Felder | Inklusion und Gerechtigkeit | Buch | 978-3-593-39591-3 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 956, 319 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 400 g

Reihe: Campus Forschung

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Inklusion und Gerechtigkeit

Das Recht behinderter Menschen auf Teilhabe
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-593-39591-3
Verlag: Campus

Das Recht behinderter Menschen auf Teilhabe

Buch, Deutsch, Band 956, 319 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 400 g

Reihe: Campus Forschung

ISBN: 978-3-593-39591-3
Verlag: Campus


Behinderte Menschen haben ein Recht auf Inklusion. Franziska Felder liefert dafür eine ethische Begründung, die der teilweise sehr emotional geführten Debatte eine rationalere Grundlage verleiht: Welche Ansprüche lassen sich auf der Grundlage moralischer Rechte legitimieren und welche müssen dem freiwilligen Verhalten von Menschen überlassen bleiben? Auch zeigt sich, dass die normative Bedeutung von Inklusion in der Ermöglichung und Absicherung von Freiheit, Anerkennung und Entwicklung liegt und dass Inklusion für das gute Leben von Menschen eine herausragende Bedeutung hat.
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Inhalt

Vorwort 9

1. Einleitung 11
1.1 Fünf Beispiele 11
1.2 Die Bedeutung der Frage nach einem moralischen Recht auf Inklusion 15
1.3 Die Notwendigkeit des Erbringens einer Begründungsleistung für Inklusion 17
1.4 Der Aufbau der Arbeit 23

Teil I: Grundlagen

Einleitung 29
2. Begriff, Struktur und Funktion von Rechten 31
2.1 Der Begriff und die Funktion von Rechten 34
2.1.1 Freiheiten, Kompetenzen, Immunitäten und Ansprüche 36
2.1.2 Positive und negative Rechte 38
2.1.3 Rechtsobjekt, Rechtssubjekt, Rechtsgegenstand 39
2.1.4 Das Verhältnis von Rechten und Pflichten 41
2.2 Die Begründung von Rechten 42
2.2.1 Willenstheorie 43
2.2.2 Interessentheorie 47
2.3 Zwei Ebenen von Interessen 51
2.3.1 Bedürfnisse 51
2.3.2 Pläne und Ziele 54
2.4 Fazit 56
3. Behinderungsmodelle 59
3.1 Das medizinische Modell von Behinderung 63
3.2 Das soziale Modell von Behinderung 69
3.3 Das Wohlbefindensmodell von Behinderung von Kahane und Savulescu 75
3.4 Das Wohlergehensmodell von Behinderung 81
3.5 Fazit 83
4. Mögliche Antworten auf die Frage nach dem guten Leben 85
4.1 Hedonistische Theorien 86
4.2 Wunschtheorien 89
4.3 Objektive Theorien 92
4.4 Der Capability-Ansatz von Amartya Sen und Martha Nussbaum 95
4.4.1 Verwirklichungschancen und Funktionen 96
4.4.2 Die Schwierigkeiten des Capability-Ansatzes 99
4.4.3 Ein modifizierter Capability-Ansatz 106
4.5 Fazit 111

Teil II: Inklusion

Einleitung 117
5. Die Struktur von Inklusion 129
5.1 Gemeinschaftliche versus gesellschaftliche Inklusion 135
5.2 Gemeinschaftliche Inklusion 140
5.2.1 Partizipative versus exklusive Grundstrukturen von Gemeinschaften 145
5.2.2 Gemeinschaftliche Inklusion und die Bedeutung von Intentionalität 152
5.2.3 Passive Partizipation als Form von Inklusion 158
5.3 Gesellschaftliche Inklusion 163
5.3.1 Inklusion in den Sozialstaat 168
5.3.2 Inklusion in den politischen Bereich 171
5.4 Fazit 180
6. Die normative Relevanz von Inklusion 183
6.1 Die Bedeutung sozialer Intentionalität für Inklusion 190
6.2 Die Bedeutung von Anerkennung für Inklusion 195
6.3 Die Bedeutung von Freiheit für Inklusion 207
6.4 Freiheit, Entwicklung, Anerkennung und Inklusion 215
6.5 Fazit 221
7. Das Recht auf Inklusion 223
7.1 Soziale Ungleichheit und strukturelle Benachteiligung 228
7.2 Der Staat als moralischer Agent 238
7.3 Das Interesse an Nicht-Exklusion und an Inklusion 243
7.3.1 Das Recht auf Nicht-Diskriminierung 244
7.3.2 Das Recht auf die Ermöglichungsbedingungen von Inklusion 254
7.3.3 Die Inhalte des Rechts auf die Ermöglichungsbedingungen von Inklusion 258
7.4 Ein - vorerst ernüchterndes - Fazit 262
7.5 Inklusionstugenden 263
7.6 Die Utopie einer guten Gesellschaft 266
7.7 Fazit 267

Teil III: Anwendung

Einleitung 275
8. Inklusion und Sonderpädagogik 277
8.1 Die Aufgaben von Disziplin, Profession und Praxis in Hinblick auf Inklusion 277
8.2 Die Grenzen des Inklusionsauftrags in der Sonderpädagogik 288
8.3 Die Herausforderungen sonderpädagogischen Handelns und Wissens 293
8.4 Fazit 298

9. Fazit und Ausblick 300

Literatur 304


Die Frage nach einem moralischen Recht auf Inklusion für behinderte Menschen ist aus zwei Gründen interessant und bedeutsam. Erstens ist Inklusion ein Wert, auf den oft und in unterschiedlichen politischen und sozialen Zusammenhängen referiert wird (vgl. Buchanan 1993; Hillmert 2009; Wansing 2009; Wilson 2000; Young 1989). Auch beziehen bestimmte Disziplinen, beispielsweise die Sonderpädagogik oder die soziale Arbeit, einen Großteil der Legitimität ihres Handelns daraus, ob und wie sie die soziale Inklusion benachteiligter Menschen fördern. Inklusion ist ein Ziel professionellen Handelns in diesen Disziplinen, Professionen und Praxen. Damit ist Inklusion ein konzeptioneller Schlüsselbegriff, der sowohl in unterschiedlichen wissenschaftlichen, professionellen, praktischen und politischen Diskursen als auch im Alltagsleben von Menschen Anwendung findet.

Zweitens involvieren moralische Rechte besonders starke moralische Ansprüche. Denn Rechte implizieren Pflichten auf anderer Seite, sich in bestimmter Weise zu verhalten. Haben Menschen also ein Recht auf Inklusion, bestehen Pflichten auf Seiten anderer Menschen oder Institutionen. Damit sind die Pflichten, welche durch die Rechte ausgelöst werden, von besonderem Interesse. Kann nämlich ein moralisches Recht auf Inklusion aufgezeigt und mit Gründen unterlegt werden, haben die betreffenden Disziplinen und Praxen in ihrem anwaltschaftlichen Auftrag besondere Trümpfe in der Hand. Dasselbe gilt für die Betroffenen selbst. Inklusion ist so betrachtet nämlich keine Sache von Freiwilligkeit oder Wohltätigkeit mehr.

Die Frage nach einem Recht auf Inklusion mag einige Leserinnen und Leser, beispielsweise in der Sonderpädagogik, auf den ersten Blick verwirren, denn ihre positive Beantwortung wird in dieser und anderen Disziplinen gemeinhin vorausgesetzt. Die Frage, könnte man demnach schließen, ist eine rhetorische und zudem eine gefährliche, da sie das Recht auf Inklusion vorgängig in Frage stellt.

Ich möchte im Folgenden allerdings zeigen, dass diese Einschätzung vorschnell wäre. Denn im Zentrum meines Interesses steht nicht nur die generelle Frage nach einem Recht auf Inklusion, sondern auch die folgenden Anschlussfragen: Wenn ja, worauf genau? Wie sieht ein solches Recht aus? Ist ein Recht auf Inklusion ein spezielles Recht, das nur bestimmten Menschen zukommt, nämlich solchen, von denen man sagt, sie hätten eine Behinderung? Kommt ihnen dies gegebenenfalls als Gruppe zu? Oder ist es ein allgemeines Recht, das allen Menschen zukommt? Hat ein Recht auf Inklusion, wenn es das denn gibt, Grenzen, und falls ja, wie lassen sich diese begründen? Was bedeuten die Pflichten, die mit Rechten korrespondieren? Wer muss diese Pflichten tragen, einzelne Individuen oder Gruppen? Was ist der genaue Inhalt dieser Pflichten? Kann darüber hinaus etwas über Forderungen nach Inklusion aus ethisch-normativer Sicht gesagt werden? Und schließlich: Gibt es neben einem Recht auf Inklusion auch andere moralische Kategorien, mit denen Forderungen untermauert werden könnten, beispielsweise Tugenden der Inklusion?

Zwei offene Fragen: Die Konzepte Behinderung und Inklusion

Einige der oben genannten Anschlussfragen verweisen auf die Konzepte von Behinderung und Inklusion, die es zu klären gilt. Die Frage nach einem Recht behinderter Menschen auf Inklusion weist somit jenseits der Klärung der Struktur, der Funktion und der Inhalte moralischer Rechte auf zwei weitere offene Fragen hin: Erstens, was versteht man im vorliegenden Zusammenhang unter einer Behinderung? Zweitens, was bedeutet Inklusion respektive wie sind die Struktur und die normative Relevanz von Inklusion zu sehen? Was, mit anderen Worten, bedeutet es, inkludiert zu sein und warum ist dies wichtig für das Leben von Menschen?

Stellt man die Frage nach einem Recht behinderter Menschen auf Inklusion, weist dies erstens darauf hin, dass in der Behinderung offensichtlich mangelnde oder gescheiterte Inklusion verborgen liegt. Behinderung ist, mit anderen Worten, ein Problem oder eine Herausforderung für die Inklusion der betroffenen Menschen. Was auf den ersten Blick tautologisch wirkt, weist letztlich darauf hin, dass Inklusion und Behinderung in der vorliegenden Arbeit in einem wechselseitigen Begründungsverhältnis stehen. Was nämlich genau als Problem oder als Herausforderung für die betroffenen Menschen gesehen wird, zeigt sich erst vor dem Hintergrund eines bestimmten Verständnisses von Behinderung. Behinderung und Inklusion verweisen also in der Hauptfrage der Arbeit wechselseitig aufeinander, und zwar nicht hinsichtlich der Konzepte selbst - die Struktur und Bedeutung von Inklusion erschließen sich auch ohne Bezug zu Behinderung - sondern hinsichtlich der Interpretation der lebensweltlichen Problematik und im Zuge dessen auch in der Beurteilung derselben durch Disziplinen wie der Sonderpädagogik oder der sozialen Arbeit.

Um zu verdeutlichen, was ich damit meine, kann man sich folgende mögliche Interpretation der Problematik von Behinderung und Inklusion vor Augen führen: Setzt man eine Behinderung mit einer intrinsisch bedingten Schädigung der Körperfunktionen und -strukturen gleich, ist es naheliegend, die Ursachen für mangelnde oder fehlende Inklusion in abwesenden
individuell-intrinsischen Faktoren - beispielsweise Intelligenz oder Körperstärke - zu sehen. Versteht man unter Inklusion weiter eine aktive Partizipation in einem bestehenden Kontext, beispielsweise einer Schulklasse, würde Unterstützung und Hilfe vordringlich daran anschließen, die Betroffenen für ihre Inklusion ›fit‹ zu machen. Fehlende Ressourcen oder inadäquate Strukturen werden aber nicht prominent thematisiert, sondern tauchen, wenn überhaupt, höchstens am Rande auf.

Dieses Beispiel zeigt, dass es notwendig ist, die beiden Konzepte Behinderung und Inklusion zu klären, bevor man dazu übergehen kann, die Frage nach einem moralischen Recht auf Inklusion für behinderte Menschen zu beantworten. Die Erarbeitung eines Konzepts von Behinderung, insbesondere der normativen Relevanz von Behinderung, sowie der Struktur und normativen Bedeutung von Inklusion wird dementsprechend in der Arbeit viel Raum einnehmen und die Grundlage zur Beantwortung der eigentlichen Hauptfrage liefern.


Felder, Franziska
Franziska Felder, Dr. des., ist Studienleiterin des Bereichs "Gesellschaft und Behinderung" an der Paulus-Akademie Zürich und Assistentin am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich.

Franziska Felder, Dr. phil., ist Studienleiterin des Bereichs "Gesellschaft und Behinderung" an der Paulus-Akademie Zürich und Assistentin am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich.



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