E-Book, Deutsch, 906 Seiten
Egle / Heim / Strauß Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert
2. erweiterte und überarbeitete Auflage 2024
ISBN: 978-3-17-041386-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Lehr- und Handbuch
E-Book, Deutsch, 906 Seiten
ISBN: 978-3-17-041386-3
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neue Erkenntnisse in der Neuro- und Molekularbiologie, der Epigenetik und Entwicklungspsychologie sowie der Psychotherapie- und der Stressforschung haben zu einem weitreichenden Paradigmenwechsel in der Psychosomatischen Medizin geführt.
Dieses Lehr- und Handbuch bietet in 100 Kapiteln zunächst eine aktuelle Bestandsaufnahme der wissenschaftlich gesicherten bio-psycho-sozialen Grundlagen dieser neuen Psychosomatik, um darauf aufbauend die Diagnostik und Therapie der wichtigsten psychosomatischen Erkrankungen umfassend darzustellen. Ergänzt wird dies durch Beiträge zur Geschichte der Psychosomatik, Epidemiologie, Gesundheitsökonomie, psychosozialen Prävention, Sozialmedizin und Begutachtung. Die 2. Auflage wurde um Kapitel zu assoziativen Lern- und Gedächtnisprozessen, PTBS, Diabetes mellitus Typ 2, Asthma, COPD, funktionellen Atemwegserkrankungen sowie Placebo- und Nocebo-Effekten erweitert.
Dieser umfassende, systematische und empirisch fundierte Überblick über die gesamte Psychosomatik hat sich als modernes Standardwerk für das Studium, die Aus- und Weiterbildung sowie die klinische Praxis etabliert.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort zur 2. Auflage
Psychosomatik 4.0 – Das bio-psycho-soziale Modell revisited
Die 1. Auflage unseres Lehr- und Handbuchs, die im Juni 2020 erschien, fand vermutlich auch aufgrund der konsequent neurobiologischen und evidenzbasierten Ausrichtung großes Interesse und war bereits nach einem Jahr vergriffen, so dass ein Nachdruck erforderlich war und bereits die Planung für die jetzt vorgelegte 2. Auflage begann. Diese 2., erweiterte und überarbeitete Auflage beinhaltet nun zusätzliche Kapitel zu den Themen: Placebo- und Nocebo-Effekte, Atemwegserkrankungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Typ-2-Diabetes sowie assoziative Lern- und Gedächtnisprozesse. Einige bereits vorhandene Kapitel wurden von anderen Autorengruppen vollständig neu konzipiert. Insgesamt wurden alle Beiträge auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht und jeweils durch zusammenfassende Kernaussagen zu Beginn des jeweiligen Kapitels ergänzt. Vor dem Hintergrund der Gender-Diskussion haben wir versucht, einen guten Kompromiss zu finden: Neben geschlechtsneutralen Bezeichnungen sowie der aufgrund einer besseren Lesbarkeit stellenweise verwendeten generisch maskulinen Form, die jedoch auf Personen jedweden Geschlechts bezogen ist, verwenden wir bei Patientinnen und Patienten durchgehend die weibliche und die männliche Form, zumal die Mehrheit der Patientinnen und Patienten in der Psychosomatik weiblich sind. Übergeordnetes Ziel des Buchs bleibt weiterhin, den weitreichenden Wissenszuwachs im Bereich der Psychosomatischen Medizin umfassend abzubilden, der im Hinblick auf vorausgegangene metapsychologische Annahmen fast schon den Charakter eines Paradigmenwechsels hat. Wesentlich dazu beigetragen hat eine enorme Zahl wissenschaftlicher Erkenntnisse etwa in der neurobiologischen und molekularbiologischen Grundlagenforschung, der Epigenetik, Bindungs- und Säuglingsforschung sowie der Stressforschung. Dadurch wurden jene bio-psycho-sozialen Wechselwirkungen, die der amerikanische Internist, Psychiater und Psychoanalytiker G. L. Engel als Basis eines »neuen medizinischen« Krankheitsmodells propagierte (Engel 1977, 1997) und auf das sich die Psychosomatische Medizin seither bezieht, mehr und mehr empirisch belegt. Dieser Paradigmenwechsel hat auch Konsequenzen für die klinische Praxis in Diagnostik und Therapie. Leider werden bisher in der Ausbildung von Ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell und die damit zusammenhängenden Implikationen nur selten hinreichend berücksichtigt. Es gab in der Geschichte der Psychosomatik vielerlei Strömungen und oft in Verbindung mit spezifischen Psychotherapieverfahren (speziell psychodynamischen und verhaltenstherapeutischen) tradierte Modelle, an denen noch festgehalten wird – vielleicht, weil ihr Verständnis einer körperlichen Symptombildung und deren Behandlung konzeptuell erheblich weniger komplex ist als moderne Konzeptionen: – Das psychoanalytische Modell, ideengeschichtlich sicher das erste wissenschaftliche Modell der Psychosomatik, verstand das Auftreten körperlicher Beschwerden in erster Linie als »Konversion« nicht lösbarer intrapsychischer Konflikte vom Seelischen ins Körperliche. Später wurde es um ein Verständnis körperlicher Beschwerden als Affektkorrelat vor dem Hintergrund einer vermeintlichen affektiven Agnosie (»Alexithymie«) ergänzt. Für die Therapie bedeutet dies, die emotionale Wahrnehmungs- und Reflexionsfähigkeit zu verbessern, um dadurch den Patienten in die Lage zu versetzen, seine intrapsychischen Konflikte zu erkennen und sie lösen zu können. Allerdings wurde, wie Freud selbst es ausdrückte, der »rätselhafte Sprung aus dem Seelischen ins Körperliche« nur marginal verstanden. Freud war die zeitliche Begrenztheit seiner metapsychologischen Konzepte durchaus bewusst. Vor genau 100 Jahren schrieb er in »Jenseits des Lustprinzips«: »Die Mängel unserer Beschreibungen würden wahrscheinlich verschwinden, wenn wir anstatt der psychologischen Termini bereits die physiologischen und chemischen einsetzen könnten […] Die Biologie ist wahrlich ein Reich der unbegrenzten Möglichkeiten, wir haben die überraschendsten Aufklärungen von ihr zu erwarten und können nicht erraten, welche Antworten sie auf die von uns an sie gestellten Fragen einige Jahrzehnte später geben würde. Vielleicht gerade solche, durch die unser ganzer künstlicher Bau von Hypothesen umgeblasen wird« (Freud 1920, S. 63/64). – Das behaviorale Modell wurde später in der Verhaltensmedizin realisiert und auf beobachtbares Verhalten im Umgang mit körperlichen Beschwerden übertragen. Um Veränderungen zu bewirken, ist es dabei nicht unbedingt erforderlich, deren Ursachen zu verstehen. In der Therapie steht insofern eine bessere Bewältigung (Coping) der körperlichen Symptome im Mittelpunkt (z.?B. Stressmanagement, Problemlösetraining, Schmerzbewältigungstraining, Tinnitustraining). – Die Psychobiologie (einschließlich der Psychophysiologie, Psychoneuroendokrinologie und Psychoneuroimmunologie und der Neurowissenschaften) hat sich sicherlich sehr viel vertiefter mit körperlich-seelischen Zusammenhängen befasst als die beiden anderen Richtungen, indem sie sich mit den Interaktionen zwischen psychischen Vorgängen (Emotionen) und basalen körperlichen Funktionen (Blutdruck, Hormone, vegetatives Nervensystem, Immunsystem) und neuronalen Mechanismen auseinandersetzte. Im Mittelpunkt standen dabei aber vornehmlich Stressreaktionen, Entspannung, Erholung und Schlaf. Für die darauf basierende Therapie steht die Durchführung von Entspannungsverfahren (z.?B. Progressive Relaxation, Biofeedback) im Vordergrund, um darüber die Balance zwischen (vegetativer) Anspannung und Entspannung besser zu regulieren. Das vorliegende Hand- und Lehrbuch Psychosomatik hat sich zum Ziel gesetzt, die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrer Komplexität so aufzuarbeiten, dass sie noch mehr in der Breite der Versorgung ankommen und dort auf tradierten Krankheitsmodellen basierende Psychotherapie-Schulen ablösen und damit die Basis für die Entwicklung von neuen und noch wirksameren Behandlungskonzepten legen. Wir sehen in einer neurobiologisch fundierten, evidenz-basierten Psychosomatik ein neues Modell, das wir in der Reihe der o.?g. als eine »Psychosomatische Medizin 4.0« bezeichnen. Alle vier Herausgeber haben jahrzehntelange Erfahrung in der universitären Lehre und fühlen sich in ihrer beruflichen Identität einem evidenzbasierten Handeln auf der Basis der Ergebnisse sorgfältig durchgeführter wissenschaftlicher Studien verpflichtet. Zwei von ihnen (Christine Heim, Bernhard Strauß) sind Psychologin bzw. Psychologe und leiten forschungsaktive und klinisch orientierte universitäre Abteilungen für Med. Psychologie bzw. Psychosoziale Medizin (welche die Psychosomatik einschließt), die beiden anderen (Ulrich T. Egle, Roland von Känel) haben einen ärztlichen Hintergrund (Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Innere Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie) mit breiter Erfahrung in der (evidenzbasierten) Patientenversorgung, klinischen Grundlagenforschung sowie anwendungsorientierten Forschung. Synergieeffekte vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen boten die Voraussetzung für die Konzeption und Umsetzung der Anliegen dieses Buchs. Das vorliegende Werk möchte besonders die jüngere Generation von Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen und Psychologen und weiteren an der Psychosomatik interessierten Personen ansprechen, welche sich in ihrem Studium zumindest teilweise mit den Erkenntnissen der Grundlagenforschung auseinandergesetzt haben und diese in ihrer beruflichen Tätigkeit anwenden und umsetzen möchten. Gleichzeitig beinhaltet das Buch eine umfassende wissenschaftliche Bestandsaufnahme unseres Fachs, das in Deutschland seit 30 Jahren eine eigenständige Facharzt-Disziplin ist und noch länger an den meisten deutschsprachigen Universitäten gut etabliert ist. Das Buch zeigt auch bestehende Forschungsdesiderate für die kommenden Jahre auf, zu denen sicher eine noch tiefere Beachtung der sozialen Aspekte des bio-psycho-sozialen Modells sowie daraus resultierender Präventionsmaßnahmen gehört. Unser Anspruch spiegelt sich auch in der Gesamtkonzeption des Buchs wider: Die ersten 20 Kapitel (Teile I und II) sind – nach einer wissenschaftlichen Überprüfung des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells (? Kap. 1) und einem historischen Abriss zur Entwicklung der Psychosomatik (? Kap. 2) – den Erkenntnissen der Grundlagen- (? Kap. 3–12) sowie translationalen (? Kap. 13–20) Forschung für psychosomatische Zusammenhänge gewidmet. Teil III beinhaltet 57 Kapitel zu unterschiedlichen Krankheitsbildern (? Kap. 21–43.2), bei denen bio-psycho-soziale Zusammenhänge in der Pathogenese und/oder im Krankheitsverlauf heute als besonders gut gesichert gelten können. Bei diesen Krankheitsbildern ist fast durchgehend zunächst ein Kapitel zu den jeweiligen Erkenntnissen von Grundlagen- und translationaler Forschung hinsichtlich bio-psycho-sozialer Zusammenhänge in der Pathogenese vorangestellt, d. h. es wird ein störungsspezifischer Bezug zur Grundlagenforschung hergestellt. Die sich daran jeweils anschließenden Kapitel zum Krankheitsbild sind fast durchgehend im Stil eines Lehrbuchs gegliedert. Es folgen vier Kapitel (? Kap. 44–47) zur Diagnostik (Teil IV), bevor im Teil V die wesentlichen psychosomatischen Therapieansätze und deren Umsetzung in der Versorgung in Deutschland dargestellt werden...