Fennelly Mord auf der Klappe
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86787-408-3
Verlag: Bruno Books, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, Band 7, 208 Seiten
Reihe: Die Besten
ISBN: 978-3-86787-408-3
Verlag: Bruno Books, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Während er seinen Schwanz durch ein Loch in einer Toilettenwand schiebt, wird Hubert Loomis auf abscheuliche Weise ermordet. Hobby-Ermittler Matty Sinclair geht in der Schwulenszene auf Spurensuche - ausgestattet mit Instinkt und einer guten Portion Überheblichkeit. Mit 'Mord auf der Klappe' hat die Amerikanerin Tony Fennelly einen geistreichen und urkomischen Krimi vorgelegt, der zum Kultklassiker wurde.
Tony Fennellys Biografie ist nicht weniger bunt als ihre Kriminalromane. Geboren 1945 in New Jersey, arbeitete sie unter anderem als Damenwäscheverkäuferin, Sozialarbeiterin und Stripperin, bevor sie die Schauspielschule der Universität von New Orleans besuchte. Mitte der Achtziger veröffentlichte sie mit Mord auf der Klappe ihren ersten Kriminalroman, den sie in der schwulen Subkultur von New Orleans spielen ließ. Sie schrieb noch zwei weitere Fälle mit Matty Sinclair als Hauptfigur, bevor sie mit der Margo Fortier-Reihe eine neue Ermittlerin in den Mittelpunkt ihrer Krimis rücken ließ.
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ERSTES KAPITEL SAMSTAGNACHMITTAG Ich fühle mich nicht als Teil der schwulen Subkultur von New Orleans. Irgendwann zwischen Herpes und AIDS hörte ich auf, in die Bars und Saunas zu gehen. Seit einiger Zeit scheint es mir auch angebracht, meine Körperkontakte auf einen Partner zu beschränken und ihn wie ein Habicht im Auge zu behalten. Natürlich bin ich schwul. Und das ganz und gar nicht verschämt. Aber das macht bei Gott nicht meine gesamte Identität aus. Wenn da also eine Hinterzimmertunte mausetot, den Schwanz in einem Klappenloch, aufgefunden wird, dann ist das kein Problem, mit dem ich mich identifizieren könnte. Ich heiße Matthew Arthur Sinclair. Matty für meine Freunde. Ich habe und hatte nie einen schwulen Künstlernamen. Während ich dies schreibe, bin ich 37 Jahre alt, aber ich habe noch alle Haare. Und ich halte meinen Körper mithilfe dreier selbstquälerischer Stunden pro Woche auf Nautilus-Geräten in anständiger (wenn nicht sogar überwältigender) Kondition. Im Solarium würde man mich nicht gerade mit Conan, dem Barbaren, verwechseln, aber ich bin das, was man attraktiv nennt. Besonders für Frauen (was manchmal verdammt lästig ist), obwohl ich auch bei Männern ganz gut dastehe. So gut sogar, dass ich selten auf mich selbst angewiesen bin. Mein Laden, New Traditions, hat in den zehn Jahren, die wir im Geschäft sind, jedes Jahr Gewinn abgeworfen. Das verdankt er meinem Geschmack und Scharfsinn. Seit fast zwanzig Jahren gehe ich regelmäßig in alle Konzerte in New Orleans und habe eine Dauerkarte fürs Museum. Diese faszinierenden Daten teile ich nur mit, um klarzustellen, dass ich ein Mann von einiger Urteilskraft bin, der nichts für grelle Sensationen übrig hat. Und deshalb war ich höchst ungehalten, als Inspektor Frank Washington von mir erwartete, ich solle mich für seine scheußliche tote Tunte interessieren. Robin hätte ihn erst gar nicht in mein Privatbüro lassen sollen. Ich hatte dem Jungen lang und breit erklärt, dass wir nicht verpflichtet sind, ohne Durchsuchungsbefehl irgendwelche Beamten hereinzulassen. Aber er lässt sich von Autoritätsfiguren leicht einschüchtern (oder animieren). Robin Fearing wohnt bei mir, aber es würde die Sache romantisieren, ihn als meinen Liebhaber zu bezeichnen. Der Begriff »Liebhaber« unterstellt, dass man Gefühle erlebt und eine Wahl getroffen hat. Was bei uns nicht der Fall ist. Es ist erst vier Monate her, dass der Junge auf meiner Schwelle aufkreuzte und erklärte, er brauche einen Job. Meine Putzfrau war mir eine Woche zuvor weggelaufen oder gestorben oder was, und ich hatte eine Annonce in der Times-Picayune aufgegeben. Robin hatte zufällig ein zerknittertes Exemplar in der Lobby des Fairmont-Roosevelt aufgelesen, wo er tagsüber arbeitete und auf den Strich ging. Ich nahm an, dass ihm der Hausdetektiv auf die Schliche gekommen war und ihm nahegelegt hatte, unauffällig zu verschwinden, wenn er seine Zähne behalten wollte. Jedenfalls hatte er gehört, dass mein Laden für seinen Schick berühmt war, und seine Dienste angeboten. (Als Hausmeister – ausgerechnet.) Die Unzulänglichkeiten des süßen Robin sind himmelschreiend, aber sein Sex-Appeal auch. Mit seinen seidigen, weizenblonden Locken und seinen braunen Telleraugen ist er der 50er-Jahre-Blondine Sandra Dee wie aus dem Gesicht geschnitten. Meinen verbrauchten Augen erscheint sein Körper so vollkommen, wie es nur der eines Teenagers sein kann. Der Junge war gerade achtzehn. Das schwor er jedenfalls. Und wenn er jünger war, wollte ich es nicht wissen. (Gott helfe mir.) Ich gestattete also diesem kleinen Schlawiner, sich in meinem Leben einzunisten. Er übernimmt Gelegenheitsarbeiten im Laden (träge), kocht meine Mahlzeiten (nach dem Zufallsprinzip) und praktiziert jede sexuelle Annehmlichkeit, die ich mir vorstellen kann (brillant). Eine Rose ohne Dornen ist Robin allerdings nicht. Mich mit diesem jungen vitalen Blut herumzutreiben, erinnert mich immer daran, wie viel Energie ich früher hatte. Unter praktischen Gesichtspunkten wäre eher ein Mann in meinem Alter angemessen. Aber der wäre weniger beflissen. Wenig geben, wenig kriegen. An diesem ansonsten angenehmen Samstagnachmittag polterte Frank im Bullen-Stil durch den Laden, als ob es seiner wäre. »Nettes Himmelbett, was du da hast.« »Eine Kopie, handgeschnitzt in Deutschland. Ist gerade der letzte Schrei.« »Wie teuer?« »Bloß viereinhalbtausend.« »Jesus!« »Den Baldachin gebe ich dir dazu. Bist du vorbeigekommen, um ein paar Sachen für deinen Slum einzukaufen?« »Kein anständiger Bulle kann sich diesen Laden leisten. Das weißt du doch.« »Das ist Absicht, Liebes. New Traditions ist ausschließlich für die Reichen und die Angeber. Also. Was kannst du für mich tun?« »Es muss heißen: Was kannst du für mich tun, Matty.« Washington ließ sich auf einen Louis-Quatorze-Sessel nieder. »Du kannst mir bei einem Mordfall helfen.« »Ts, ts. Jemand, den ich kenne?« »Er hieß Hubert R. Loomis. Wohnte drüben in St. Bernard.« »Ein deprimierender Bezirk. Mit Leuten, die da wohnen, verkehre ich nicht.« »Aber die Todesart könnte dich interessieren.« Frank zog ein schäbiges Notizbuch mit Leopardenmuster aus seinem Mantel und las vor: »›Der Verstorbene wurde gestern Abend einige Minuten nach zehn auf der Männertoilette der Ramrod Lounge in der Toulouse Street gefunden.‹ Ich nehme an, das Männerklo ist die größte Attraktion dieser Bar.« »Weiß ich.« Er räusperte sich. »Dann weißt du auch, dass es ein Homosexuellentreff ist. Sie treffen sich da und machen … ist ja auch egal.« Als Weißer wäre er jetzt sogar rot geworden. »Es gibt zehn Toilettenzellen. Und jede hat ein Loch in der Wand, in knapp einem Meter Höhe.« »Die beste Höhe«, sagte ich hilfsbereit. »Das ist das Klappenloch«, krähte Robin, wie immer bereitwillig seine Degeneriertheit zur Schau stellend. »Den Begriff habe ich schon mal gehört.« Frank zupfte an seinem Haar, als ob er die Krause rausziehen wollte. »Aus den Kabinen heraus geben sich die Männer ein Zeichen, und dann haben sie durch das Loch hindurch Geschlechtsverkehr. Sie brauchen sich nicht zu begegnen. Oder sich auch nur ins Gesicht zu sehen.« »Was kann man in einem Gesicht schon groß sehen?« »Das Anonyme daran gefällt einigen. Wie dem Verstorbenen.« Er nahm seinen Block wieder zur Hand. »Hubert Loomis war Familienvater. Der Mann lebte in der schicken und teuren Belle Ormaie-Siedlung. Er besaß und leitete eine Wartungsfirma für Kräne jenseits der Bezirksgrenze. Sehr erfolgreich. Seine Frau ist Krankenschwester auf der Altenpflegestation im Charity, und sie haben drei Kinder.« »Das freut mich für ihn.« »Nicht, wenn du hörst, wie er gestorben ist.« »Danke, ich verzichte.« »Nein, das ist aufregend.« Robin fiel fast aus seinem Windsorstuhl. »Erzählen Sie uns alle grässlichen Details.« »Das mache ich auch.« Frank nahm seinen Block wieder, um mit gespielter Gleichgültigkeit wie aus einem Drehbuch vorzulesen. »Als der Verstorbene seinen Penis durch das Loch gesteckt hatte, vermutlich in der Hoffnung auf einen Kontakt…« »Oh Gott.« »… stießen eine oder mehrere unbekannte Personen ein langes, dünnes Objekt mitten durch. Eine riesige Hutnadel zum Beispiel.« Er knirschte mit den Zähnen, als spürte er besagte Hutnadel persönlich. »Dadurch war Mr. Loomis nicht in der Lage, sich aus dem Loch zu befreien. Und dann kam der Täter in seine Klokabine und betäubte ihn vorübergehend mit einem Schlag auf den Hinterkopf. Er wusste genau, wo und wie hart er zuschlagen musste. Genau hier.« Frank zeigte es uns an seinem eigenen Kopf. »Vielleicht war es ein Profi-Killer. Dann konnte er Mr. Loomis’ Hände auf dem Rücken fesseln und ihn mit einer Sportsocke knebeln.« »Mit einer sauberen Sportsocke?« Frank fiel einen Moment lang aus der Rolle. »Sauber? Was zum Teufel macht das, ob sie sauber war oder nicht?« »Ich hätte keine Lust, in was Perverses reingezogen zu werden.« »Verdammt, Matty, das ist eine tragische Sache.« »Hören Sie jetzt bloß nicht auf! Erzählen Sie mehr!«, zwitscherte mein blutrünstiger kleiner Geliebter. New Orleans Wackerster beugte sich über seine Notizen. »Während Mr. Loomis dort in dieser Weise festgehalten wurde, führten eine oder mehrere Personen eine ätzende Substanz« – Washingtons Stimme wurde trocken und brach – »in sein Rektum ein.« »Wie furchtbar!« Robins Augen tanzten. »Eingeführt? Wie?« »Mithilfe eines Feuerlöschers, wie ihn die Marine benutzt. So klein, dass man ihn unter einem Mantel oder einer Jacke verstecken kann. Wir haben ihn auf dem Gelände gefunden.« Ich hob den Finger, um zu widersprechen. »Ich habe ein Dutzend von diesen Feuerlöschern in der Nähe, aber die Chemikalie ist nicht ätzend.« »Normalerweise nicht. Aber dieses eine Exemplar ist geleert und mit Natriumhydroxyd gefüllt worden.« »Aua!« »Es wurde ein Stahlstutzen angeschweißt, damit er leichter einzuführen war, und der wurde mit Gleitcreme eingeschmiert.« »Dank sei Gott für kleine Wohltaten«, sprang ich ein. Aber ich hatte schon seit einiger Zeit das Interesse an dem Thema verloren und begann, ein nachgemachtes Fabergé-Ei zu polieren. »Dieses...