Doneleit / Deiters / Rotsch | Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 380 Seiten

Reihe: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

Doneleit / Deiters / Rotsch Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst

E-Book, Deutsch, 380 Seiten

Reihe: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

ISBN: 978-3-8114-6244-1
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In den vergangenen Jahren hat die gesellschaftliche und rechtspolitische Debatte rund um das Thema Whistleblowing weiter an Fahrt aufgenommen. Dies war bedingt durch die Whistleblowing-Richtlinie der Europäischen Union von 2019 und das darauf basierende Hinweisgeberschutzgesetz. Hierdurch trat erstmals im nationalen Recht ein einheitliches Schutzgesetz zugunsten von Whistleblowern in Kraft.

Gerade die Strafbarkeitsrisiken im öffentlichen Dienst waren bisher im Vergleich zu denen in der Privatwirtschaft nicht vollständig aufgearbeitet worden. In der Arbeit wird der bisherige Forschungsstand unter Bezugnahme auf die Auswirkungen des nationalen Hinweisgeberschutzgesetzes erörtert. Auch weitere grundlegende Fragen, wie beispielsweise zur Reichweite von privilegierungswürdigen Inhalten und zur Person des Whistleblowers, werden unter Berücksichtigung der Besonderheiten des öffentlichen Diensts beantwortet.
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Teil 1 Einleitung
A. Einführung
1 Das Phänomen Whistleblowing ist seit Jahren in Gesellschaft und Medien präsent. Die unüberschaubare Liste bekanntgewordener Fälle, wie unter anderem bei Enron, Siemens oder WorldCom,[1] die Veröffentlichung der sogenannten Panama-Papers[2] sowie die öffentlich in Erscheinung getretenen Personen wie Chelsea Manning, Edward Snowden[3] und Julian Assange, die gemeinhin als „Whistleblower“ bezeichnet werden, prägten die mediale Berichterstattung hierüber. Weitere aktuelle Beispiele in diesem Kontext sind das von der baden-württembergischen Landesregierung im September 2021 eingeführte Melde- und Hinweissystem für Steuerstraftaten[4] oder die als „Facebook- und Wirecard-Whistleblower“ bezeichneten Frances Haugen[5] und Pav Gill[6]. Dabei geht das Meinungsspektrum bezüglich der Akzeptanz und des Nutzens von Whistleblowing weit auseinander. Wahlweise wird Whistleblowing als „Beitrag zur Rechtsdurchsetzung“[7] oder als „pragmatische Privatisierung der Strafverfolgung“[8] angesehen. 2 Alle zuvor Genannten haben dazu beigetragen, dass zunächst geheim gehaltene beziehungsweise unbekannte Informationen über Geschehnisse, die sie als Missstand empfanden, international der Öffentlichkeit bekannt wurden. So hat Edward Snowden durch die Weitergabe von Geheimdienstdokumenten an und deren anschließende Veröffentlichung durch die Presse die weltweite Tätigkeit von US-amerikanischen Geheimdiensten in den Bereichen Spionage und Personenüberwachung aufgezeigt und hierdurch die sogenannte NSA-Affäre ausgelöst. Chelsea Manning und Julian Assange sind dahingegen untrennbar mit der Enthüllungsplattform Wikileaks verbunden. Assange gründete diese Plattform, auf der mithilfe von Manning, einer ehemaligen Soldatin der US-Streitkräfte, unter anderem Videoaufzeichnungen des Beschusses von Zivilisten durch US-amerikanische Soldaten hochgeladen und dadurch abrufbar wurden. 3 In Deutschland prägten besonders zwei Sachverhalte die Diskussion rund um das Whistleblowing. Zum einen handelt es sich um den Fall von Werner Pätsch.[9] Dieser erachtete 1963 als angestellter Mitarbeiter des BfV Abhöraktivitäten hinsichtlich des Post- und Fernmeldeverkehrs dieser Behörde in Kooperation mit den alliierten Geheimdiensten, an denen er teilweise selbst beteiligt war, als nicht mit Art. 10 Abs. 1 GG vereinbar und daher als illegal. Nachdem Werner Pätsch einen Rechtsanwalt hierüber unterrichtete, machte er die Behördenaktivitäten durch Mitteilung an Medienvertreter publik, woraufhin er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Zum anderen sorgte in neuerer Zeit der Fall von Brigitte Heinisch für Aufsehen, die Anfang der 2000er-Jahre als Altenpflegerin, nachdem sie ihren Arbeitgeber auf Mängel in der Pflege und eine nicht ordnungsgemäße Dokumentation von Pflegeleistungen hingewiesen hatte, Strafanzeige wegen Betruges gegen diesen erstattete und nachfolgend gekündigt wurde.[10] 4 Dabei zeigt sich, dass beim Whistleblowing unterschiedliche Interessen kollidieren. Dies betrifft das Interesse einer Behörde oder eines Unternehmens als Betroffener an der Geheimhaltung vertraulicher Informationen sowie das entgegenstehende Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Mitteilungsinteresse des Whistleblowers. Jedoch kann auch der Dienstherr oder Arbeitgeber des Whistleblowers ein Interesse an der Kenntniserlangung der Informationen über einen Missstand haben, von dem er ohne Whistleblowing nicht oder nicht als Erstes erfährt, um den Missstand schnell und gegebenenfalls unauffällig zu beseitigen. Die Beispielsfälle verdeutlichen zudem, dass Whistleblower persönliche und berufliche Folgen in Gestalt von strafrechtlichen Verurteilungen und Kündigungen oder sozialer Missachtung treffen können. Dabei schlägt sich das Spannungsfeld der gegenläufigen Interessen beim Whistleblowing in rechtlicher Hinsicht nieder. Der Whistleblower gerät durch sein Handeln in einen Konflikt mit seiner Verschwiegenheits- und Loyalitätspflicht gegenüber seinem Dienstherrn oder Arbeitgeber. 5 Whistleblowing im öffentlichen Dienst betrifft neben dem Strafrecht das Verfassungs-, Beamten- und Arbeitsrecht. Die gesellschaftliche, politische und rechtliche Relevanz des Themas, die durch bereits ergangene Reformen,[11] politische Reformvorhaben[12] und die durch die EU vorgegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen in Form mehrerer Richtlinien und Verordnungen noch gesteigert wird. B. Abgrenzung des Themas
6 In dieser Untersuchung werden die strafrechtlichen Risiken für Whistleblower im öffentlichen Dienst in den Blick genommen. Dieser Aspekt wurde, trotz der Fülle an Publikationen zu den verschiedenen Teilbereichen des Whistleblowings,[13] bisher nicht umfassend rechtlich aufgearbeitet.[14] Schwerpunkt der strafrechtlichen Abhandlungen zum Whistleblowing war bislang die unbefugte Mitteilung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eines Unternehmens und die sich daraus ergebenden Strafbarkeitsrisiken gemäß § 17 UWG a.F. und § 23 GeschGehG.[15] Die spezifischen Gefahren aus strafrechtlicher Sicht für Whistleblower im öffentlichen Dienst, wie beispielsweise durch § 353b StGB, wurden allenfalls am Rande behandelt. 7 Außer Betracht bleibt dagegen die Rechtsstellung von Europäischen Amtsträgern, die nunmehr in §§ 203 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 353b Abs. 1 Nr. 4 StGB[16] aufgeführt sind, einschließlich des ihre Rechtsstellung präzisierenden EU-Beamtenstatuts[17]. Spezielle Tätigkeitsbereiche im Zusammenhang mit dem öffentlich Dienst, wie etwa der Betrieb einer Stadtwerke GmbH oder andere privatrechtliche Tätigkeiten und Organisationen des Staates und die dahingehend relevanten Vorschriften des Nebenstrafrechts[18] gemäß § 85 GmbHG, § 333 HGB, § 404 AktG, § 151 GenG, § 315 UmwG, werden nicht erörtert, da sich diesbezüglich keine Unterschiede zum privaten Sektor ergeben. Ferner wird aus Kapazitätsgründen auf die Rechtsstellung von Soldaten[19] und auf mögliche Strafbarkeitsrisiken beim Betrieb einer Whistleblowing-Plattform[20] nicht eingegangen, da dieser keine Besonderheit des öffentlichen Dienstes ist. C. Ziel und Gang der Untersuchung
8 Ziel der Untersuchung ist es, die strafrechtlichen Risiken beim Whistleblowing im öffentlichen Dienst zu ermitteln, sie aufzuarbeiten und zu bewerten. Dabei ist insbesondere auf die Wahrung von Einzelfallgerechtigkeit, sowie die Rechtssicherheit und Praktikabilität der strafrechtlichen Situation für Whistleblower im öffentlichen Dienst zu achten. Hierdurch soll geklärt werden, ob die in der Vergangenheit vielfach als unsicher empfundene, rechtliche Situation für Whistleblower reformbedürftig ist.[21] 9 Dafür sind im zweiten Teil die Grundlagen des Whistleblowings im öffentlichen Dienst zu erörtern. Dies bedarf zunächst einer terminologischen Annäherung an die Begriffe des Whistleblowings und des öffentlichen Dienstes. Hierbei ist auch auf die in neuerer Zeit im europäischen und nationalen Recht verwendeten Begriffe des Hinweisgebers und der hinweisgebenden Person einzugehen. Anschließend wird anhand der europa-, verfassungs- und einfachrechtlichen Rechtslage herausgearbeitet, unter welchen Voraussetzungen Whistleblowing im öffentlichen Dienst bereits jetzt möglich oder gefordert ist. Entscheidend ist dabei der jeweilige Rechte- und Pflichtenkreis der im öffentlichen Dienst Tätigen im Verhältnis zu den anderen, in einen Whistleblowing-Vorgang involvierten Personen oder Organisationen. Auf Ebene des Europarechts ist besonders auf die WB-RL der EU und die Rechtsprechung des EGMR zur EMRK einzugehen. Zudem wird die Umsetzung der WB-RL durch das im Sommer 2023 in Kraft getretene Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz) bezüglich seiner strafrechtlichen Auswirkungen analysiert. 10 Im dritten Teil werden die strafrechtlichen Risiken für Whistleblower im öffentlichen Dienst ermittelt. Neben dem Akt der Informationsmitteilung wird auch die Informationsbeschaffung betrachtet, da dadurch weitere Straftatbestände erfüllt sein können. Außerdem ist zu erwägen, ob durch Whistleblowing im öffentlichen Dienst andere Straftatbestände, die bestimmte Umgangsformen mit Informationen, wie etwa deren Verwertung, unter Strafe stellen, einschlägig sind. Abschließend werden die strafrechtlichen Folgen der Nichtvornahme einer Whistleblowing-Handlung im öffentlichen Dienst untersucht. Daneben werden überblicksartig weitere rechtliche und nichtrechtliche Folgen für Whistleblower im öffentlichen Dienst erwogen. Diese können in Gestalt von beamtenrechtlichen Disziplinarmaßnahmen,...


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