E-Book, Deutsch, Band 4, 264 Seiten
Reihe: Aachen-Krimi-Reihe
Esser Richter ohne Gnade
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7521-3202-1
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein Aachen Krimi (Hansens 4. Fall)
E-Book, Deutsch, Band 4, 264 Seiten
Reihe: Aachen-Krimi-Reihe
ISBN: 978-3-7521-3202-1
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Er kam, um zu richten. Sein Urteil war der Tod! Als vor dem Karlsbrunnen auf dem Aachener Marktplatz die verstümmelte Leiche des Drogenfahnders Jonas Behrend aufgefunden wird, ahnt Kriminalhauptkommissar Karl Hansen, dass sie es nicht mit einem gewöhnlichen Täter zu tun haben. Schon kurz darauf wird aus der Befürchtung Gewissheit. Ein Serienmörder treibt sein Unwesen in Aachen. Und er begnügt sich nicht nur damit, seinen Opfern das Leben zu nehmen ...
Frank Esser, Jahrgang 1974, absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Industriekaufmann und arbeitet seitdem in der Medienbranche. Er lebt in der Nähe von Aachen. Seine Liebe zu Krimis inspirierte ihn, seinen ersten Regionalkrimi zu schreiben, der in der Aachener Domstadt spielt und 2017 veröffentlicht wurde. Mittlerweile veröffentliche er neben seiner Aachen-Krimi-Reihe weitere Krimis und Thriller.
Autoren/Hrsg.
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1. Kapitel Tag 1, Montag Die grünen Digitalziffern des Radioweckers zeigten 05:11 Uhr. Verschlafen richtete sich der Leiter der Mordkommission Aachen auf und seufzte. Ein Anruf um diese Zeit verhieß nichts Gutes, schlaftrunken ging Hansen ans Diensthandy. Bereits nach wenigen Augenblicken wurde seine Befürchtung zur Gewissheit und er war sofort hellwach, als der Kollege des Kriminaldauerdienstes im besten Öcher Platt einen Leichenfund erwähnte. Die sterblichen Überreste eines Mannes waren gefunden worden, und es lag eindeutig Fremdverschulden vor. Auf Hansens Frage, wo genau sich denn der Fundort befand, erwiderte der KDDler lediglich: »Am Eäzekomp«. Kaum dass er es ausgesprochen hatte, schob er die Frage hinterher, ob Hansen wisse, was damit gemeint sei. Ausgerechnet ihm stellte er die Frage, dachte Hansen beleidigt – dabei war er berühmt-berüchtigt für seine Vorträge über die Aachener Stadtgeschichte auf dem Revier. Natürlich wusste er, dass der Beamte vom Karlsbrunnen sprach, Aachens ältestem Brunnen. Wegen der rundlichen Form seiner Bronzeschale, in deren Mitte die kaiserliche Statue Karls des Großen thronte, wurde er im Volksmund »Eäzekomp« genannt, was nichts anderes als »Erbsenschüssel« bedeutete. Am liebsten hätte Hansen dem Mann sein Wissen entgegengeschmettert, doch er beließ es bei einem einfachen Ja, bedankte sich und legte auf. Na wunderbar, die Nachtruhe war mal wieder viel zu früh beendet. »Was ist denn los?«, fragte Christine mit verschlafener Stimme. »Leichenfund am Eäzekomp. Schlaf weiter«, erwiderte er und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Seine Frau kam der Aufforderung nur allzu gerne nach. Längst hatte sie sich an derartige Anrufe gewöhnt und ließ sich davon nicht mehr aus der Ruhe bringen. Sie kuschelte sich in die warme Decke und schlief weiter. Beneidenswert, zu gerne hätte er seinen müden Knochen auch noch etwas Ruhe gegönnt. Leise holte er eine Jeans und ein Polohemd aus dem Schrank und schlich aus dem Schlafzimmer. Dabei stolperte er fast über das neueste Familienmitglied. Nera, die schwarze Labradorhündin, war gerade erst mit ihnen im Bungartsweg eingezogen. Die letzten Wochen waren turbulent gewesen: Christine hatte den Wunsch geäußert, die Stadtwohnung aufzugeben, und er war dem auch allzu gerne nachgekommen. Endlich raus aus dem Mief der Großstadt. Und kaum dass sie in der Wohnung nahe dem Orsbacher Wald eingezogen waren, hatten sie den Entschluss gefasst, sich einen Hund anzuschaffen. Als sie die zweijährige pechschwarze Hundedame mit den bernsteinfarbenen Augen im Tierheim entdeckt hatten, war es gleich um sie geschehen gewesen. Mittlerweile genoss Hansen die ausgedehnten Spaziergänge mit Nera im nahe gelegenen Wald. Vor allem in Zeiten wie diesen, wenn er wieder einmal endlose Überstunden schieben musste. Außerdem bewegte er sich viel mehr, seit Nera da war – und das erleichterte seinen Kampf gegen den angefutterten Wohlstandsspeck. Noch auf dem Weg ins Badezimmer verständigte er seinen Partner Stefan Riedmann und zitierte ihn zum Fundort der Leiche. Da sein Stellvertreter praktischerweise mit der Leiterin der Spurensicherung zusammenlebte, konnte er so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Anschließend informierte er noch die Kollegen Markus Beck und Jens Marquardt. Es war besser, wenn sie gleich in voller Besetzung beim alten Kaiser auftauchten. Nach einer Katzenwäsche verließ er die Wohnung und brauste kurz darauf mit seinem Opel in Richtung Innenstadt. Zwanzig Minuten später erreichte er den Aachener Marktplatz, wo er zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei und einen Krankenwagen entdeckte. Laura Decker – die Leiterin der KTU – und ihr Team hatten bereits die Arbeit aufgenommen. Hansen war kaum ausgestiegen, als Riedmann auch schon auf ihn zusteuerte. Eigentlich kaum verwunderlich, da er in der Nähe des Fundortes wohnte. Riedmann sah auch nicht gerade taufrisch aus, unrasiert und ungekämmt sah man den Kollegen, der ansonsten penibel auf sein Äußeres achtete, sonst so gut wie nie. »Ihr wohnt zwar um die Ecke, aber mit euch habe ich hier noch nicht gerechnet«, begrüßte Hansen seinen Partner. »Laura war ohnehin schon wach, sie konnte kaum schlafen wegen der Affenhitze im Schlafzimmer. Kennst sie ja: Kaum hattest du aufgelegt, hat sie mir ganz schön Dampf gemacht, um so schnell wie möglich herzukommen. Wir sind aber auch erst seit ein paar Minuten da.« »Man sieht, dass sie dir Dampf gemacht hat.« Grinsend deutete Hansen auf Riedmanns Füße. Der Kollege hatte im Eifer des Gefechts zwei verschiedenfarbige Sneaker angezogen – einen dunkelblauen und einen schwarzen. »Mist«, erwiderte Riedmann, als er an sich hinunterschaute. »Hier ist ja schon ganz schön Betrieb«, versuchte Hansen, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. »Kein Wunder, wenn man bedenkt, was passiert ist. Immerhin ist ...«, doch weiter kam Riedmann nicht. »Was macht denn der Wassenhoven vom Drogendezernat hier?«, meinte Hansen. Was hatte der Leiter der Abteilung für Betäubungsmittelkriminalität hier zu suchen? »Das wollt ich dir ja gerade erklären, als du mich unterbrochen hast.« »Entschuldige, Stefan. Also?« »Der Tote ist ein Kollege von uns. Jonas Behrend. Oberkommissar des Drogendezernats. Wassenhoven war sein Chef.« »Scheiße!« Hansen kannte den getöteten Kollegen flüchtig. »Wissen wir schon, was passiert ist?« »Schau’s dir am besten selbst an. Um das schon mal vorwegzunehmen: Der Fundort der Leiche ist nicht der Tatort.« Ohne darauf einzugehen, stapfte Hansen los. Er begrüßte einen der uniformierten Kollegen, die den Bereich rund um den Brunnen bereits großräumig mit dem rot-weißen Absperrband abgeriegelt hatten. Auch wenn es noch früh am Morgen war, tauchten bereits die ersten Schaulustigen auf dem Marktplatz auf. Polizeipräsenz stieß immer auf reges Interesse einiger Passanten. Die Kollegen der Schutzpolizei hatten alle Hände voll zu tun, die Meute vom Geschehen fernzuhalten. Herbert Wassenhoven und Laura Decker waren in ein Gespräch vertieft, als Hansen an ihnen vorbeiging. »Morgen zusammen«, meinte er nur, als er die ersten beiden Treppenstufen des Brunnens erklomm. Der Tote saß auf der obersten Stufe an den Beckenrand gelehnt. Fast hatte es den Anschein, als würde er schlafen. Behrends Kinn war auf die Brust gesunken. Hansen musste in die Hocke gehen, um dem Mann ins Gesicht blicken zu können, und erschrak im selben Moment. »Kein schöner Anblick«, meinte Laura Decker. Die Leiterin der Spurensicherung stand mit verschränkten Armen hinter Hansen und verzog keine Miene. Obwohl auch sie garantiert nicht allzu viel Schlaf abbekommen hatte, sah sie frisch und ausgeruht aus. Die lange braune Mähne hatte sie wie gewöhnlich zu einem Zopf zusammengebunden.
Hansen war heilfroh, dass sie sich vor drei Jahren für einen Wechsel von Köln nach Aachen entschieden hatte, obwohl er zugegebenermaßen damals recht skeptisch gewesen war. Die Entscheidung, die Stelle mit ihr zu besetzen, hatte zunächst nach typischem Öcher Klüngel ausgesehen, da Lauras Vater ein guter Freund von Hansens Chef, Kriminalrat Hellhausen war. Im Nachhinein stellte sich die Neubesetzung als ein absoluter Glücksgriff für die Aachener Polizei heraus, insbesondere für die Mordkommission. Laura Decker war blitzgescheit und hatte durch kluge Schlussfolgerungen maßgeblich zur Aufklärung einiger zurückliegender Fälle beigetragen. Außerdem trug ihr loses Mundwerk immer mal wieder zur Erheiterung des Teams bei. Sehr zum Leidwesen von Hellhausen, der angesichts ihrer flapsigen Art hin und wieder die Nase rümpfte. »Nein! Ganz und gar kein schöner Anblick. Ihr hättet mich ruhig mal vorwarnen können«, meinte der Hauptkommissar, als er sich erhob. »Du hast mir ja nicht die geringste Möglichkeit dazu gegeben«, erwiderte Riedmann mit ernstem Gesicht. »Stimmt«, musste Hansen einräumen. »Man hat ihm beide Augen entfernt und sie durch Zwei-Euro-Münzen ersetzt. Schlimm genug, dass Jonas ermordet wurde. Aber warum verstümmelt ihn jemand auf diese Weise?« Herbert Wassenhoven, der hagere Mittfünfziger, schüttelte angewidert den Kopf. »Könnte ein symbolischer Akt sein, der schon in der römischen und griechischen Mythologie bekannt war. Die Seele des Verstorbenen musste mithilfe eines Fährmannes den Fluss Styx überqueren, um in die Unterwelt zu gelangen. Als Entgelt legten die Menschen den Toten eine Münze auf jedes Auge«, erklärte Hansen. »Die Sache hat nur einen gewaltigen Haken, Herr Geschichtsprofessor«, erwiderte Decker trocken. »Man legte die Münzen auf die geschlossenen Augen. Man hat die Augen vorher nicht herausgeschnitten und durch Geldstücke ersetzt!« »Das stimmt natürlich. Es war nur das Erste, was mir in den Sinn gekommen ist, als ich die Münzen sah. Einen offensichtlichen Hinweis auf die Todesursache scheint es nicht zu geben.« »Da müssen wir wohl oder übel auf Bode warten. Mir ist allerdings aufgefallen, dass Behrend eine frische Einstichstelle am rechten Unterarm hat. Ob das mit der Todesursache zusammenhängt, kann ich natürlich nicht sagen«, erwiderte Decker, bevor sie sich an die Untersuchung des Leichenfundortes machte. Riedmann begann mit der Befragung des Mannes, der den Toten gefunden hatte, und Hansen nutzte die Gelegenheit, um mit Herbert Wassenhoven über den Toten zu reden. Die beiden Ermittler hatten sich zu den Treppenstufen des Aachener Rathauses etwas abseits des Geschehens zurückgezogen, um sich in Ruhe unterhalten zu können. »Wie lange war der Kollege schon in Ihrer Truppe?«, begann Hansen. ...