Farin / Mey | WIR. Heimat - Land - Jugendkultur | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 326 Seiten

Farin / Mey WIR. Heimat - Land - Jugendkultur


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-948675-54-7
Verlag: Hirnkost
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 326 Seiten

ISBN: 978-3-948675-54-7
Verlag: Hirnkost
Format: EPUB
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"Heimat" ist wieder angesagt – vor allem in ländlichen Regionen hat der Wunsch nach Entschleunigung und Wiederüberschaubarkeit der Lebensumwelt Konjunktur: das Dorf als Hort der Sicherheit und Ruhepol inmitten einer sich global immer schneller verändernden Welt. Doch die Prozesse der Individualisierung und Enttraditionalisierung prägen längst auch die Lebenswirklichkeiten auf dem Lande. Insofern werden sich Gemeinden für die Vorstellungen und Bedürfnisse der Jugendlichen öffnen müssen sowie deren Orientierungsmuster und lebensweltliche Praktiken berücksichtigen, wollen sie nicht zur jugendfreien Zone werden. Das Projekt "WIR. Heimat – Land – Jugendkultur" erforschte gemeinsam mit einem bunten Strauß aus quantitativen und qualitativen Befragungen,
Workshops, Fachtagungen und journalistischen Erkundungen die Lebensperspektiven von Jugendlichen in ländlichen Regionen Deutschlands. Denn nachhaltige Veränderungen lassen sich heute nur noch erzielen, wenn die Menschen selbst aktiv mitwirken (dürfen). Das gilt nicht nur für Großbauprojekte, sondern auch für Jugendliche. Identifikation – mit
der Schule, dem Jugendhaus, der Gemeinde – entsteht letztlich durch Teilhabe und die Erfahrung von Respekt.
Damit das Dorf bleibt, muss es sich wandeln.

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„Heimat“ ist wieder angesagt – vor allem in ländlichen Regionen hat der Wunsch nach Entschleunigung und Wiederüberschaubarkeit der Lebensumwelt Konjunktur: das Dorf als Hort der Sicherheit und Ruhepol inmitten einer sich global immer schneller und unbeeinflussbarer verändernden Welt: „Hier ist die Welt noch in Ordnung.“ Doch die Prozesse der Individualisierung und Enttraditionalisierung prägen längst auch die Lebenswirklichkeiten auf dem Lande. Insofern werden sich Gemeinden für die Vorstellungen und Bedürfnisse der Jugendlichen öffnen müssen sowie deren Orientierungsmuster und lebensweltliche Praktiken berücksichtigen, wollen sie nicht zur jugendfreien Zone werden. Die Stiftung Respekt!, 2010 aus dem Berliner Archiv der Jugendkulturen heraus gegründet, wollte diese beiden Themen – die ambivalente Renaissance der „Heimatliebe“ und die Lage von Jugendlichen in ländlichen Regionen – genauer untersuchen und verband beide in ihrem Projekt „WIR. Heimat – Land – Jugendkultur“. Gemeinsam mit mehr als 30 Partner*innen realisierte Respekt! ab 2018 einen bunten Strauß aus quantitativen und qualitativen Befragungen, Workshops, Fachtagungen und journalistischen Erkundungen. Dabei wurden die Jugendlichen nicht nur befragt, sondern konnten auch in verschiedenen partizipativen Kreativworkshops eigene Ideen, Wünsche und Positionen entwickeln und dabei erkennen, dass die Erwachsenenwelt sich für ihre Perspektive interessiert. Denn nachhaltige Veränderungen lassen sich heute nur noch erzielen, wenn die Menschen bei der Entwicklung und Implementierung neuer Maßnahmen selbst aktiv mitwirken. Das gilt nicht nur für Großbauprojekte, sondern auch für die kleinteilige Beziehungsarbeit mit Jugendlichen vor Ort. Identifikation – mit der Schule, dem Jugendhaus, der Gemeinde – entsteht letztlich durch Teilhabe und die Erfahrung von Respekt. Ausgangsüberlegungen1
Spätestens seit Ulrich Becks Zeitdiagnosen in den 1980er Jahren gilt es in den deutschen Sozialwissenschaften (und darüber hinaus) als sicher, dass Menschen im Zeitalter einer „zweiten Moderne“ unter veränderten Bedingungen leben: Aufgrund einer weitreichenden ökonomischen Aufwärtsbewegung in der BRD („Fahrstuhleffekt“) nach dem Zweiten Weltkrieg sind zwar die Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht grundsätzlich reduziert, haben alle Milieus jedoch mehr Geld und Freizeit zur Verfügung. Traditionelle Verbindlichkeiten, die aus Klassen- und damit verbundenen Kulturzugehörigkeiten resultieren, erodieren zunehmend. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist ein „Wegbrechen“ vormals selbstverständlicher, traditioneller Orientierungsmuster, Strukturen und Verhaltenssicherheiten. Betroffen davon ist auch ein grundsätzlicher menschlicher Modus des Sich-in-Bezug-Setzens zur Welt: das Gefühl, eine „Heimat“ zu haben. Wenn Menschen heute einerseits pluraler und individueller als zuvor leben, weil sie vom Wohlstandswachstum, einem gewandelten Arbeitsmarkt mit immer mehr Gewicht auf dem Dienstleistungssektor, flexiblen Arbeitszeiten sowie der Bildungsexpansion profitieren, so führt dies andererseits auch dazu, dass Forderungen nach steigender Flexibilität und Mobilität an sie herangetragen werden. Dementsprechend steht jede*r Einzelne immer wieder vor der Aufgabe, sich in andere geografische und soziale Kontexte oder Räume einzuordnen. Was gestern noch als Heimat unhinterfragt vertraut und mit bestimmten Zuschreibungen des Typischen und Überschaubaren verknüpft war, wird durch einen Ortswechsel fragwürdig. Umgekehrt verändern sich Orte und soziale Zusammenhänge durch immer wieder neu Hinzukommende, diese „stören die Ordnung“ mitunter oder finden Niederschlag in Konstruktionen von Etablierten und Außenseitern: „wir und die Anderen“. Und auch den weniger mobilen Menschen kann mit Vorurteilen begegnet werden, die wiederum mit Abgrenzung beantwortet und als Ausgrenzung erlebt werden. So entsteht in ländlichen Regionen mit Rekurs auf Heimat ein neuer Definitionsraum – und eine Arena für Aushandlungen. Eine Folge davon scheint die derzeit in Europa beobachtbare Renaissance des Regionalpatriotismus zu sein. „Heimatliebe“ zu zeigen und auszuleben, ist auch für viele Jugendliche heute nicht mehr peinlich, nicht mehr per sé „rechts“ und „nationalistisch“, sondern Teil ihrer Alltagskultur und Identitätssuche. Dies führt – gerade angesichts der aktuellen Zuwanderungen Geflüchteter auch in die ländlichen Regionen Deutschlands – zu einer weiteren Frage: Wer gehört zu dieser Welt, zu dieser Ordnung? Wer definiert das neue deutsche „Wir“ (und wie)? Jugend(kultur) und ländliche Heimat
Um die Frage nach Heimatkonstruktionen zu beantworten, schien uns die Fokussierung auf Jugendliche und ihre Szenen besonders vielversprechend. Denn diese stellen posttraditionale Vergemeinschaftungsformen dar, die eine eigene Kultur entwickeln und dadurch gesellschaftlichen Tendenzen zur Individualisierung mit Zugehörigkeits- und Identifikationsangeboten begegnen – mit anderen Worten: Jugendlichen eine (kollektive) Heimat geben oder zumindest temporär ein Ort sein können, der Heimat ganz bestimmend mitprägt. Szenen sind in der Lage, besondere Bindeoder Absetzungskräfte zu entwickeln (vgl. z.B. Hitzler/Niederbacher 2010). Sie werden häufig entweder als Anlass genommen, in der Provinz zu bleiben, weil sie etwas bieten, das in der Stadt oder anderswo nicht einholbar zu sein scheint, oder aber als etwas identifiziert, das gerade nicht in der Provinz, dafür aber in der Stadt vorzufinden ist, weswegen die alte Heimat verlassen werden muss. Die Entwicklungen der permanenten Mobilität und die Notwendigkeit, die Heimat zu verlassen, eine neue zu suchen oder gar „mehr-heimig“ zu sein, betreffen insbesondere junge Menschen, die nicht nur von den Effekten der „zweiten Moderne“ stärker betroffen, sondern zusätzlich unter Bedingungen der umfassenden Mediatisierung und Glokalisierung aufgewachsen sind: So wird durch Internet und (digitale) Medien für die Einzelnen nicht nur ein enormes Spektrum soziokultureller Möglichkeiten, Handlungs- und Identifikationsangebote immer transparenter und potenziell verfügbarer, sondern darüber hinaus werden diese Angebote stärker für kulturelle Prozesse der selektiven Aneignung und Neukontextualisierung zugänglich. Das Verfügbarkeitsangebot bewirkt, dass der Reiz steigt, etwas und „sich“ jenseits der Heimat auszuprobieren. Das Kursieren kultureller Angebote bewirkt kulturelle Transformationsprozesse, bei denen das vormals geografisch und kulturell Entfernte oder „Fremde“ immer schneller in die „eigene“ Kultur integriert werden kann (und muss!). Dadurch wird „Heimat“ als Sinnhorizont des Kontinuierlichen und Vertrauten zunehmend fluider und permanent revisionsbedürftig. Aktuelle Veränderungen, die „die Jugend“ in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat, treten in den Städten zwar stärker sichtbar zutage, prägen längst aber auch die Lebenswirklichkeiten auf dem Lande. So klagen Freiwillige Feuerwehren, Karnevals- und Schützenvereine, aber auch kirchliche und andere Jugendgruppen und -verbände vielerorts über Nachwuchsmangel. Selbst Jugendliche, die gerne in Landgemeinden leben, schließen sich nicht mehr automatisch den Jugendgruppen und Vereinen ihrer Eltern und Großeltern an, sondern sie prüfen kritisch: Was bringt MIR das, wenn ich mich dort engagiere? Selbstverständlich prägen die (großstädtischen) Jugendkulturen – und eben die via World Wide Web verbreiteten Informationen – auch Jugendliche auf dem Land. Was für (eher) großstädtische Jugendkulturen schon immer galt, überträgt sich nun also auf die Vereine und Organisationen in den Landgemeinden. Die Jugendlichen dort fordern dies explizit eher selten – sie stimmen „mit den Füßen“ ab und bleiben den Angeboten, die nicht zu ihnen passen, einfach fern. Landgemeinden und dort beheimatete Organisationen werden sich gegenüber den Bedürfnissen der jugendkulturell geprägten Jugendlichen öffnen müssen, wollen sie nicht zur jugendfreien Zone werden. Das bedeutet neue Herausforderungen auch für die Jugendarbeit auf dem Land – nicht zuletzt, damit aus dem „Ich bin dann mal weg“ vieler Jugendlicher vielleicht ein „Ich bleib erst mal hier“ oder „Ich komme gerne zurück“ wird. – Dies ist eine Erkenntnis aus der Online-Befragung im Kontext des WIR-Projektes, die Benjamin Ollendorf, Susanne Borkowski und Günter Mey in diesem Band vorstellen. Das Verhältnis von Jugendlichen zur „Heimat“ ist durch gesellschaftliche, mediale und globale Entwicklungen beeinflusst, die Menschen geografische und geistige Mobilität abverlangen. Der Einfluss dieser Rahmenfaktoren auf die Vorstellungen von Heimat ist sicher hoch. Dennoch gehen wir nicht davon aus, dass diese Faktoren zu einer Homogenisierung von Heimatvorstellungen führen. Vielmehr unterhalten Menschen konstant „intime“ Beziehungen zu...



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