E-Book, Deutsch, 1400 Seiten
Reihe: RWS Kommentar
Depré / (Hrsg.) ZVG
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8145-5421-1
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Kommentar zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
E-Book, Deutsch, 1400 Seiten
Reihe: RWS Kommentar
ISBN: 978-3-8145-5421-1
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Der neue Kommentar erläutert die komplexen Zusammenhänge zwischen dem Grundstückssachenrecht und dem Zwangsvollstreckungsrecht. Das Werk beschreibt die „gängige“ Praxis, hilfreiche Sonderfälle aus der Rechtsprechung runden die Darstellung ab. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wird voll berücksichtigt, untergerichtliche Entscheidungen werden eingebunden, wenn sie einschlägig oder „originell“ sind. Die jeweiligen Bearbeiter stehen den kommentierten Themen fachlich nahe und bieten damit Gewähr, dass sachgerechte Lösungen angeboten werden. Käufer des Werkes haben auch online optimiert für alle Computer und Geräte Zugang zum Inhalt und können diesen in Schriftsätze einbinden, durchsuchen oder weiter versenden.
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§ 2
Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts
(1) Ist das Grundstück in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte belegen oder ist es mit Rücksicht auf die Grenzen der Bezirke ungewiß, welches Gericht zuständig ist, so hat das zunächst höhere Gericht eines der Amtsgerichte zum Vollstreckungsgericht zu bestellen; § 36 Abs. 2 und 3 und § 37 der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. (2) Die gleiche Anordnung kann getroffen werden, wenn die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung mehrerer Grundstücke in demselben Verfahren zulässig ist und die Grundstücke in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte belegen sind. Von der Anordnung soll das zum Vollstreckungsgericht bestellte Gericht die übrigen Gerichte in Kenntnis setzen. Literatur: Lwowski, WuB VI F § 2 ZVG 1.86, Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 15.5.1986 – IX ARZ 3/86, Rpfleger 1987, 29. Übersicht
I. Funktion der Norm 1 II. Anwendungsbereich des § 2 ZVG 3 III. Verfahren bei Kompetenzkonflikten 7 IV. Tatbestand des § 2 Abs. 1 ZVG im Einzelnen 12 V. Tatbestand des § 2 Abs. 2 ZVG 14 I. Funktion der Norm 1 Die Bestimmung des § 2 ZVG über die örtliche Zuständigkeit entspricht bis auf das Zitat des § 36 Abs. 2, 3 ZPO im Ergebnis wörtlich derjenigen Fassung der Norm, die bereits im ZVG vom 24.3.1897 enthalten war.1) Sie trägt den Imponderabilien der örtlichen Zuständigkeit in den besonderen Fallkonstellationen Rechnung, wie sie in den beiden Tatbestandsvarianten der Absätze 1 und 2 der Bestimmung dargestellt sind. § 2 ZVG stellt ganz praktisch daher eine gerichtsorganisatorische Zuständigkeitsregel dar, die dem funktionell zuständigen Vollstreckungsrichter seine örtliche Zuständigkeit aufzeigt. Die sachliche (§ 1 ZVG) und funktionelle Zuständigkeit (§ 3 Nr. 1 lit. i) RpflG) bleibt unberührt. Durch den Verweis auf die §§ 36, 37 ZPO wird die Frage des negativen und positiven Kompetenzkonfliktes beteiligter bzw. angerufener Gerichte geregelt. Man darf dabei nicht übersehen, dass es sich bei den vollstreckungsrechtlichen Gerichtsständen, also auch vorliegend im Bereich der örtlichen Zuständigkeit, um ausschließliche Gerichtsstände handelt, wie aus § 802 ZPO i. V. m. den §§ 864, 866 ZPO hervorgeht. 2 Damit erschöpft sich die Funktion des § 2 ZVG jedenfalls nach heutigem Verständnis aber nicht. Die Vorschrift bestimmt vielmehr jenseits von willkürlich angenommenen Zuständigkeiten bei ihrem Fehlen den „gesetzlichen Richter“ nach Art. 101 Abs. 1 GG,2) eine Norm, die für alle richterlichen Tätigkeiten gilt und gerade auch im Zwangsvollstreckungsverfahren, das von Eingriffen in grundrechtlich geschützte Sphären des Bürgers geprägt ist, hohe praktische Relevanz hat. II. Anwendungsbereich des § 2 ZVG 3 § 2 ZVG ist anwendbar in allen Fällen – der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung – in Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (also Eigentum und Miteigentum, Wohnungs- und Teileigentum, Erbbaurechte usw.). Der Schwerpunkt liegt in praxi bei den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. 4 Ferner ist § 2 ZVG anzuwenden in den Sonderverfahren – der Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung durch den Insolvenzverwalter nach § 172 ZVG. – der Nachlassversteigerung durch den Erben gemäß den §§ 175, 176 ZVG, soweit der Erbe zum Versteigerungsantrag befugt ist. – der Teilungsversteigerung, § 180 ZVG. 5 Bei Zwangsvollstreckung in im Schiffsregister eingetragene Schiffe und im Schiffsbauregister eingetragene Schiffsbauwerke gehen § 163 ZVG (Schiffe) bzw. § 170a Abs. 2, 163 Abs. 1 (Schiffsbauwerke) der Regelung des § 2 Abs. 1 ZVG vor und schließen sie aus. Mit Rellermeyer dürfte indes dennoch ein Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 ZVG eröffnet sein, wie § 162 ZVG mit der Verweisung auf den Ersten Abschnitt des ZVG belegt. Gleichermaßen ist § 36 ZPO in dem ihm im Verfahren nach dem ZVG verbleibenden Fällen des § 36 Abs. 1 Nrn. 1, 5 und 6 zu beachten (siehe im Folgenden unter Rz. 8.3) 6 § 2 ZVG scheidet im Verfahren über die Zwangsversteigerung von Luftfahrzeugen aus, da die alleinige örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Braunschweig als Sitz des Luftfahrt-Bundesamtes begründet ist (§ 171b Abs. 1 ZVG). Die in der Literatur thematisierte Problematik eines Doppelsitzes des Luftfahrt-Bundesamtes als Folge der Errichtung einer „Dienststelle Flugsicherung“ in Langen bei Frankfurt in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit der Konsequenz etwaiger Unsicherheit über das zuständige Vollstreckungsgericht4) hat sich erledigt. Die Aufgaben der Flugsicherung wurden durch das am 4.8.2009 in Kraft getretene Gesetz über die Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAFG) auf das BAFG übertragen, sodass das Luftfahrt-Bundesamt keinen Doppelsitz mehr hat, sondern nur noch den Sitz in Braunschweig. III. Verfahren bei Kompetenzkonflikten 7 Ist einer der Tatbestände des § 2 Abs. 1 ZVG bzw. des § 2 Abs. 2 ZVG eingetreten, also ein Gericht angerufen worden, das sich nicht für zuständig hält oder wurden mehrere Gerichte eingeschaltet (Beispiel: Gläubiger G. stellt in einem Fall nach § 2 Abs. 1 ZVG den Versteigerungsantrag gegen den Schuldner in das Objekt in M. beim Amtsgericht X., Gläubiger H. beim benachbarten Amtsgericht Y.), muss die Frage der örtlichen Zuständigkeit gelöst werden. Unklar ist nach dem Gesetzeswortlaut des Satzes 1, wie das Verfahren der Bestimmung des zuständigen Gerichts in Gang gesetzt wird. Der Klärung dient der Verweis auf § 37 ZPO in § 2 Abs. 1 Satz 2 ZVG. Nach dieser Bestimmung der ZPO wird das „zunächst höhere“ Gericht auf „Gesuch“ tätig (§ 37 Abs. 1 ZPO, was nichts anderes als den Antrag eines Beteiligten bedeutet, das aus seinem Blick örtlich zuständige Amtsgericht festzulegen.5) 8 In der Literatur wird zu der Frage, wann der Antrag gestellt werden kann, im Einklang mit der Judikatur des BGH zu § 36 ZPO die Meinung vertreten, dies könne (zur Vorabklärung) bereits vor dem Zwangsversteigerungsantrag erfolgen.6) Die weiteren in § 36 Abs. 1 Nrn. 1 ff. ZPO zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit Anlass gebenden Umstände deckt § 2 Abs. 1 ZVG nur teilweise ab bzw. die dortigen Tatbestände passen nicht auf Zwangsversteigerungsfälle. § 36 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entspricht § 2 Abs. 1 ZVG, § 36 Nrn. 3 und 4 ZPO sind in den Verfahren nach dem ZVG gegenstandslos. Hingegen sind die Tatbestände des § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Verhinderung des zuständigen Gerichts „an der Ausübung des Richteramtes“), Nr. 5 (verschiedene Gerichte haben rechtskräftig ihre Zuständigkeit bejaht), Nr. 6 (verschiedene Gerichte, darunter das zuständige, haben sich rechtskräftig für unzuständig gehalten) parallel neben § 2 ZVG anwendbar. Die letztere Norm ist lex specialis zu den Regelungen des § 36 Abs. 1 Nrn. 5, 6 ZPO über die Behandlung der positiven und negativen Kompetenzkonflikte insoweit, als § 2 Abs. 1 ZVG nur den dortigen Spezialfall eines Kompetenzkonflikts im Zusammenhang mit der Belegenheit des betroffenen Grundbesitzes abdeckt, § 36 Abs. 1 Nrn. 5, 6 ZPO aber generell alle Kompetenzkonflikte, wobei die Vorschrift aber voraussetzt, dass die Entscheidung der beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig geworden ist. Ist § 36 Abs. 1 Nrn. 5, 6 ZPO aber einmal in einem Verfahren nach dem ZVG heranzuziehen, kann der Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit begrifflich erst nach Zustellung des Anordnungsbeschlusses gestellt werden.7) § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Verhinderung des Richters an der Ausübung seiner Funktion) ist ein auch im Versteigerungsverfahren möglicher Sonderfall. Es besteht Einigkeit, dass in den weiteren Sonderfällen des § 36 Abs. 1 Nrn. 1, 5, 6 ZPO die Vorlage durch das angerufene Gericht hinreicht, das Bestimmungsverfahren in Gang zu setzen, es mithin nicht stets eines Antrags Beteiligter bedarf. Es versteht sich von selbst, dass das zuständige nächst höhere Gericht an den Inhalt des Antrags oder die Vorlage des angerufenen Gerichts nicht gebunden ist. Das LG oder das OLG können damit auch ein bislang nicht befasstes Gericht für zuständig erklären. Fehler des bestimmenden Gerichts sind als Folge der Unanfechtbarkeit des die Bestimmung treffenden Beschlusses irrelevant, soweit die Entscheidung nicht ausnahmsweise willkürlich ist und damit nichtig wäre (in analoger Anwendung des Gedankens des § 44 VwVfG).8) 9 Das nächsthöhere Gericht ist im Falle zweier Amtsgerichte im selben LG-Bezirk das übergeordnete Landgericht. Haben die betroffenen Amtsgerichte kein gemeinsames Landgericht, aber ein gemeinsames Oberlandesgericht, ist dieses nach § 2 Abs. 1 ZVG zuständig. An die Stelle des Bundesgerichtshofs – soweit die betroffenen Amtsgerichte nicht einmal im selben OLG-Bezirk angesiedelt sind – tritt hilfsweise das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das zuerst eingeschaltete Amtsgericht seinen Sitz hat (§ 2...