E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Felber Du tust mir nicht gut!
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7495-0385-8
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Toxische Beziehungen erkennen und sich aus ihnen lösen
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-7495-0385-8
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mensch sein heißt, in Beziehung sein Menschen sind soziale Wesen, die sich nach Beziehungen sehnen. Wir leben (oft) in einer Partnerschaft, gründen eine Familie und suchen nach Verbindung – sowohl on- als auch offline. Dabei kann es jedoch immer wieder zu sogenannten toxischen Beziehungskonstellationen kommen, Beziehungen, in denen die Bedürfnisse eines Partners im Vordergrund stehen, während die des anderen nicht beachtet und übergangen werden oder in denen sich die Beziehungspartner*innen dauerhaft nicht guttun. In diesem Buch wird aufgezeigt, - welche Formen toxische Beziehungen (nicht nur in der Partnerschaft, sondern auch im Freundes- und Kolleg*innenkreis) annehmen können, - wie und warum toxische Beziehungskonstellationen entstehen, - woran man erkennt, dass man sich in einer toxischen Beziehung befindet, und - wie es gelingt, toxische Beziehungsdynamiken (gemeinsam) aufzulösen oder die Beziehung zu beenden. Übungen zu den Themen Selbstliebe und Selbstvertrauen unterstützen die Leser*innen auf ihrem Weg in eine glückliche Beziehung. Denn: Je mehr man zu sich selbst findet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für gesunde Beziehungen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Allgemeines
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Kognitionspsychologie Emotion, Motivation, Handlung
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Sozialpsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie
Weitere Infos & Material
Einleitung
„Chris macht mich kaputt! Ich weiß, dass ich mich trennen muss,
aber ich schaffe es einfach nicht.“ Kommt Ihnen diese Erkenntnis bekannt vor? So fasst Marie ihr Anliegen zusammen, als sie das erste Mal in meine Beratung kommt. Sie ist eine überdurchschnittlich schöne, kluge und reflektierte Frau Mitte 30, die derzeit an einer Universität als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist. Sie steht, wie man so schön sagt, mit beiden Beinen im Leben und auf den ersten Blick würde wohl niemand vermuten, was sie in den letzten drei Jahren durchgemacht hat. Alles fing damit an, dass sie auf einer einschlägigen Dating-App eine Nachricht von Chris bekam. Marie schrieb nicht gleich zurück. Es war eine recht oberflächliche Anfrage à la „Hi, wie geht es dir?“, berichtet Marie. Ein paar Tage später antwortete sie dann doch. „Ich glaube, es war einfach Langeweile“, sagt sie heute. Chris schrieb sofort zurück. Das habe ihr gefallen. Sie texteten eine Weile, um sich dann schließlich an einem Wochenende im Juli das erste Mal zu treffen. Sie machten einen Spaziergang am Strand und gingen danach noch etwas trinken. „Chris war sofort Feuer und Flamme“, erzählt Marie, „ich fand ihn am Anfang eher nicht so toll – auch optisch nicht“. Chris erzählte viel von sich, seinen Hobbys, seinem Job und seinen Zukunftsplänen mit Familie, Haus und Garten. Marie hielt sich zurück. Sie sei generell schon immer eher der stille Typ gewesen, erklärt sie. Spät in der Nacht schickte Chris eine überschwängliche Nachricht. Er beteuerte, dass dies mit Abstand der schönste Tag in seinem Leben gewesen sei. Marie schrieb erst am nächsten Tag zurück, denn das fand sie „irgendwie drüber“. Doch Chris blieb am Ball, war aufmerksam und überschüttete sie mit Komplimenten. Schließlich gab sie nach und traf sich erneut mit ihm. Seine Hartnäckigkeit habe ihr ziemlich geschmeichelt, räumt sie heute ein. So trafen sich die beiden in den darauffolgenden Wochen immer öfter. Chris war sehr aufmerksam und liebevoll. Er schickte sogar Blumen. „Eine innere Stimme warnte mich schon damals. Es war alles ein bisschen schnell, alles ein bisschen viel, aber ein Bauchgefühl ist eben nur ein Bauchgefühl“, äußert Marie. Eines Tages, Marie weiß heute gar nicht mehr genau, wann, war sie bis über beide Ohren verknallt. Ab da nahm das Elend seinen Lauf. Chris wurde von Tag zu Tag abweisender. Er meldete sich nur noch selten und seine wenigen Nachrichten klangen ganz und gar nicht mehr verliebt und euphorisch, sondern distanziert und abgeklärt. Marie ist sich nicht mehr sicher, meint sich aber dunkel zu erinnern, dass sich das Blatt nach dem ersten Sex langsam zu wenden begann. Je mehr Chris sich von ihr abwendete, desto mehr tourte sie hoch. Plötzlich war sie diejenige, die ihn täglich sehen wollte und ihn mit Nachrichten überhäufte. „Ich wurde regelrecht zur Stalkerin. Ich verstehe bis heute nicht, was eigentlich mit mir los war“, beichtet Marie verlegen. Obwohl Chris’ Interesse merklich weniger wurde, begann er, Marie mehr und mehr zu kontrollieren. Eines Abends bekam er einen furchtbaren Tobsuchtsanfall, weil er eine Nachricht von einem Freund in Maries Handy gefunden hatte. So kannte sie ihn bis dahin gar nicht. „Damals hatte ich schon irgendwie Angst vor ihm. Eigentlich wollte ich an diesem Abend die Beziehung beenden“, erinnert sie sich. Aber dann erzählte Chris ihr von seiner traurigen Beziehung zu seiner Ex. Jenna habe ihn über Monate betrogen, und deshalb könne er heute so schwer Vertrauen fassen. Marie schämte sich für ihre vorschnellen Trennungsgedanken, verzieh ihm die Handyschnüffelei und gab ihm eine zweite Chance. Doch die Wutanfälle häuften sich. Anstatt sich zu entschuldigen, redete Chris tagelang nicht mit Marie, strafte sie mit Liebesentzug. Frieden herrschte erst wieder, wenn sie sich entschuldigte. Für was auch immer. Zu den regelmäßigen Anfällen kamen mit der Zeit kleine und große Beleidigungen, Respektlosigkeiten und Geschichten mit anderen Frauen. Zwei- oder dreimal wurde er auch handgreiflich. „Er ist ein super Geschichtenerzähler“, schildert Marie. „Irgendwie habe ich ihm dann doch immer wieder verziehen.“ Mit Familie und Freunden sprach Marie zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr über ihre Beziehung. Zum einen, weil sie sich schämte. Zum anderen, weil sie nicht wollte, dass sich jemand um sie sorgte. So verschanzte sie sich fast drei Jahre hinter dem, was sie, wie sie sagt, eh immer besonders gut konnte: zuhören, sich um andere kümmern und sich selbst unsichtbar machen. „Ich war schon immer eher der Geber- als der Nehmer-Typ,“ reflektiert Marie. Heute sind Marie und Chris verheiratet. Sie leben gemeinsam in einem Einfamilienhaus in Strandnähe. Nach außen scheint alles perfekt. Aber Marie kommt immer weniger zurecht. Sie ist antriebslos, ängstlich und war in den letzten Monaten mehrfach krankgeschrieben. An einigen Tagen schafft sie es nur noch schwer aus dem Bett. Außerdem leidet sie unter einer schlimmen Migräne. Chris hat eine Freundin, die in den nächsten Monaten ein Kind von ihm bekommt. Er liebe Marie, beteuert er immer wieder. Milla habe ihm das Kind untergeschoben und nun müsse er sich ja auch kümmern. Maries Familie weiß bis heute nichts von ihren Beziehungsproblemen. „Das Verhältnis zu meinen Eltern war nie besonders gut. Auch nicht wirklich schlecht. Aber ich fühlte mich immer ein Stück für meine Eltern verantwortlich und kümmerte mich im Prinzip schon als Kind mehr um sie als umgekehrt“, äußert Marie sich auf meine Nachfragen. Ihre engsten Freundinnen wissen mittlerweile um ihre „Problembeziehung“. Sie versuchen, sie zu unterstützen, wo sie nur können. Aber Marie schafft den Absprung nicht. Mehrfach hat sie bereits versucht, sich zu trennen. Am Ende ist sie jedes Mal zurückgegangen. „Ich brauche Hilfe. Dieses Mal muss ich es schaffen, sonst gehe ich zugrunde.“ * Ist Ihnen das eine oder andere aus Maries Geschichte vertraut? Fragen Sie sich (vielleicht auch schon länger), ob auch Sie in einer toxischen Beziehung leben? Oder haben Sie vielleicht längst Gewissheit darüber, aber es gelingt Ihnen nicht, etwas an der Beziehung zu verändern oder endgültig und ohne Rückfall mit ihr abzuschließen? Möglicherweise sind Sie auch nicht selbst betroffen, kennen solche oder ähnliche Fälle aber aus Ihrem privaten oder beruflichen Kontext? Dann ist dieses Buch vielleicht genau das Richtige für Sie. Gern möchte ich Sie ein Stück weit auf Ihrem Weg begleiten und Ihnen dabei helfen, Antworten auf Ihre Fragen zu finden. Ich zeige Ihnen, was gesunde Bindungen ausmacht, woran Sie toxische Beziehungen erkennen können und wie es Ihnen aktiv und eigenverantwortlich gelingen kann, sich (dauerhaft) aus destruktiven Dynamiken zu lösen. Dabei ist es mir ein großes Anliegen, Ihnen keine plakativen Pauschalantworten zu präsentieren, die Sie schon hundert Mal gehört oder gelesen haben. Vielmehr möchte ich Sie dabei unterstützen, Ihre eigenen Antworten zu finden. Dabei helfen Ihnen die Coaching-Impulse, Anregungen und Übungen in diesem Buch. Für unseren gemeinsamen Weg möchte ich an dieser Stelle die etwas hölzerne Höflichkeitsform verlassen und Sie von nun an duzen. Beziehungsthemen sind naturgemäß immer intime Themen. Man bespricht sie nicht gern mit Fremden. Ich möchte daher, dass wir beide uns möglichst auf (sprachlicher) Augenhöhe begegnen, denn dieses Buch ist nicht auf einen belehrenden Monolog meinerseits, sondern – in Anlehnung an meine Coachings – auf einen gemeinsamen Dialog ausgelegt. Mensch sein heißt in Beziehung sein. Als soziale Wesen sehnen wir uns – von einigen wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – nach Bindung. Wir leben in Partnerschaften. Wir gründen Familien. Wir suchen uns Freunde1 und tummeln uns auf Social-Media-Plattformen. Kein Wunder also, dass es im Laufe unseres Lebens (fast) zwangsläufig zu der einen oder anderen destruktiven Beziehungskonstellation kommen kann. Insbesondere toxische Paarbeziehungen wie die von Marie und Chris bringen zumeist viel Leid, Verzweiflung und Ratlosigkeit für die Betroffenen mit sich. Da unsere Partner die Menschen sind, die uns am nächsten stehen – einmal abgesehen von unseren Kindern oder unserer Herkunftsfamilie – und mit denen wir die meiste Zeit verbringen, überrascht dieser Umstand nicht. Doch toxische Strukturen treten nicht ausschließlich in Paarbeziehungen auf. Auch Freundschaften und Beziehungen zu Familienmitgliedern oder Arbeitskolleginnen können toxisch sein. Hier sind die Konflikte zwar in den meisten Fällen subtiler, aber nicht zwangsläufig weniger belastend. Eine Beziehung zu einem Freund, der immer nur von sich erzählt, kann ebenso toxisch für dich sein wie die zu einer egomanen Partnerin. Gleiches gilt für die Kollegen, die dir auf der Arbeit jeden Tag das Leben schwer machen. Jede Beziehung kann toxisch sein! Alles, was es für eine toxische Beziehung braucht, sind zwei Menschen, die sich in eine destruktive Dynamik verstricken. Die Erscheinungsformen sind dabei vielfältig. Sie reichen von einseitig generierten Dynamiken, wie z. B. Beziehungen zu Gewalttätern und Narzisstinnen, bis hin zu wechselseitig generierten Dynamiken, wie z. B. Beziehungen zwischen Geber- und Nehmer-Typen oder Nähe- und Distanzpolen. Je nach Dynamik-Typ gibt es unterschiedliche Handlungsspielräume für die Betroffenen. So lassen sich viele Dynamiken gemeinsam verändern oder auflösen. Bei anderen bleibt als Lösung nur das Beenden der Beziehung. Ein Ziel dieses Buches besteht darin, dir mehr Klarheit über deine Optionen zu...