E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Ewers / Gnass / Nestler Kompendium Schmerz
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-456-76049-0
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Für Schmerzexperten in Pflege- und Gesundheitsberufen
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-456-76049-0
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Schmerzexperten sind die professionellen Fachkräfte für Assessment, Diagnostik, Intervention und Evaluation im Management von akuten und chronischen Schmerzen.
Der Sammelband vereinigt Fachbeiträge der Jahrgänge 2017 bis 2019 der Fachzeitschrift Schmerz und Schmerzmanagement. Er thematisiert die Pflege und Versorgung von Menschen mit akuten und chronischen Schmerzen. Die evidenzbasierten Beiträge verbinden wissenschaftliche Theorie, Forschung und Praxis.
Schmerz ist ein multidimensionales Phänomen und betrifft Menschen aller Altersstufen und Erkrankungen in jedem Stadium des Lebenslaufs. Neben den körperbezogenen Faktoren rücken zunehmend psycho-soziale Faktoren in den Fokus der Schmerzexperten: Die Beiträge dieses Sammelbandes verknüpfen die fachwissenschaftliche Perspektive von Disziplinen wie Pflegewissenschaft, Ethik und Medizin mit den praxisorientierten Erkenntnissen der Pflegepraxis in den unterschiedlichen Settings der Schmerztherapie, ambulant wie stationär. Diese Settings sind geprägt von einer multidisziplinären Zusammenarbeit. Deutlich werden diese Aspekte in Beiträgen zu:
Implementierung des Schmerzmanagements: Positionen und Expertise
Akuter/ chronischer Schmerz: Settings und Interventionen
Edukation bei Schmerzen: Information und Motivation
Spezifische Settings bei Schmerz: Palliative Care und Dementia Care
Zielgruppe
Schmerztherapeuten Pflege Ergotherapeuten Physiotherapeuten
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Medizin, Gesundheit: Sachbuch, Ratgeber
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete AINS Schmerzmedizin & Schmerztherapie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Sachbuch, Ratgeber
Weitere Infos & Material
1 Schmerzmanagement bei chronischen Schmerzen
Dagmar Schäfer Im folgenden Artikel wird über die Einführung des Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege bei chronischen Schmerzen in einer Akutklinik berichtet. Ausgehend von den Erfahrungen auf einer Modellstation wurde eine Vorgehensweise entwickelt, die in allen Fachdisziplinen möglichst niedrigschwellig eingeführt werden kann. Längerfristig betrachtet ist dieses Vorgehen noch ausbaufähig. Betrachtet man die derzeitige Situation in den Akutkliniken, so ist diese von einer hohen Arbeitsdichte gekennzeichnet. Ökonomische Zwänge erfordern hohe Fallzahlen und die Verweildauer der Patienten ist limitiert. Laut dem Pflegethermometer (DPI, 2014, S. 17) resultiert diese Arbeitsverdichtung im Pflegedienst neben den steigenden Fallzahlen und der abnehmenden Verweildauer aus einer stetigen Reduzierung der Pflegefachkräfte (ebd.). Hier konnte auch der leichte Anstieg der Zahl der Pflegefachkräfte von 2013 auf 2014, bei weiterhin steigenden Fallzahlen und weiterer Reduzierung der Verweildauer, wie aus den Eckdaten der Krankenhausstatistik (DKG, 2015, S. 1) ersichtlich ist, keine Abhilfe schaffen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es zugegebenermaßen nicht gerade einfach, sich auf das Schmerzmanagement bei Patienten mit chronischen Schmerzen zu fokussieren, wo doch gerade diese Patienten eine eher zeitintensive Betreuung und Begleitung benötigen. Die Herausforderung bestand demnach darin, eine Vorgehensweise zu entwickeln, die diesen Gegebenheiten entspricht. Ausgangssituation in der Klinik Die Klinikum Lippe GmbH ist eine Klinik der Maximalversorgung mit 1061 Betten, die sich an drei Standorten befinden. Durch die Teilnahme an dem Projekt Schmerzfreies Krankenhaus wurde erstmalig die Qualität des Schmerzmanagements durch umfangreiche Patienten- und Mitarbeiterbefragungen erhoben. Eine interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppe ist seitdem bestrebt, das Schmerzmanagement stetig zu verbessern, wobei zunächst die Optimierung der Akutschmerztherapie in allen Abteilungen im Vordergrund stand. Durch die Teilnahme an einem Zertifizierungsverfahren finden regelmäßig umfangreiche Patienten- und Mitarbeiterbefragungen statt, sodass Schwachstellen in der Versorgung aufgedeckt und bearbeitet werden können. Der Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen ist seit langem implementiert und in allen Fachabteilungen eingeführt. Insgesamt verfügen 41 Pflegefachkräfte über eine Qualifikation als Pflegeexperte Schmerzmanagement, sodass in jedem Großstationsleitungsbereich auf mindestens eine Pflegeexpertin zurückgegriffen werden kann. Zudem wurden flächendeckend die Pflegefachkräfte bezüglich des Schmerzmanagements mit dem Fokus auf den Akutschmerz geschult. Dennoch kam es immer wieder zu Problemen, wenn Patienten Angaben über ihre Schmerzstärke machten, die für die Pflegefachkräfte nicht nachvollziehbar waren. Bei genauerer Betrachtung handelte es sich dabei nicht selten um Patienten, die bereits unter chronischen Schmerzen oder sowohl unter akuten als auch unter chronischen Schmerzen litten. Somit erschien es nur folgerichtig, sich auf das Schmerzmanagement bei Patienten mit chronischen Schmerzen zu konzentrieren, da hier ohnehin ein Interventionsbedarf vorlag. Informationen zu der Modellstation Als Modellstation wurde zunächst eine unfallchirurgisch/orthopädische Station mit 33 Betten ausgewählt. Dort werden überwiegend Patienten mit chronischen Gelenkerkrankungen sowie chronischen Rückenschmerzen betreut. Insgesamt wurden 525 Patienten während der modellhaften Implementierung behandelt. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten lag auf dieser Station bei zwölf Tagen und damit deutlich über der aus den Eckdaten der Krankenhausstatistik (DKG, 2015, S. 1) durchschnittlichen Verweildauer von 7,4 Tagen in den allgemeinen Kliniken in Deutschland (ebd.). Der Station sind elf Vollzeitstellen zugeordnet, die durch 15 Pflegefachkräfte besetzt sind. Eine Pflegefachkraft verfügt über eine fünftägige Fortbildung zur Pflegeexpertin Schmerzmanagement. Durch die Implementierung des Expertenstandards Schmerzmanagement bei akuten Schmerzen waren die Pflegefachkräfte bereits umfangreich zur Schmerzerfassung, medikamentösen und nicht-medikamentösen Schmerztherapie geschult worden. Eine multimodale Schmerztherapie ist auf der Station bei den konservativ versorgten Patienten üblich, sodass auch dieser Ansatz den pflegerischen Mitarbeitern vertraut ist. Dennoch zeigte sich ein weiterer Fortbildungsbedarf bezüglich der Schmerzerfassung, der Differenzierung von akuten und chronischen Schmerzen, und vor allem der medikamentösen Schmerztherapie. Hierzu wurden entsprechende fallbezogene Kurzschulungen durchgeführt, da diese Schulungsform sich in der Vergangenheit aufgrund eines unmittelbaren Transfers in die Praxis bereits bewährt hat. Die auf der Station tätige Pflegeexpertin konnte fortlaufend ein „training on the job“ für die Pflegefachkräfte gewährleisten. Anpassung der Verfahrensanweisungen und Dokumentationsunterlagen Die bisherige Schmerzerfassung bei der Aufnahme bezog sich allgemein auf Schmerzen, sodass hier eine Differenzierung nach akuten und chronischen Schmerzen vorgenommen werden musste. Hier ergab sich bereits die erste Problematik, denn gerade in der Aufnahmesituation werden die Patienten mit diversen Fragen und Assessmentinstrumenten konfrontiert. Selbst bei einer geplanten Aufnahme sind die zu erhebenden Informationen für einige Patienten zu umfangreich. Insofern wurde entschieden das initiale Assessment sehr kurz zu halten. Dies hat den Vorteil, dass auch bei nicht geplanten Aufnahmen und dementsprechend oft schlechtem Allgemeinzustand der Patienten die Schmerzerfassung dennoch möglich ist. Die folgende Tabelle 1-1 zeigt einen Ausschnitt aus dem Stammblatt bei der Aufnahme. Tabelle 1-1: Schmerzerfassung bei der Aufnahme Nach diesem initialen Assessment geht es bei einer stabilen Schmerzsituation um die Erfassung der stabilisierenden Faktoren, soweit diese für den stationären Aufenthalt von Bedeutung sind. Bei einer instabilen Schmerzsituation mit Überschreiten der individuellen Toleranzgrenze steht zunächst die Linderung der Beschwerden im Vordergrund. Auf der Modellstation erfolgte in diesen Fällen ein differenziertes Assessment durch den ärztlichen Dienst, da die Patienten aus diesem Grund zur Aufnahme kamen. Da das Ziel war, ein Procedere zu entwickeln, das flächendeckend in der Klinik eingeführt werden kann, wurde entschieden, dass ein differenziertes Assessment bei einer instabilen Schmerzsituation nur dann erfolgt, wenn während des stationären Aufenthaltes entsprechende Konsequenzen daraus abgeleitet werden können. Bei einem sehr kurzen Aufenthalt, wie er in vielen Fachdisziplinen üblich ist, stehen oft andere diagnostische und therapeutische Maßnahmen im Vordergrund. Die Häufigkeit der Schmerzerfassung während des stationären Aufenthaltes sollte bei Patienten mit chronischen Schmerzen mit dem jeweiligen Patienten abgesprochen werden, um ein individuelles Vorgehen zu ermöglichen. Lediglich bei den Patienten mit einer instabilen chronischen Schmerzsituation sollte die Schmerzerfassung mindestens einmal täglich erfolgen. Um das weitere Procedere bei den Patienten mit chronischen Schmerzen darzustellen und für die Mitarbeiter transparent zu machen, wurde dazu ein Algorithmus (siehe Tabelle 1-2) analog zu dem Procedere bei akuten Schmerzen in die Verfahrensanweisung zum pflegerischen Schmerzmanagement aufgenommen. Tabelle 1-2: Algorithmus pflegerisches Schmerzmanagement bei chronischen Schmerzen Handelt es sich um eine stabile Schmerzsituation, so steht im Vordergrund, den Behandlungsplan beizubehalten und die stabilisierenden Faktoren sicherzustellen sowie potenziell destabilisierende Faktoren zu vermeiden. Die jeweilige Expertise des Patienten ist hier zu beachten und es sollte ihm ermöglicht werden, sein bisheriges Selbstmanagement beizubehalten. Sollten sich hier aufgrund der aktuellen Erkrankung Probleme ergeben, so ist das Vorgehen interdisziplinär und mit dem Patienten gemeinsam abzustimmen. Aufgabe der Pflegefachkräfte ist es, den Patienten in seinem Selbstmanagement zu unterstützen. Ist die Schmerzsituation instabil, wird die pflegerische Schmerzexpertin hinzugezogen, je nach Situation erfolgt jetzt ein differenziertes Assessment. Bei Überschreiten der individuellen Toleranzgrenze des Patienten werden zeitnah Maßnahmen zur Linderung initiiert und gegebenenfalls der vorherige Behandlungsplan durch ein interdisziplinäres Team angepasst. Idealerweise wird ein ärztlicher Schmerztherapeut einbezogen, was allerdings bei einer sehr kurzen Verweildauer nicht immer realisiert werden kann. In diesen Fällen muss die langfristige Anpassung des Behandlungsplans poststationär in der Schmerzambulanz erfolgen, sofern dieses von dem Patienten gewünscht ist. Ein solches Vorgehen hat den Vorteil, dass der Behandlungsplan stärker auf den normalen Alltag des Patienten abgestimmt werden kann und der Patient längerfristig gesehen davon stärker profitiert. Bei der Entlassung des Patienten aus der Klinik, sollte das aktuelle Schmerzmanagement in dem Entlassungsbrief aufgeführt...