Buch, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 259 g
Buch, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 259 g
ISBN: 978-3-95935-556-8
Verlag: Disserta Verlag
2014 trat das Notfallsanitätergesetz auf Bundesebene in Kraft. Damit wurde ein neuer Beruf im Rettungsdienst geschaffen. Es wurden sowohl die Zugangsvoraussetzungen verschärft als auch im Bereich der Ausbildungs- und Prüfungsinhalte erweiterte Kompetenzen für die Berufsangehörigen aufgenommen. Im Gesetz ist die Rede von invasiven und heilkundlichen Tätigkeiten. Dies alles führte in den ersten Jahren dieses neuen Berufsbildes dazu, dass der Autor die Entwicklung in den sechzehn Bundesländern hinsichtlich der landesrechtlichen Tätigkeitsvorbehalte und Kompetenzübertragungen an die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter untersuchte und im Rahmen dieser Dissertation dokumentierte. Am Anfang des Buches findet sich ein einleitender Abriss zur Geschichte des Rettungsdienstes in Deutschland. Da es zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Studie weder nennenswerte Rechtsprechung noch Literatur zum Beruf des Notfallsanitäters/der Notfallsanitäterin gab, soll im vorliegenden Buch die Umsetzung des Notfallsanitätergesetzes in die Praxis erörtert werden. Die unterschiedlichen Aufgabenfelder von ärztlichem und nichtärztlichem Personal stehen im Fokus dieser Diskussion.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete AINS Notfallmedizin & Unfallmedizin (inkl. Notdienste)
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Medizin- und Gesundheitsrecht
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Medizinrecht, Gesundheitsrecht
Weitere Infos & Material
Textprobe:
Kapitel 3.1.3 Vom ersten Notarzt zum Rendezvous-System:
In der frühen Bundesrepublik stand im Unfallrettungsdienst und Krankentransportwesen der Aspekt des Transportierens der verletzten oder erkrankten Person im Vordergrund. Ansatzweise trat die Sicherung der Vitalfunktionen mit einfachen Mitteln als Arbeitsziel des Patiententransportes hinzu. Von einer Herstellung der Transportfähigkeit mit notfallmedizinisch-interdisziplinären Methoden konnte jedoch noch keine Rede sein. Diesbezügliche Ansätze entstanden im Jahr 1957, indem die Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg einen als „Klinomobil“ bezeichneten umgebauten Reisebus in den Dienst stellte (Luxem et al., 2016). Dieser Bus war mit einem kompletten Operationsteam und dem entsprechenden Equipment ausgestattet. Das Personal bestand aus einem Anästhesisten, einem Operateur, einer OP-Schwester sowie Assistenten. Gefahren wurde der Bus von der Heidelberger Berufsfeuerwehr, wo das Fahrzeug auch stationiert war (Kessel, 2008, Steininger, 2009).
Während das „Heidelberger Modell“ auf eine chirurgische Definitiv-Versorgung des Notfallpatienten abzielte, wurde in Köln zur selben Zeit ein anderes Konzept der Notfallbehandlung im präklinischen Bereich eingeführt: Ein „Notfallarztwagen“ sollte einen Arzt und Assistenzpersonal zur Notfallversorgung an den Ort des Geschehens bringen (Steininger, 2009). Behandlungsziel des „Kölner Konzeptes“ der Chirurgischen Universitätsklinik und des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Köln war eine stabilisierende ärztliche Behandlung des Patienten am Unfallort mit dem Ziel, seine Transportfähigkeit herzustellen, um ihn anschließend unter Überwachung der Vitalfunktionen in die nächstgelegene geeignete Klinik zu transportieren (Steininger, 2009). Grundsätzlich wurde mit dem Kölner Modell das bis in die Gegenwart praktizierte einsatztaktische Modell der präklinischen Notfalltherapie am Ort des Ereignisses durch Notärzte und Angehörige der medizinischen Fachberufe geschaffen.
Abschließend seien noch auf der Basis des Kölner Modells entwickelte Modifizierungen und Weiterentwicklungen erwähnt (Kessel, 2008). Bei dem „Modell Gummersbach“ handelt es sich um die Anpassung des Kölner Modells an den Bedarf einer Mittelstadt im Jahr 1963. Initiator war Prof. Dr. Wolfgang Herzog, der seine Erfahrungen als ehemaliger Oberarzt der chirurgischen Universitätsklinik in Köln nunmehr in seiner Stellung als Chefarzt am Städtischen Krankenhaus in Gummersbach in den Aufbau des ersten deutschen Notarztsystems im ländlichem Raum einbringen konnte (Steininger, 2009). Das Fahrzeug des Gummersbacher Modells war mit einem Arzt der chirurgischen Klinik, einem Sanitäter sowie einem Fahrer aus dem Kreis des Pflegepersonals der Klinik rund um die Uhr einsatzbereit. Herzogs besondere Innovation ist in der Tatsache zu sehen, dass er das Fahrzeug notärztlich mit dem diensthabenden Assistenzarzt der Klinik besetzte. Dies führte teilweise dazu, dass insbesondere nachts in der chirurgischen Klinik zeitweise kein Arzt anwesend war und andere Nachtdienst-Ärzte des Stadtkrankenhauses oder die Rufbereitschaft der Oberärzte zur Vertretung herangezogen werden mussten. Herzog wog dabei zwischen bestehenden Dienstanweisungen der Klinik und dem Gebot der Hilfeleistung bei präklinischen Notfallpatienten zugunsten der Notfälle ab. Diese Praxis war damals umstritten und wurde erst Jahre später durch ein entsprechendes Gerichtsurteil bestätigt (Steininger, 2009).
Als neuen Ansatz stellte Eberhard Gögler, ein Assistent des Erfinders des Klinomobils Prof. Dr. Bauer, den Heidelberger Arzteinsatzwagen mit der Funkrufkennung „HD-10“ im Jahr 1964 vor. Damit stand dem Arzt ein mit ärztlichen Gerätschaften ausgestatteter PKW zur Verfügung. Mit dem Fahrzeug fuhren die Ärzte selbst zum Einsatzort und stießen zu dem Einsatzteam und dem Patienten. In Abgrenzung zu dem als „Kompaktsystem“ bezeichneten Vorgehen, bei dem der Arzt zusammen mit den Sanitätern im RTW oder KTW an der Einsatzstelle ankam, wurde diese neue Einsatztaktik des Zusammentreffens als „Rendezvous-System“ bezeichnet (Kessel, 2008). Dieses System hat sich in Deutschland bis heute für bodengebundene Notarzteinsätze weitgehend durchgesetzt und gehalten. An zahlreichen Notarzt-Standorten fuhren die Notärzte bis in die 1980er Jahre selbst zum Einsatz. Das „NEF“ (Notarzteinsatzfahrzeug) wurde ihnen zum Beginn des Dienstes zur Verfügung gestellt und von ihnen dann an den Notarzt der nächsten Schicht weitergegeben. Später wurden die NEF von Fahrern gefahren, die diesen Dienst ehrenamtlich bzw. tagsüber unter der Woche hauptamtlich leisteten und leisten. Heute gehören auch private Unternehmen vielerorts zu den Leistungserbringern im öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst.