E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Esser Tödliches Lügennetz
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7568-7096-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-7568-7096-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
An einer Realschule wird die Direktorin kurzzeitig entführt, die Ermittlungen konzentrieren sich auf zwei ehemalige Schüler, die jedoch beide ein Alibi vorweisen. Da wird an der Realschule ein Mord verübt, der Fritz Alt und sein Team vom Klever K1 vor eine große Herausforderung stellt. Bald tauchen sogar Zweifel an der Identität des Opfers auf. Warum verhält sich der Ehemann der Toten so merkwürdig? Wie ist die eigenartige Stimmung im Lehrerkollegium zu erklären? Endlich scheint eine weit in die Vergangenheit reichende Spur die Lösung des Falles zu offenbaren, da geschieht eine unerwartete Wendung!
Franz-Hubert Esser hat nahezu sein gesamtes Leben am Niederrhein verbracht. Er war 40 Jahre lang im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Nach seiner Pensionierung wandte er sich verstärkt seinem Hobby Schreiben zu. Er ist außerdem ein begeisterter Naturfotograf und bei zahlreichen Reisen oft im Ausland unterwegs gewesen. Heute lebt er mit seiner Frau in Xanten.
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ZWEI
Am Niederrhein neigte sich der in diesem Jahr um einen Tag verlängerte Februar auch schon wieder seinem Ende zu. In einigen Stunden würde er sich erneut für elf Monate in sein unbekanntes Versteck zurückziehen. Die großen Scharen der arktischen Wildgänse, die sich Jahr für Jahr das Gebiet zwischen Duisburg und Emmerich/Kranenburg als Überwinterungsrevier auswählen, bevor sie in ihre sibirische Brutheimat aufbrechen, hatten sich bereits merklich gelichtet. Eine spürbare Zugunruhe war den noch verbliebenen Tieren deutlich anzumerken. Kriminalkommissar Klaas Hinrichs blickte versonnen aus dem Fenster der Küche auf einen gerade vorbeifliegenden Trupp Blässgänse. Seit mehr als 13 Jahren wohnte er schon mit seiner Frau Petra in Kranenburg. Die großen Trupps arktischer Wildgänse hatte er zwar in jedem Winter wahrgenommen, mehr aber auch nicht. Erst seit einem spektakulären Mordfall auf dem Emmericher Eyland einige Monate zuvor, in dem die Wildgänse eine wichtige Rolle gespielt hatten, war er von den Tieren fasziniert. Von seinem Freund Thomas Schraven, der als Biologe bei der Naturschutzstation in Kranenburg arbeitete, hatte er viel Interessantes über die Wildgänse erfahren. So wusste Hinrichs, dass auf die Bläss- und Saatgänse jetzt die gefährlichste Zeit des Jahres zukam, bevor sie sich auf der Insel Kolguev oder der Taimyr-Halbinsel am Nordpolarmeer endlich dem Brutgeschäft widmen konnten. Nach Rastphasen in Polen und dem Baltikum warteten im Bereich des Ladogasees im Nordwesten Russlands Scharen von Jägern auf die Tiere. Schraven hatte resigniert berichtet, dass die Frühjahrsjagd auf die Wildgänse in Russland eine jahrzehntelange Tradition darstellt und dagegen etwas zu unternehmen sowohl internationale als auch russische Naturschützer vor kaum lösbare Aufgaben stellt. Das erste Licht des Morgens war kaum mehr als zu erahnen, da schraubten sich schon die Feldlerchen jubilierend gen Himmel empor und sandten einen ersten Hauch von Frühling. Ein müder Hahn, der offenbar seinen Einsatz verschlafen hatte, krähte besonders laut, verärgert über die Lerchen, weil diese es gewagt hatten, ihm das Recht auf die ersten Töne des Morgens streitig zu machen. Die Feldlerche schien besonders laut zu jubilieren, hatte sie es doch wieder einmal geschafft, auf ihrem Zug den zahlreichen Vogelfängern im Mittelmeerraum zu entkommen. Insbesondere auf Malta und Zypern, aber auch in Italien und Frankreich, werden jährlich Millionen von Zugvögeln Opfer von illegalem Massenfang. Das leichte Wolkentuch war an einigen Stellen gerissen und der eine oder andere Fetzen blauen Himmels wurde sichtbar. Erste mattgelbe Sonnenstrahlen versuchten zaghaft, einen leisen Hauch von Vorfrühling zu bewirken. Die Frau, die sich übel gelaunt in ihrem dunkelblauen VW Golf in nördlicher Richtung durch das niederrheinische Tiefland zu ihrem Arbeitsplatz in Kleve bewegte, bemerkte von den Anzeichen des nahenden Frühlings nichts. Zu sehr beschäftigte sie noch der erneute Streit mit ihrem Ehemann, wodurch das gemeinsame Frühstück abrupt zum Ende gekommen war. Zum wiederholten Male hatte er ihr vorgeworfen, viel zu wenig Zeit für gemeinsame Unternehmungen zu haben, weil sie ständig, am Feierabend und vor allem am Wochenende Arbeit mit nach Hause nahm. Dass ihr Mann möglicherweise recht haben könnte, ein solcher Gedanke war für sie völlig ausgeschlossen. Sie hatte in ihrem Leben noch nie Kritik zu ertragen vermocht. Bei der Kripo Kleve, deren Einsatzbereich nicht nur die Stadt selbst, sondern das gesamte Kreisgebiet umfasste, hatte wieder ein ganz normaler Arbeitstag begonnen. In der flachen, nur von einigen bewaldeten Moränenzügen der vorletzten Eiszeit strukturierten und stark agrarisch geprägten Landschaft schien Kriminalität auf den ersten Blick die große Ausnahme. Friedliche schmucke Landstädtchen wie Geldern, Issum, Kalkar, Goch oder Kevelaer wirkten absolut nicht wie Brennpunkte des Verbrechens. Auch das eher industriell geprägte Emmerich und die größte Stadt des Kreises, Kleve selbst, sahen eher verschlafen aus im Vergleich mit den Metropolen des Ballungsraumes Rhein-Ruhr. Und doch durften sich die Beamten der Kreispolizeibehörde in Kleve über einen Mangel an Arbeit keineswegs beklagen. Drogendelikte zählten zu den häufigsten Vergehen, dafür war schon vor etlichen Jahren ein eigenes Kommissariat eingerichtet worden. Auch darüberhinaus geschahen erstaunlich viele Straftaten, die das Team des K1 ständig forderten: Wohnungseinbrüche, Überfälle auf Geschäfte und besonders Tankstellen sowie die zunehmende Bandenkriminalität, zu der in erster Linie die Geldautomatensprengungen und der Metalldiebstahl zählten. Auch ihren ersten Einsatz an diesem Morgen verdankten die Kommissare Hinrichs und Heise den Metalldieben. Klaas Hinrichs und Siegfried Heise wiesen abgesehen von ihrem Alter, beide waren Anfang vierzig, keinerlei Gemeinsamkeiten auf. Der aus Nordfriesland stammende Hinrichs war mittelgroß und schlank mit nahezu glatzenartig kurzen Haaren und einem dunkelblonden Kinn- und Oberlippenbart. Er hatte eine Neigung zu witzigen Kommentaren, versprühte meist gute Laune, war ein wirklich extrovertierter Typ. Im Gegensatz zu ihm redete Heise selten ein Wort zuviel, wirkte sehr oft nachdenklich, introvertiert. Er war eher klein und stämmig, mit einem rundlichen Gesicht und mittellangen schwarzen Haaren. Er trug eine dicke Brille. Im Kommissariat lief er unter dem Spitznamen ›Holmes‹, und zwar nicht nur wegen der identischen Namensanfangsbuchstaben. Er hatte den Meisterdetektiv aus der Bakerstreet stets als sein großes Vorbild bezeichnet, vor allem wegen dessen Fähigkeit, absolut klar und analytisch zu denken, keine unwichtig erscheinende Kleinigkeit unbeachtet zu lassen. Trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeiten bildeten Klaas Hinrichs und Siegfried Heise seit etlichen Jahren ein richtig gutes Team. »Diese Metalldiebe haben sich zu einer wahren Landplage ausgewachsen«, moserte Hinrichs, als es plötzlich einen dumpfen Schlag gab. »Was war das?«, fragte Heise besorgt. »Wie viele Leben sagt man im Volksmund einer Katze nach?«, wollte Hinrichs anstelle einer Antwort wissen. »Ich glaube sieben. Du meinst, wir haben eine . . .?« »Ja, und zwar eine, deren siebentes Leben es war! Ende, aus, vorbei!« »Wieso bist du dir da so sicher?« Heise hatte seine Zweifel, aber Hinrichs erklärte: »Dass es sich um einen Stubentiger handelt, habe ich gerade noch erkennen können. Das Tier lief von rechts urplötzlich quer über die Straße. Und dass es das siebente und damit letzte Leben war, hast du selbst an dem Aufprall spüren können.« »Was bringt eine Katze dazu, auf einer vielbefahrenen Straße einfach so die Fahrbahn queren zu wollen?«, fragte Heise nachdenklich. Hinrichs hatte eine Idee: »Vielleicht eine Falle.« »Wie bitte?« »Auf der anderen Straßenseite hat möglicherweise ein Mäuschen seine Faxen gemacht und die Katze angelockt.« »Und diese absichtlich zur Straßenquerung verleitet? Na ja, weißt du.« Heise schien skeptisch. »Jedenfalls halte ich das für eine Art ausgleichende Gerechtigkeit. Ich möchte nicht wissen, wie viele kleine Singvögelchen diese Katze auf dem Gewissen hat!« »So ist das nun mal in der Natur!«, stellte Heise nüchtern fest. »Fressen und gefressen werden.« »Dann wird der Philosoph mir bestimmt auch verraten, von wem die Katzen gefressen werden. Natürliche Freßfeinde wie Wolf, Bär oder andere Großsäuger scheiden ja wohl aus.« »Die Rolle hat der Mensch übernommen, wie wir vor ein paar Minuten feststellen konnten«, erklärte Heise. Hinrichs wirkte nachdenklich. »Naja. Aber dann müssten wir noch eine ganze Menge Katzen plattfahren, um das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen.« Weiter kam er nicht, denn sie hatten Grieth erreicht. Das 800-Einwohner-Dorf direkt am Rhein hatte vor langer Zeit sogar zur Hanse gehört und eine wirtschaftliche Bedeutung gehabt, von der heute rein gar nichts mehr zu spüren war. Durch die Eingemeindung nach Kalkar hatte Grieth im Jahre 1969 auch seine Selbständigkeit verloren. Im Ort gab es weder Supermarkt noch Kneipe, Schule, Arzt oder Post. Durch mehrere enge Gässchen, etliche davon wiesen noch Kopfsteinpflaster auf, kämpften sie sich durch zur Schloßstraße. Diese war breit genug, um den Wagen am Straßenrand abzustellen. »Da sind wir schon«, stellte Hinrichs fest, » hier wohnt der Vorsitzende des Schiffervereins Grieth, Helmut Reuter. Er hat heute Morgen die Polizei verständigt.« Heise drückte auf die Klingel und im selben Augenblick öffnete sich bereits die Tür. »Ich habe Sie kommen gesehen, Sie sind doch von der Polizei?«, wurden sie von Herrn Reuter begrüßt, einem stattlichen Mann mit freundlichem ovalem Gesicht und grauer Bürstenfrisur. Heise...