Buch, Deutsch, 232 Seiten, PB, Format (B × H): 148 mm x 210 mm
Heft Nr. 93 – 2013
Buch, Deutsch, 232 Seiten, PB, Format (B × H): 148 mm x 210 mm
ISBN: 978-3-86707-893-1
Verlag: PD-Verlag GmbH & Co. KG
Die Rotenburger Schriften präsentieren Forschungsergebnisse zur Regionalgeschichte; das sind einerseits Berichte aus der Region, andererseits Aufsätze von Autoren, die in unserer Region leben und wirken.
Aus dem Inhalt:
• Die Gründung Rotenburgs im Lichte der Hofgerichtsurteile Kaiser Heinrichs VI.
• Das Märchen vom „Gevatter Tod“ – ein Exemplum zum Wesen des Arztberufs
• Sterben und der Beruf des Arztes heute
• Geschichte des deutschen Sozialstaatsmodells am Beispiel der Krankenkassen
• Der Siebenjährige Krieg in unserer Region
• L’Art de la Guerrre – Reflexionen Friedrichs II. über den Krieg
• Das alte Pfarrhaus in Wilstedt
• Jagd und Fischerei im alten Amt Ottersberg
• Ziegeleien des 19. Jahrhunderts im Altkreis Rotenburg
• Stabwerksbau in der Heide – Reliktvorkommen an einem Speicher
• Ein historisch-archäologisches Stadtkataster im Landkreis Rotenburg ( Wümme)
• Das junge Land Niedersachsen und die Heimatbewegung
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Editorial von Wolfgang Dörfler
Die Gründung Rotenburgs im Lichte der Hofgerichtsurteile Kaiser Heinrichs VI. für das Bistum Verden
von Bernd Ulrich Hucker, Vechta
Das Märchen vom „Gevatter Tod“ – ein Exemplum zum Wesen des Arztberufs
von Dieter Richter, Bremen
Sterben und der Beruf des Arztes heute
von Wolfgang Dörfler, Gyhum
Geschichte und Struktur des deutschen Sozialstaatsmodells – am Beispiel der Entwicklung der sozialen Krankenversicherung
von Herbert Rebscher, Gyhum
Der Siebenjährige Krieg 1756-1763 in unserer Region
von Herrmann Hinck, Zeven
L`Art de la Guerre – Die Kriegskunst Reflexionen Friedrichs II. über den Krieg
von Hermann Hinck, Zeven
Das alte Pfarrhaus in Wilstedt – ein Mittelpunkt des Kirchspiels
von Hans-Werner Behrens, Wilstedt
Von Jagd und Fischerei im alten Amt Ottersberg
von Hans-Werner Behrens, Wilstedt
Ziegeleien des 19. Jahrhunderts im Altkreis Rotenburg
von Hartmut Oskar Mensendiek, Bremen
Stabwerksbau in der Heide – Reliktvorkommen in einem Speicher der Heidmark
von Hans-Joachim Turner, Riekenbostel
Ein historisch-archäologisches Stadtkataster im Landkreis Rotenburg (Wümme)
von Stefan Hesse, Rotenburg (Wümme)
Das junge Land Niedersachsen und die Heimatbewegung
von Wolfgang Dörfler, Gyhum
Buchbesprechungen
Nachruf auf den Diplom-Bibliothekar Herrn Hartmut Korzen
Editorial
Der 93. Band der Rotenburger Schriften beginnt mit einem Beitrag zur Gründungsgeschichte der Burg Rotenburg. Welches Thema könnte die Geschichtsfreunde der Region mehr interessieren? Mit Prof. Dr. Bernd Ulrich Hucker hat ein Kenner der mittelalterlichen Überlieferung uns eine fundierte These zu einem doch um einige Jahre später liegenden Gründungsdatum geliefert, als es in der örtlichen Übereinkunft bisher angenommen und in Form der 700- bzw. 800-Jahr Feiern 1895 und 1995 begangen wurde. Interessant sind auch seine Erwägungen zur Namensherkunft der Burg, die ja in der Vergangenheit am häufigstenmit der Ziegelsteinbauweise zusammengebracht wurde. Für das Ende des 12. Jahrhunderts ist aber der Nachweis der Verwendung dieses Materials im Elbe-Weser-Dreieck umstritten, weil nicht ausreichend untersucht, was – neben den im Aufsatz vorgetragenen namenkundlichen Erwägungen – nach einer anderen Deutung suchen lässt.
Als zweiter Aufsatz folgt eine Märcheninterpretation. Die Märchenforschung war ein wichtiges Arbeitsfeld von Dr. Günther Petschel am Institut für Heimatforschung, Anlass für uns, an diesen Zweig der Forschung anzuknüpfen und einen solchen Text abzudrucken. Der emeritierte Bremer Germanistikprofessor Dr. Dieter Richter legt eine Interpretation des grimmschen Märchens vom „Gevatter Tod“ vor, die sein großes historisches Wissen und sein Einfühlungsvermögen in den Beruf des Arztes zeigt. Letzteres rührt sicher auch daher, dass er mit einer Ärztin verheiratet ist. Für mich steht das Märchen, zumal mit den begleitenden Überlegungen des Autors, für einen sehr zentralen Teil des ärztlichen Tuns und so hatte ich 2002 die erste Fassung des Aufsatzes dem Deutschen Ärzteblatt mit der Bitte um Nachdruck vorgelegt – leider ohne Erfolg.
Beim Lesen des Aufsatzes habe ich mich gefragt: Sind Märchen eine Literaturgattung für Kinder, wie es der Titel der bekanntesten dieser Sammlungen suggeriert? Für mich als Kind waren sie erschreckend, und weil mir das Gruseln nicht liegt, auch abschreckend. So habe ich das Anhören oder Lesen gemieden, so gut ich konnte. Dazu haben sicher auch die (subjektiv!) abstoßenden Illustrationen in unserer familiären Märchensammlung beigetragen. Wie vielen Kinder es so gegangen ist wie mir und wie viele dagegen die Märchen liebten und sie gerne hören wollten, ist aber wohl noch nicht untersucht worden. Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der berühmten Sammlung der Gebrüder Grimm, dann war sie ursprünglich ein philologisch-volkskundliches Unterfangen, welches – nach seiner überraschenden Breitenwirkung – schnell in ein pädagogisches Programm mündete: Die Kinder des Bürgertums sollten durch die Märchen bestimmte Normen und Verhaltensregeln beigebracht bekommen. Durch kritische Untersuchungen der aufeinanderfolgenden Auflagender Märchensammlung sind die bedeutsamen Veränderungen und die dahinterstehenden Absichten aufgedeckt worden. Sind Märchen also doch eher etwas für Erwachsene, nämlich solche, die an ihrer Interpretation arbeiten, indem sie den Sammlungshintergrund aufzeigen, Parallelen zu anderen Kulturen ziehen und den psychologisch-kulturellen Kontext ergründen? Jedenfalls sind sie etwas für all die Leser, die der philosophische Gehalt dieser Geschichten zu eigenen Überlegungen anregt, die somit das reizvolle Spiel mit der Spiegelung der eigenen Erfahrungen vor dem Hintergrund der Märchengeschichte spielen mögen. Hat aber im Angesicht heutiger Verhältnisse das Märchen noch einer Aussage für uns zu bieten, ist es logisch und psychologisch stimmig oder nur noch ein Blick zurück in eine vergangene Zeit? Daraus folgt mein Aufsatz mit Überlegungen zum Beruf des Arztes und dem heutigen Umgang mit dem Sterben. Die Öffnung in Richtung philosophisch-ethischer Fragen ist ungewöhnlich für eine historische Zeitschrift, aber, wie ich hoffe, ein lesenswerter Beitrag.
Diesen – das Gesundheitssystem beleuchtenden – Abschnitt des Bandes beschließt der Bundesvorsitzende der DAK – Gesundheit, Professor Dr. h. c. Herbert Rebscher mit einem Aufsatz zur Entwicklung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland, den er uns zuvor als Vortrag präsentiert hatte. Seinen Beitrag verdanken wir seiner Tätigkeit als Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth, wie auch der Tatsache, dass er mit seiner Familie vor einigen Jahren in der Mitte des Landkreises Rotenburg ansässig geworden ist. Knapp und einleuchtend beschreibt er, wie unsere so erfolgreiche Form der Marktwirtschaft erst durch die staatlichen Sicherungssysteme möglich gemacht wurde.
Unser Vorstandsmitglied Dr. Hermann Hinck aus Zeven, hat zwei Beiträge geliefert, die auf seinen Vorträgen zum Jubiläum des 300. Geburtstages Friedrich des Großen im Jahr 2012 basieren. In der Betrachtung des von Friedrich II. verfassten Gedichtes zur Kriegskunst kommen literatur- wie zeitgeschichtliche Aspekte zum Tragen. Im zweiten Aufsatz, der Schilderung des Verlaufs des 7-jährigen Krieges, gelingt dem Autor eine sehr gut lesbare Zusammenfassung dieser komplizierten Vorgänge. Dort ist der europaweite Aspekt neben die bedeutsamen regionalen Ereignisse gestellt, die ja bekanntlich mit der „Convention von Closter Zeven“ endeten. Dieser Beitrag hat die schönsten Abbildungen von allen!
Ebenfalls der regionalen Geschichte verpflichtetsind die beiden Beiträge des Historikers und ehemaligen „Schulmeisters“ Werner Behrens, die er in Erweiterung seiner Wilstedter Ortschronik für die Rotenburger Schriften verfasst hat. Das Wilstedter Pfarrhaus, für das in naher Zukunft wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen, erhält eine bau- wie auch nutzungsgeschichtliche Darstellung, die überwiegend aus unveröffentlichten Quellen des örtlichen Pfarrarchivs geschöpft ist. Jagd und Fischerei im alten Amt Ottersberg erfahren eine differenzierte Beschreibung in seinem zweiten Aufsatz, der ein besonderes Kapitel den Wolfsjagden des 17. bis 19. Jahrhunderts widmet. Wer dazu – auch angesichts des Wiederauftauchens der Wölfe in unserer Region – weiterlesen möchte, dem sei der Aufsatz von Albert Schraube „Der Wolf in Niedersachsen“ (Archiv für Landes und Volkskunde von Niedersachsen Heft 14, 1942) empfohlen. Dieser Autor schöpfte aus Akten, die dann im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Gerd van den Heuvel hat 2004 in seinem Aufsatz „Die Ausrottung eines „gefährlichen Untiers“. Wolfsjagden in Niedersachsen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert“ (Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 76) einen interessanten Aspekt herausgearbeitet: Die Wolfsjagden der frühen Neuzeit wurden von den Landesherren intensiv zur Inszenierung ihrer Fürsorge für die Untertanen genutzt, um andere Herrschaftskonkurrenten – vor allem die adeligen Grundherren – auszustechen. Wie viele Wölfe dabei mit welchem Aufwand tatsächlich erlegt wurden, war zweitrangig.
Eine Besonderheit der regionalen Holzbauweise präsentiert der Fachwerkrestaurator und Architekt Hans-Joachim Turner aus Riekenbostel mit den Holzspeichern der Heide, die konstruktiv der sehr altertümlichen Stabbauweise der norwegischen Kirchen gleichen, sich aber nicht derselben Aufmerksamkeit und des Schutzes erfreuen können, die ihnen wegen ihrer bauhistorischen Bedeutung zukommen sollten.
Von familienkundlichen Studien herkommend berichtet Hartmut Oskar Mensendiek aus Bremen von Ziegeleibesitzern und Ziegeleien im Altkreis Rotenburg des 19. Jahrhunderts und kommt dabei auch auf das Thema der lippischen Wanderarbeiter zu sprechen, von denen einige wenige – darunter auch seine eigenen Vorfahren – in Norddeutschland ansässig wurden.
Unser Kreisarchäologe Dr. Stefan Hesse hat einen Beitrag zu der neuen Darstellungsform des „Stadtkatasters“ verfasst. Mit diesem Informationssystem werden die Befunde von Archäologie, Denkmalpflegeund Archivforschung zusammengebracht und für einen geografischenOrt, hier eine Stadt, übersichtlich dargestellt. Für Bremervörde, wo die Ausgrabungen der letzten Jahre viel Neues an den Tag gebracht haben, ist mit diesem System bereits ein anschauliches Beispiel vorhanden, das aber als ständig zu ergänzendes System der kontinuierlichen Bearbeitung und Aktualisierung bedarf.
Meine Rede anlässlich der Eröffnung des Archivs für Heimatforschung am 3. März 2012 habe ich zu einem Aufsatz ergänzt. Es geht dort um das breite Feld der „Heimatbewegung“ in den vergangenen hundert Jahren mit Blick auf die besondere Situation in Rotenburg.
Abgeschlossen wird der Band durch eine Leserzuschrift, eine Berichtigung zum vorigen Band, mehrere Buchbesprechungen und die Gedichtvorstellung.
Die Layoutarbeiten lagen auch bei diesem Band in den Händen von Frau Katrin Schwarz in Detroit (USA), die voller Geduld unsere Wünsche auch über den At-lantik hinweg umgesetzt hat. Dem PD-Verlag von Dr. Peter Dörsam aus Heidenau danken wir für gute Arbeit und Zusammenarbeit.
Die Herausgabe der Rotenburger Schriften 2013 wurde durch einen Zuschuss des Landschaftsverbandes Stade ermöglicht, dem wir an dieser Stelle nachträglich für seine – im letzten Jahr nicht erwähnte – Unterstützung des Bandes 2012 danken möchten. Weiter war die in Zeven angesiedelte Stiftung der Sparkasse Rotenburg-Bremervörde fördernd tätig sowie der Landkreis Rotenburg, der uns durch eine Festabnahme von Büchern unterstützt. Und schließlich haben auch Sie, soweit Sie Mitglieder unseres Vereins sind, durch ihre Beiträge zur Herausgabe des Bandes wesentlich geholfen. Allen dafür einen herzlichen Dank!
Wolfgang Dörfle
1. Vorsitzender des Vereins der Freunde des Archivs für Heimatforschung