begrifflichkeiten und Hintergründe; die dem folgenden drei Kapitel widmen sich konkret den unterschiedlichen Verfahren des literarischen Umgangs mit Sprachvielfalt bzw. den Möglichkeiten ihrer...


Dr. Till Dembeck lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Université du Luxembourg.

Prof. Dr. Rolf Parr lehrt Literatur- und Medienwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.


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