Bei den im vorliegenden Tagungsband handelt es sich um eine illuminierte Handschrift ersten Ranges. Ihre Wurzeln und ihre Tradition liegen noch im Dunkeln, was die Zuordnung der Texte und Miniaturen sowie der reich geschmückten Initialen bisher schwer bis unmöglich erscheinen ließ. Erstmals wurden in vorliegendem Band Schritte unternommen, der Bedeutung der Handschrift näher zu kommen. Ging man einerseits davon aus, dass es sich um ein Rechtsbuch handeln könne, so wurde hier die Frage gestellt, warum ein König ein solches Buch in der Art einer Hofordnung gestalten ließ. Die Prachthandschrift weist unter anderem Ähnlichkeiten mit späteren Zeremonialbüchern auf, die ihrerseits nicht nur das Hofleben selbst regeln sollten, sondern unter anderem genaue Handlungsanweisungen enthielten. Der Duktus der Texte wie der Illustrationen macht deutlich, dass es nicht nur auf das ‚Was‘ ankam, sondern in verstärktem Maß auf das ‚Wie‘. Die Handlungskompetenz der Adligen am reichen königlichen Hof erinnert somit an ein Soziogramm, wie man sich am Hof begegnen, was man tun durfte und was nicht – vor allem aber wurden die Handlungen genau charakterisiert.
Auf diese Weise erhalten wir nicht nur ein gutes Bild der Organisation des königlichen Hofes und der Art, wie der König die Adligen an sich zu binden wusste. Mehr noch entfaltet die Interpretation von Text und Bild das Ideal einer Hofgesellschaft des 14. Jahrhunderts und der Folgezeit, da auch die Nachwirkungen der Leges palatinae thematisiert werden.
Ob diese Bindungen, deren Ende jene Aktionen und Festlegungen waren, wie wir sie aus den Berichten über den Hof König Ludwigs XIV. von Frankreich kennen, rechtlich tradierte Normen oder Übernahmen aus dem byzantinischen Zeremoniell waren, wird ebenso thematisiert wie deren Verbildlichung – selbstverständlich im historischen Kontext früherer ähnlicher Manuskripte. Denn dass ein Herrscher einige Jahre vor seiner Entmachtung und seinem Tod bei seiner Flucht eine Handschrift mit sich führt, die er dem (französischen) König sogar zum Geschenk beim Ersuchen um Hilfe gegen den aragonesischen Vetter machte, scheint historisch singulär zu sein. Es unterstreicht einmal mehr die Bedeutung dieser katalanischen Handschrift, die das burgundische Zeremoniell beerbte und deren Provenienz neuerdings Ulrike Bauer-Eberhardt beweisen konnte.
Drossbach / Kerscher
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Prof. Dr. Gisela Drossbach
wurde 1993 mit einer Arbeit über den Regensburger Kleriker Konrad von Megenberg promoviert und habilitierte sich über das römische Hospital von Santo Spirito in Sassia sowie dessen illuminierte Ordensregel. Weitere Etappen ihrer Forschung sind die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Statuten sowie die Genese des päpstlichen Dekretalenrechtes. Sie lehrt bayerische und schwäbische Landesgeschichte/Mittelalter an der Universität Augsburg.
Prof. Dr. Gottfried Kerscher
wurde 1985 promoviert, forschte in Florenz, Rom, Avignon, Barcelona und auf den Balearen. Sein Buch über den spätmittelalterlichen Palastbau in Frankreich, Spanien und Italien aus dem Jahr 2000 brachte ihn mit der Blüte der mallorquinischen Palastbaukunst und dem darin stattfindenden Zeremoniell in Berührung. Er lehrt Kunstgeschichte des Mittelalters an der Universität Trier.
Professor Gisela Drossbach
obtained her doctorate in 1993 with a thesis about the clergy Konrad von Megenberg from Regensburg and habilitated with a thesis about the Roman hospital of Santo Spirito in Sassia and its illuminated rules of the order. Further stages in her research are Medieval and Early Modern statutes and the genesis of pontifical decretal law. She teaches Bavarian and Swabian regional history/Middle Ages at University Augsburg.
Professor Gottfried Kerscher
obtained his doctorate in 1985, did research in Florence, Rome, Avignon, Barcelona, and on the Balearic Islands. His book about Late Medieval palace building in France, Spain, and Italy, from the year 2000, exposed him to the prime of Majorcan palace architecture and the ceremony taking place inside. He teaches art history of the Middle Ages at University Trier.