E-Book, Deutsch, 137 Seiten
Reihe: Standards der Psychotherapie
Engl / Thurmaier Kommunikationstherapie
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8444-2916-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein paartherapeutischer Ansatz
E-Book, Deutsch, 137 Seiten
Reihe: Standards der Psychotherapie
ISBN: 978-3-8444-2916-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neben Gesundheit und einem sicheren Arbeitsplatz zählt der Wunsch, in einer festen Partnerschaft Geborgenheit, Wertschätzung und Zärtlichkeit zu erleben, bei zahlreichen Menschen zu einem der wichtigsten Faktoren des Wohlbefindens. Die Stabilität und Qualität einer Beziehung haben einen großen Einfluss auf das Entstehen und den Verlauf von psychischen und physischen Erkrankungen. Die Förderung der Qualität der Paarkommunikation spielt daher bei der Behandlung zahlreicher psychischer Störungen eine wichtige Rolle.
Der Band stellt bewährte Messinstrumente zur Erfassung der Belastungen und Ressourcen einer Beziehung vor und beschreibt einen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz der Paartherapie. Mithilfe der gesprächsregelbasierten Interventionsmethodik können therapeutische Paargespräche strukturiert und gesteuert werden. Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis und die Beziehungszufriedenheit zu erhöhen und damit auch den Erfolg der Therapie maßgeblich zu unterstützen. Dazu werden neun Paartherapieeinheiten dargestellt, in denen Paare u.a. lernen können, sowohl angenehme als auch unangenehme Gefühle zu äußern, eine gemeinsame Gesprächskultur zu entwickeln und Probleme zu lösen.
Zielgruppe
Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten, Paartherapeuten, Psychologische Paarberater, Ehe-, Familien- und Lebensberater, Erziehungsberater, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psychologen, Ausbildungskandidaten (Psychologen, Ärzte) in Psychotherapie mit dem Ziel Approbation bzw. Facharzt (Psychiatrie, Psychosomatik) oder Zusatztitel Psychotherapie, Dozenten der Ausbildungsgänge und -institute für Psychotherapie.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Familientherapie, Paartherapie, Gruppentherapie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychosomatische Medizin
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
Weitere Infos & Material
|3|1 Beziehungsqualität und Partnerschaftskonflikte
1.1 Die Suche nach dem Beziehungsglück
Mittlerweile belegen zahlreiche Studien (vgl. Kapitel 1.3.1) den Zusammenhang zwischen psychischer und physischer Gesundheit mit dem Vorhandensein einer festen Partnerschaft und deren Qualität. Auch wenn in den Medien zunehmend der Eindruck vermittelt wird, dass langjährige Ehen und Partnerschaften bald der Vergangenheit angehören werden, zeigen entsprechende Umfragen ein anderes Bild. Was braucht der Mensch zum Glück? Wenn es um die menschliche Glückserwartung geht, wird in entsprechenden Umfragen gerade von jüngeren Menschen die lebenslange Liebe zu einem festen Partner an erster Stelle genannt. So ist die Hoffnung, in einer festen Partnerschaft2 Geborgenheit, Wertschätzung und Zärtlichkeit zu erleben, universell (Buss, 2004). In westlichen Industrienationen heiraten ca. 80 bis 90?% der über 18-Jährigen mindestens einmal. So kommt es auch, dass in allen Umfragen zur Lebenszufriedenheit Partnerschaft und Familie als zentrale Faktoren des Wohlbefindens an erster Stelle stehen, dann erst gefolgt von Gesundheit, Beruf oder Einkommen. Leider ist in den Medien und in der gesellschaftlich-politischen Debatte immer häufiger ein bedauerlicher Trend zu beobachten: Unter Stichworten wie „Ehe und Kernfamilie als Auslaufmodelle“, „Bedeutungsverlust der Ehe“, „Pluralisierung der Lebensformen“ etc. wird der Eindruck vermittelt, als sei das lebenslange Glück mit einem Partner nur noch eine überkommene romantische Illusion, die nicht förderungswürdig ist. Ein Blick in die deutsche Statistik zeichnet jedoch ein ganz anderes Bild: Im Jahr 2015 lebten von den Paaren 85,7?% in einer Ehe, 13,9?% in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, 0,5?% in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft (Statistisches Bundesamt, 2017). Es lebten 74?% der Minderjährigen bei verheirateten Partnern, 17?% bei einem alleinerziehenden Elternteil, 10?% in Lebensgemeinschaften (Statistisches Bundesamt, 2018). |4|Es lebten ca. 10.000.000 Kinder bei den verheirateten Eltern, ca. 2.200.000 bei Alleinerziehenden, ca. 1.000.000 bei unverheirateten Eltern und 7.000 bei gleichgeschlechtlichen Paaren (Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.?V., 2014). „Statistisch gesehen gibt es eine unbestreitbare soziale Normalität“ (Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.?V., 2014). „Eine stabile Paarbeziehung ist mindestens genauso wichtig wie ein sicherer Arbeitsplatz, um sich für die Gründung einer Familie zu entscheiden. Daher sollten familienpolitische Maßnahmen verstärkt zur Stabilisierung von Partnerschaften beitragen“ (Eckhard, 2009, S. 3). Interessant ist deswegen auch die Frage, was sich (junge) Leute eigentlich wünschen, wie sie leben möchten: So brauchen 81?% der jungen Frauen und 71?% der jungen Männer „eine Familie, um glücklich zu sein“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2013). Es glauben 66?% der Deutschen, „den Partner fürs Leben“ schon gefunden zu haben, 72?% glauben für sich an die „Liebe fürs Leben“ (Institut für Demoskopie Allensbach, 2012). Junge Menschen geben in Bezug auf die Realisierung ihres Kinderwunsches der Stabilität ihrer Partnerschaft mit 84?% einen weit höheren Stellenwert als etwa einem ausreichenden Familieneinkommen oder dem Vorhandensein von Kinderbetreuungsplätzen (Institut für Demoskopie Allensbach, 2004, Einflussfaktoren auf die Geburtenrate). Allein diese Zahlen sprechen schon dafür, sich dem Thema „gelingende Paarbeziehung“ verstärkt zu widmen – auch im Hinblick auf den immer wieder unterschätzten Einfluss der Beziehungsstabilität und der Beziehungsqualität auf das Entstehen und den Verlauf von psychischen und physischen Erkrankungen. 1.2 Folgen von Partnerschaftskonflikten
Trennung und Scheidung gehören zu den belastendsten Ereignissen im Leben. Begleiterscheinungen sind oft einschneidende Veränderungen in finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Bereichen (Sbarra, Law & Portley, 2011). Insbesondere die vorangehenden Konflikte und die Unzufriedenheit mit der Beziehung gehen mit zahlreichen negativen Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft einher (Hahlweg, Baucom, Grawe-Gerber & Snyder, 2010; Proulx, Helms & Buehler, 2007). |5|Psychische und physische Erkrankungen Personen, die mit ihrer Paarbeziehung unzufrieden sind, schätzen auch ihre Gesundheit schlechter ein und weisen eine reduzierte Immunkompetenz auf. Ein durch die umfangreichen Studien von Janice Kiecolt-Glaser und Kollegen (2010) gestütztes Modell zeigt auf einfache Weise, wie eine belastete Beziehung zu Erkrankungen führen kann (vgl. Abbildung 1). Es bildet sich sozusagen ein Teufelskreis „giftiger“ Beziehungen. Die empirische Evidenz für die Kurz- und Langzeitfolgen von Partnerschaftskonflikten, von Trennung und Scheidung ist mittlerweile sehr umfangreich und international gut repliziert. So lassen sich für die betroffenen Partner immer wieder Zusammenhänge mit zahlreichen psychischen und physischen Störungen nachweisen (vgl. Bodenmann, 2016; Heinrichs, Bodenmann & Hahlweg, 2008). Beispiele hierfür sind eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, an Abhängigkeitserkrankungen sowie depressiven Störungen und Angststörungen zu erkranken, ein höheres Rückfallrisiko bei Patienten mit schizophrener oder affektiver Psychose sowie für Rückfälle bei Alkoholerkrankung nach erreichter |6|Abstinenz, ungünstigere somatische Krankheitsverläufe wie auch chronische Beschwerden (z.?B. Diabetes, Krebs, Herz-, Lungenerkrankungen), geringere Behandlungserfolge, eine schlechtere Immunfunktion, eine verzögerte Wundheilung sowie ein erhöhter Blutdruck. Auch koronare Herzerkrankungen bei Frauen treten in belasteten Partnerschaften häufiger auf (z.?B. Kiecolt-Glaser & Newton, 2001; Robles, Slatcher, Trombello & McGinn, 2014; Sbarra et al., 2011). Umgekehrt geht z.?B. eine zufriedene Paarbeziehung bei Männern nach Herzinfarkt mit einer deutlich höheren Überlebensrate (70?%) innerhalb von vier Jahren einher, gegenüber Männern in einer unglücklichen Beziehung (45?%; Coyne et al., 2001). Bei depressiven Erkrankungen spricht man in der Literatur mittlerweile auch von „We-disease“, um den großen Einfluss der partnerschaftlichen Interaktion auf den Erkrankungsverlauf hervorzuheben (Bodenmann, 2009), und die Gesundheitswissenschaftlerin Susan McPherson (2018) spricht etwas zugespitzt sogar von Depression als Paarkrankheit. Auch das englische National Institut for Clinical Excellence NICE (2009) empfiehlt neben individualtherapeutischen Ansätzen verhaltenstherapeutische Paartherapie als evidenzbasierte Intervention für Depression. Kein Wunder also, dass gezielte psychotherapeutische Interventionen für das Paar einen positiven Einfluss auf den Verlauf von verschiedensten physischen und psychischen Beschwerden haben (Baucom, Fischer, Corrie, Worrell & Boeding, 2019; Bodenmann, 2009). Kindesentwicklung Kinder aus konfliktreichen Familien zeigen im Vergleich zu Kindern aus intakten Familien vielfältige Verhaltensauffälligkeiten, ein geringeres Selbstwertgefühl, Beziehungsprobleme mit Gleichaltrigen und eine schlechtere psychische sowie physische Gesundheit (Bodenmann, 2016; Cummings & Davies, 2010; Lansford, 2009). Diese Auffälligkeiten können bis ins Jugend- und sogar Erwachsenenalter bestehen bleiben und zu weiteren Problemen führen, wie z.?B. zu einer niedrigeren Schul- und Berufsausbildung, häufigerer Straffälligkeit, erhöhtem Alkoholkonsum und einem erhöhten Risiko, später selbst geschieden zu werden (z.?B. Brown, 2010). Volkswirtschaftliche...