Elzer Kommunikative Kompetenzen in der Physiotherapie
1., Auflage 2009
ISBN: 978-3-456-94730-3
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Lehrbuch der Theorie und Praxis verbaler und nonverbaler Interaktion
E-Book, Deutsch, 312 Seiten
ISBN: 978-3-456-94730-3
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Kranke und behinderte Menschen sind auf professionelle und fähige Gesprächspartner angewiesen. Daher vermittelt dieses Lehrbuch Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen die Theorie und Praxis der verbalen und nonverbalen Interaktion. Es hilft ihnen, in Ausbildung, Weiterbildung, Studium und täglicher Praxis professionelle Gesprächsfähigkeiten im Umgang mit Patienten zu erwerben sowie vorhandene Kompetenzen bewusster anzuwenden und zu reflektieren. Aus dem Inhalt: I. Theoretische Grundlagen kommunikativer Kompetenzen in der Physiotherapie Sprache und Professionalität in der Physiotherapie Das Thema Kommunikation in der Aus-, Weiterbildung und Fachliteratur der Physiotherapie Einführung in die Kommunikationswissenschaften - Was ist Kommunikation und was sind kommunikative Kompetenzen? Menschliche Kommunikation und ihre Bezugswissenschaften Vier wissenschaftliche Konzepte der therapeutischen Gesprächsführung: Psychoanalyse, Lerntheorie, Humanistische Psychologie, Kommunikationstheorie Kommunikation in Gruppen Interkulturelle Kommunikation Setting und professionelle therapeutische Beziehung II. Zur Praxis kommunikativer Kompetenzen in der Physiotherapie Techniken der Gesprächsführung Verbatimprotokoll eines Erstgesprächs in der Physiotherapie Vereinbarungen von Therapiezielen in der Physiotherapie Die 'Parakommunikation' während der physiotherapeutischen Behandlung Nonverbale Kommunikation - Eine klinische Vignette Kommunikation mit Kleinkindern Kommunikation mit 'schwierigen' Patienten Interaktion mit chronischen Schmerzpatienten Kommunikation und Interaktion mit behinderten Patienten Beratung in der Physiotherapie Erwerb kommunikativer Kompetenzen in der Physiotherapie Interdisziplinäre Zusammenarbeit am Beispiel 'Die Kapitel sind theoretisch und wissenschaftlich fundiert und didaktisch gut aufbereitet. à Fazit: Dieses Buch ist der Leitfaden für kommunikative Kompetenzen, nicht nur für die tägliche Praxis und die Überarbeitung aktueller Curricula in der Aus- und Weiterbildung, sondern auch als Bestandteil in den Bibliotheken von Lehreinrichtungen für Gesundheitsberufe.' Physiopraxis '.Beachtenswert sind zudem Überlegungen zur interkulturellen Kommunikation und zum Einfluss des Setting auf das Gelingen, bzw. Misslingen einer therapeutischen Beziehung. ein gut lesbares,informatives und praxisrelevantes Werk.' Der Schmerz 'Fazit: Ein lesenswertes, leicht zu lesendes Buch mit komprimiert und informativ aufgebauten Kapiteln.' pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten
Zielgruppe
Physiotherapie, Körpertherapie
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Vorwort und Danksagung;14
3;Didaktische Struktur des Buches;18
4;Teil I Theoretische Grundlagen kommunikativer Kompetenzen in der Physiotherapie;20
5;1 Sprache und Professionalität in der Physiotherapie;22
5.1;Sprachlosigkeit und rechtlicher Status der Physiotherapie;23
5.2;Sprache und Professionalisierung;25
5.2.1;Profession;26
5.2.2;Professionalisierung;27
5.2.3;Professionalität (Handlungsebene);27
5.3;Zusammenfassung;28
6;2 Kommunikation in der Aus-, Weiterbildung und deutschsprachigen Literatur;30
6.1;Kommunikative Kompetenzen in der Ausbildung;30
6.1.1;Eine Untersuchung zur kommunikativen Kompetenz in der Physiotherapieausbildung in Deutschland;31
6.1.2;Ergebnisse der Untersuchung;32
6.1.3;Diskussion;36
6.2;Kommunikative Kompetenzen in der Weiterbildung;37
6.2.1;Einleitung;37
6.2.2;Fragestellung, Stichprobe, Fragebogen;38
6.2.3;Ergebnisse;39
6.2.4;Diskussion;41
6.3;Das Thema Kommunikation in der deutschsprachigen physiotherapeutischen Fachliteratur;42
6.3.1;Einleitung;42
6.3.2;Die Suchstrategie;43
6.3.3;Die Ergebnisse;43
6.4;Diskussion;47
7;3 Einführung in die Kommunikationswissenschaften;48
7.1;Was ist Kommunikation?;50
7.1.1;Das Sender-Empfänger-Modell der dialogischen Kommunikation;51
7.1.2;Definitionen von Kommunikation und Interaktion;53
7.1.3;Kommunikation;56
7.1.4;Kommunikationsmissverständnisse;56
7.1.5;Kommunikation und Bezug zum physiotherapeutischen Handeln;57
7.1.6;Verbale und nonverbale Kommunikation;57
7.1.7;Körperkontakt und Distanzzonen in der Physiotherapie;59
7.2;Was sind Kompetenzen?;61
7.2.1;Definition: Kompetenz;61
7.2.2;Sind Kompetenzen «angeboren» oder erlernbar?;62
7.2.3;Kompetenz;62
7.2.4;Die professionelle Handlungskompetenz und die vier Basiskompetenzen;63
7.3;Was sind kommunikative Kompetenzen?;66
7.3.1;Die Ebene der kommunikativen Kompetenzen;67
7.3.2;Eine Ethik der Patientenkommunikation;68
7.3.3;Kommunikative Kompetenzen;69
7.3.4;Zum Erwerb kommunikativer Fähigkeiten;70
7.3.5;Verschiedene Niveaus der kommunikativen Kompetenz;70
7.3.6;Nachtrag: «Schlüsselqualifikationen», «Soft Skills», «Tools»;70
7.4;Zusammenfassung;71
8;4 Menschliche Kommunikation und ihre Bezugswissenschaften;74
8.1;Anthropologische Aspekte der Kommunikation;74
8.1.1;Das Begrüßungsritual;75
8.1.2;Sprechen und Sprache;75
8.2;Soziologische Aspekte der Kommunikation;76
8.2.1;Soziolinguistik: Sprache und Macht;76
8.2.2;Die informierte Gesellschaft: Information, Gesellschaft und Weltpolitik;77
8.2.3;Der mündige Patient: Partizipation und Kommunikation;78
8.3;Psychologische Aspekte der Kommunikation;80
8.3.1;Wahrnehmung und Kommunikation;80
8.3.2;Bewusstsein und Kommunikation;83
8.3.3;Entwicklung und Kommunikation;84
8.4;Zusammenfassung;87
9;5 Vier wissenschaftliche Konzepte der therapeutischen Gesprächsführung;88
9.1;Der Beitrag der Psychoanalyse zur Kommunikation;89
9.1.1;Das Unbewusste;90
9.1.2;Die Regression des Patienten;92
9.1.3;Die Übertragung;93
9.1.4;Die Gegenübertragung des Therapeuten;96
9.1.5;Die Asymmetrie der professionellen Gesprächssituation;99
9.1.6;Der Nutzen der Psychoanalyse für die Kommunikation;99
9.2;Der Beitrag der Lerntheorie zur Kommunikation;100
9.2.1;Lernen;100
9.2.2;Eine «Warnung» in eigener Sache;102
9.2.3;Der Behaviorismus;103
9.2.4;Anwendung der Konditionierung in der Desensibilisierung;107
9.2.5;Spiegelneurone – Empathie – Vorbildfunktion;108
9.2.6;Der Kognitivismus;108
9.2.7;Behaviorismus, Kognitivismus und die Kommunikation;110
9.2.8;Der Nutzen der Lerntheorie für die Kommunikation;113
9.3;Der Beitrag der Humanistischen Psychologie zur Kommunikation;113
9.3.1;Die Klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers;114
9.3.2;Einschätzung und Zusammenfassung;120
9.4;Der kommunikationstheoretische Beitrag;121
9.4.1;Anmerkungen zum systemtheoretischen Ansatz;121
9.4.2;Der konstruktivistische Ansatz;122
9.4.3;Die menschliche Kommunikation nach Paul Watzlawick;123
9.4.4;Kritische Zusammenfassung;133
9.4.5;Angewandte Kommunikationstheorie: Das Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun ( 1981, 2007);135
10;6 Kommunikation in Gruppen;140
10.1;Kommunikation als Mehrpersoneninteraktion;141
10.1.1;Gruppendynamische Grundbegriffe;141
10.1.2;Das Verhältnis von Individuum und Gruppe zueinander;142
10.1.3;Zur Entstehung von Gruppen;143
10.1.4;Rollen und Strukturen in der Gruppe;144
10.1.5;Regression und Suggestibilität in Gruppen und Massen;148
10.1.6;Kommunikation in Klein- und Großgruppen;149
10.2;Gruppenarbeit mit der Moderationsmethode;150
10.3;Zusammenfassung;151
11;7 Interkulturelle Kommunikation;152
11.1;Das Fremde und die Kommunikation;152
11.2;Interkulturelle Kommunikation mit Migranten;154
11.2.1;Migration in Deutschland;154
11.2.2;Generationen, Assimilation und Integration;155
11.2.3;Gesundheitsrisiken und spezifische Barrieren;156
11.2.4;Interkulturelle Kompetenz in der Physiotherapie;158
11.3;Zusammenfassung;159
12;8 Setting und professionelle therapeutische Beziehung;160
12.1;Definition: Setting;160
12.2;Wesen und Ethik der therapeutischen Beziehung;161
12.2.1;Vertraulichkeit und Datenschutz;162
12.3;Patientenorientierung versus Krankheitsorientierung;163
12.4;Die Bedeutung der personalen Beziehung in der Therapie;164
12.4.1;Die körpernahe Beziehung in der Physiotherapie;165
12.4.2;Der Therapeut als Teil eines «ideellen Gesamttherapeuten»;165
12.4.3;Problem Therapeutenwechsel;166
12.4.4;Therapeutische Beziehung als «Kundenbeziehung»;166
12.4.5;Therapeutische Beziehung als «Klientenbeziehung»;167
12.5;Persönlichkeitsstile und Kommunikation;168
12.6;Die partnerschaftliche Grundhaltung in der Physiotherapie;171
12.7;Die Asymmetrie der therapeutischen Beziehung;173
12.8;«Para-Kommunikation» und professionelle Kommunikation;173
12.9;Zusammenfassung;175
13;Teil II Zur Praxis kommunikativer Kompetenzen in der Physiotherapie;176
14;9 Techniken der Gesprächsführung;178
14.1;Techniken und Setting;178
14.1.1;Ethische Aspekte der Gesprächstechnik;179
14.2;Einzelne Gesprächstechniken;180
14.2.1;Offenes Gespräch versus Befragung;181
14.2.2;Befragung, Exploration;181
14.2.3;Zuhören, aktives Zuhören;184
14.2.4;Pausen und Schweigen im Gespräch;186
14.2.5;Paraphrasieren oder Spiegeln;187
14.2.6;Inhalte ansprechen;187
14.2.7;Emotionale Inhalte ansprechen;188
14.2.8;Nonverbales Verhalten ansprechen;189
14.2.9;Konfrontieren;189
14.2.10;Sondieren;190
14.2.11;Klarifizieren;190
14.2.12;Deuten;191
14.3;Innere Struktur eines Gesprächsverlaufs: Der «Dreischritt»;191
14.4;Gesprächsführung in einer Erstuntersuchung;193
14.5;Schlussbemerkung;194
15;10 Transkription einer Erstuntersuchung in der Physiotherapie;196
15.1;Vorbemerkung;196
15.2;Ein Beispiel aus der Praxis: Verbatimprotokoll einer Erstuntersuchung;197
15.3;Graphische Darstellung der Gesprächsstruktur;207
16;11 Vereinbarungen von Therapiezielen in der Physiotherapie;208
16.1;Ziele und Partizipation;208
16.2;Theoretische Grundlagen von Zielsetzungsvereinbarungen;209
16.2.1;Strukturelle Ebene von Zielsetzungskriterien;210
16.3;Kriterien der Zielsetzung auf der Beziehungsebene;212
16.3.1;Prozesskriterien für Partizipationsebene;212
16.3.2;Mittel zur partnerschaftlichen Beziehungsgestaltung;213
16.4;Umsetzung in die Praxis;215
16.4.1;Frage nach dem;217
16.4.2;Im Anschluss daran kann die;217
16.4.3;erfolgen.;217
16.4.4;Frage nach dem;217
16.4.5;Ein klinisches Beispiel;217
16.4.6;Befund;218
16.4.7;Zielvereinbarung;219
17;12 Nonverbale Kommunikation und Interaktion – Eine klinische Vignette;222
17.1;Einleitung;222
17.2;Eine klinische Vignette;224
17.2.1;Lilly, 17 Monate; Diagnose des Kinderarztes: Entwicklungsverzögerung;224
17.3;Schlussbemerkung;226
18;13 Zur Kommunikation mit "schwierigen" Patienten;228
18.1;Was heißt «schwierig»?;228
18.2;Schwierigkeiten auf der Ebene Patient;229
18.2.1;Die Krankheit und das Kranksein;229
18.2.2;Komorbidität mit seelischen Störungen;230
18.2.3;Die Persönlichkeit des Patienten;232
18.3;Schwierigkeiten auf der Ebene Krankheit;233
18.3.1;Krankheitsorientierung versus Patientenorientierung;233
18.4;Schwierigkeiten auf der Ebene Physiotherapeut;234
18.5;Schwierigkeiten auf der Ebene der Institution;235
18.6;Schwierigkeiten auf der Ebene Arzt;236
18.6.1;Interdisziplinäre Kommunikation;236
18.7;Schwierigkeiten auf der Ebene Gesundheitssystem;236
18.8;Umgang mit Konflikten;237
18.8.1;Methoden der Konfliktlösung;237
18.9;Schlussbemerkung;238
19;14 Zur Interaktion mit chronischen Schmerzpatienten;240
19.1;Einleitung;240
19.2;Das Problem des nicht spezifischen chronischen Rückenschmerzes;241
19.3;Einfluss von Kognition und Emotionen auf die Beschwerden;242
19.4;Einfluss der Einstellung des Therapeuten;244
19.5;Möglichkeiten, einige Störfaktoren aufzudecken;246
19.6;Fazit;249
20;15 Kommunikation und Interaktion mit behinderten Patienten;250
20.1;Einleitung;250
20.2;Was ist Behinderung?;250
20.3;Kommunikation und Interaktion mit Behinderten in der Physiotherapie;252
20.3.1;Einige Empfehlungen für den therapeutischen Umgang;252
20.4;Die Haltung des Physiotherapeuten;255
20.5;Eine Aufgabe der Physiotherapieausbildung;256
21;16 Beratung in der Physiotherapie;258
21.1;Was ist Beratung?;258
21.2;Beratung von Patienten;259
21.2.1;Beratungsthemen in der Physiotherapie;261
21.2.2;Formen von Beratung;261
21.2.3;Physiotherapeutisches Selbstverständnis;263
21.2.4;Der Prozess der Beratung;265
21.2.5;Vorbereitung eines Beratungsgesprächs;266
21.2.6;Ablauf eines Beratungsgesprächs;266
21.2.7;Nachbereitung eines Beratungsgesprächs;268
21.2.8;Störfaktoren und Grenzen von Beratung;268
21.3;Beratung unter Kollegen;269
21.3.1;Die Methode der «Kollegialen Beratung»;270
21.3.2;Fallbezogene Teambesprechung;272
21.3.3;Grenzen der Beratung im Team und der interdisziplinären Beratung;272
22;17 Zum Erwerb kommunikativer Kompetenzen in der Physiotherapie;274
22.1;Methoden des Kompetenzerwerbs;274
22.2;Übung am «standardisierten Patienten»;275
22.3;«Objective Structured Clinical Examination» (OSCE);275
22.4;Zur Problematik des Rollenspiels;277
22.5;Der reale Patient;278
22.6;Feedback und Reflexion;279
22.7;Zusammenfassung der Methoden;279
22.8;Der Erwerb kommunikativer Kompetenzen am Beispiel des Physiotherapie- Studiums in Fulda/ Marburg;280
22.8.1;Theoretische Grundlagen zum Erwerb kommunikativer Kompetenzen;280
22.8.2;Praktische Übungen zum Erwerb kommunikativer Kompetenzen;283
22.8.3;Weiterentwicklung kommunikativer Kompetenzen nach dem Studium;285
22.9;Schlussbemerkung;286
23;18 Interdisziplinäre Zusammenarbeit – am Beispiel «Gesundheitszentrum Böttgerstraße, Frankfurt»;288
23.1;Das Konzept und seine Modifikationen;288
23.2;Interdisziplinäre Zusammenarbeit;289
23.3;Schlussbetrachtung;290
24;Literaturverzeichnis;292
24.1;Weiterführende Internetadressen;302
25;Autorenverzeichnis;303
26;Sachwort- und Personenverzeichnis;307
12 Nonverbale Kommunikation und Interaktion – Eine klinische Vignette (S. 221-222)
Ute Guckes-Elzer
12.1 Einleitung
Zu mir als Physiotherapeutin mit Bobath-Ausbildung kommen Babys schon im Alter von wenigen Wochen oder Kleinkinder mit den Diagnosen Hypertonus, Hypotonus, Kopfschiefhaltung, Skoliose-Verdacht, motorische Entwicklungsverzögerung, Verdacht auf Spastizität etc. Meine wichtigste Aufgabe ist es zu sehen, ob es sich um eine zerebral bedingte motorische oder um eine – wie auch immer begründete – haltungsbedingte Auffälligkeit handelt. Haltungsbedingte Auffälligkeiten können z. B. durch eine Lageanomalie im Uterus, eine Verschiebung der Schädelnähte unter der Geburt, das Tragen bzw. Liegen im «Maxi-Cosi» oder anderen Tragekörben oder durch einseitiges Handling der Mutter entstehen.
Liegt der Verdacht nahe, dass eine zerebral bedingte Schädigung vorhanden sein könnte, prüfe ich den Muskeltonus, die Hand-Hand-, die Hand-Mund-, Hand- Augen- und Hand-Fuß-Koordination sowie die Gesamtbewegungsformen. Auf diese Weise kann ich sehr früh erkennen, ob es sich um etwas «Ernsthaftes», schwer zu Korrigierendes (z. B. Spastizität, hypotones Bewegungsmuster, Hemiplegie) oder um eine weniger schwerwiegende Beeinträchtigung handelt. Haltungsbedingte Auffälligkeiten bei Kindern spiegeln sich häufig in einer besonderen Interaktion zwischen Mutter und Kind wider.
Eine gestörte Interaktion manifestiert sich sogar als somatisch fassbarer oder funktioneller Befund. Gleich welche Ursache zugrunde liegt, bin ich der Ansicht, dass jede therapeutische Intervention in die Sensomotorik zugleich ein Eingriff in die sensomotorische Reifung und die psychische Entwicklung des Kindes darstellen kann. Die Hypothese lautet, dass der Muskelhypertonus eines kleinen Kindes auch ein Ausdruck einer gestörten Beziehung zur Mutter sein kann. Dieser Blickwinkel ist nicht typisch für die Ausbildung und die Berufspraxis in der Physiotherapie, in der somatische und objektive Perspektiven dominieren und psychodynamische und psychosomatische Konzepte sowie unbewusste Beziehungskonflikte nicht reflektiert werden. Die Diagnostik beginnt mit folgenden Beobachtungen im Sinne einer szenischen bzw. situativen Informationsgewinnung: ,
- Wie kommt die Mutter mit ihrem Baby in die Praxis und wie trägt sie es: am eigenen Körper, wie ein Fremdkörper, quasi im «Einkaufskorb» etc.? ,
- Wie ist das Baby angezogen: zu eng, zu viel, kindgemäß, als Statussymbol etc.? ,
- Wie ist die Kommunikation zwischen Mutter und Baby: Blickkontakt zwischen Mutter und Kind, zwischen Mutter und Therapeutin, zwischen Kind und Mutter, zwischen Kind und Therapeutin? ,
- Wie sehen mikroskopische Trennungssituationen zwischen Mutter und Baby aus, wenn die Mutter ihre Aufmerksamkeit vom Baby abwenden muss z. B. sich die Schuhe auszieht? (Ich bitte Mütter prinzipiell darum, ihre Schuhe vor dem «Babyzimmer » auszuziehen und sich mit mir auf den Teppichboden zu setzen, die Behandlung von Babys und Kleinkindern findet bei mir in der Regel auf dem Boden als natürlichem Erlebnis- und Erfahrungsraum statt, das Babyzimmer ist zudem recht klein.)
- Wie wird das Baby ausgezogen: schnell angefasst, auf die Schwere des Kopfes geachtet, Sprech- und Blickkontakt zwischen Mutter und Kind etc.? Wenn das Baby im Kinderzimmer dann auf der Behandlungsmatte liegt, sind altersspezifische Reaktionen zu beobachten: Kleine Babys bis zum 7. oder 8. Lebensmonat schreien in der Regel nur aus Hunger, Müdigkeit und Unwohlsein. In diesem Fall trete ich als Fremde in den Hintergrund und bitte die Mutter, das Kind zu stillen, zu füttern und mir dabei etwas über ihr Kind zu erzählen.