Finck | Superbia | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 390 Seiten

Reihe: Todsünden

Finck Superbia

Hochmut
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7568-4584-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Hochmut

E-Book, Deutsch, Band 1, 390 Seiten

Reihe: Todsünden

ISBN: 978-3-7568-4584-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dr. Martin Hub ist genervt: von seiner Ehe, seiner Tätigkeit als Hausarzt, seinem Leben. Als er eines Abends auf dem Heimweg eine brutal zugerichtete Frau findet, leistet er nur widerwillig erste Hilfe. Nach einiger Zeit muss er feststellen, er ist tiefer in diesen Fall verstrickt, als ihm lieb ist. Doch als er das erkennt, ist es bereits zu spät...

Martina Finck, Jahrgang 1984, geboren und aufgewachsen im nördlichen Brandenburg, lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie auf einem landwirtschaftlichen Hof in ihrer Wahlheimat dem Hunsrück. Die gelernte Laborantin arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einem bekannten Biotechnologiekonzern. Selbst eine leidenschaftliche Krimi- und Thrillerleserin begann sie schon früh erste Geschichten zu schreiben. Superbia ist ihr erster veröffentlichter Roman.

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Kapitel 1
Mittwoch, 21.06.2017 Ich war wie stets in Eile. Sämtliche Patientenbesuche hatten sich verzögert. Wie eigentlich immer. Ich entschloss mich, die Abkürzung über einen asphaltierten, landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg zu fahren. Es war inzwischen fast 22 Uhr, ich würde also sicher keine Polizeikontrolle befürchten müssen und sparte so eine Viertelstunde Fahrtzeit. Der Weg war halbwegs gut ausgebaut, die Anzahl der Schlaglöcher hielt sich in Grenzen. Er schlängelte sich durch ein langgezogenes Tal, war gesäumt von Wiesen, Feldern und Schwarz- und Weißdornhecken. Im Hellen sicher ein schöner Spazierweg. Ich drehte das Radio lauter und trommelte mit den Fingern den Rhythmus zu Bryan Adams summer of 69 auf dem Lenkrad mit. Zwar war ein Großteil des Abends bereits ruiniert, dennoch konnte er mit einem guten Rotwein im Wintergarten einen schönen Ausklang finden. Es begann zu nieseln, Gewitter waren gemeldet. Man konnte den Regen förmlich riechen. Das steigerte meine Vorfreude auf zu Hause. Ich liebte es, wenn der Regen auf das Glasdach prasselte, während ich im Trockenen saß. Meine Frau Christine war die ganze Woche bei der Besprechung eines neuen Projektes in Frankfurt. Es blieben also noch zwei Tage für ruhige Fernsehabende mit den Füßen auf dem Couchtisch oder einem Whisky im Garten. Es dämmerte inzwischen, die Lichter der Stadt tanzten schon am Horizont wie ein Zielbanner, als ich einen Schatten am rechten Fahrbahnrand bemerkte. Ich stutzte. Zuerst vermutete ich einen Wildwechsel zwischen all den Wiesen und Hecken und drosselte die Geschwindigkeit. Und traute meinen Augen kaum, denn hinter einem Gebüsch kam kein Reh oder Hirsch, sondern ein Mensch hervor, der Statur nach eine Frau. Klein, zierlich, zombiegleich. Sie taumelte ein paar Meter weiter und fiel plötzlich ins Gras wie ein geschossenes Tier. Ich fuhr im Schritttempo weiter. Starrte auf die Stelle, an der die Gestalt gefallen war. Was zur Hölle war das gewesen? Hatte ich das wirklich gesehen, oder fing ich vor Müdigkeit an zu fantasieren? Ich zögerte. Anhalten? Gas geben? Las man doch immer von irgendwelchen Trickbetrügern, die alles versuchten, einen aus dem Auto zu locken, auszurauben oder schlimmer noch. Schließlich war allein mein Volvo schon genug wert. Aber wer konnte denn ahnen, dass um diese Zeit überhaupt jemand hier entlangfuhr? Ein Betrüger schien mir doch recht unwahrscheinlich. Kurz überlegte ich, ob mich jemand gesehen hatte und mich, falls ich einfach weiter fuhr, wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen würde. Man wusste ja nie. Ich hielt an, schaltete den Motor aus und blickte in die Dämmerung. Als erwartete ich, dass gleich noch eine oder einer hinterhergeschwankt kam. Aber nichts passierte. Ich ließ das Fenster herunter. Irgendwo trällerte fröhlich ein abendlicher Vogel durch das leise Rauschen des Windes, dass das Gewitter ankündigte. Der Geruch nach Regen wurde intensiver. Ich hatte keine Lust, bei Nieselregen über die Wiesen zu stapfen und mir meine Kleider zu ruinieren. Unschlüssig blickte ich mich weiter um, wog meine Möglichkeiten ab. Ich hasste Tage wie diesen. Die Runde der Hausbesuche hatte sich gezogen wie Kaugummi. Wenn es nach mir ginge, würde ich gar keine Hausbesuche bestreiten und nur die Sprechstunde in meiner Praxis anbieten. Am liebsten nur vormittags oder nur an vier Tagen in der Woche. Ich mochte anderer Leute Häuser nicht. Dort war es in der Regel unaufgeräumt oder unsauber oder beides. Die Betten waren zugestellt, sodass man sich über Krimskrams, Unmengen Teppiche, vorbei an Nachtschränken und Beistelltischen einen Weg bahnen musste. Manche Patienten hatten noch nicht einmal den Anstand, den Fernseher während des Arztbesuches auszustellen. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich die Hausarztpraxis, mitsamt seiner Patienten, von meinem Vorgänger übernommen. Ich hoffte, es würde mir gelingen, in den nächsten Jahren die Hausbesuche auf ein Minimum reduzieren. Ich lauschte. Kein Hinweis auf das, was ich gesehen hatte. Mein Blick streifte über die Wiesen, während der Himmel dunkler und der Nieselregen dichter wurde. Steig aus, sieh nach, ob da jemand deine Hilfe braucht, sagte ich mir. Doch ich saß regungslos im Auto, mitten in der ländlichen Einöde, die Hände noch immer auf dem Lenkrad, die Gedanken zerrissen. Für meine Frau Christine war ich in dieses verdammte Kaff irgendwo in der Provinz zurückgegangen. Doch in den letzten Wochen zweifelte ich immer öfter die Sinnhaftigkeit dieser Entscheidung an. Vielleicht würde ein gemeinsamer freier Nachmittag unserer Ehe wirklich guttun – oder aber wir würden uns so wahnsinnig auf die Nerven gehen, dass wir uns endgültig trennten. Ein Grund mehr, die leidigen Hausbesuche zu minimieren. Ein leises Grollen drang durch das halboffene Wagenfenster. Lag da draußen ein Verletzter? Ein Junkie? Doch nur ein Tier? Ich blickte zuerst nach vorn, dann in den Rückspiegel, doch alles war schwarz. Nach dem letzten Patienten den ich besuchte, einem achtzigjährigen Schmied mit Darmkrebs, bei dem es dem Ende zuging, war ich zum Essen mit einem ehemaligen Kollegen verabredet gewesen, welches sich durch seinen verspäteten Start nur noch weiter in den Abend geschoben hatte. Es war schon fast sieben, als ich endlich zum Restaurant aufbrach. Ich wollte eigentlich viel lieber nach Hause, vielleicht noch ein wenig lesen und dann früh schlafen gehen. Doch Sebastian war vom Hundertsten zum Tausendsten gekommen, und ich überlegte ernsthaft, ob es nötig war, sich weiterhin diese Hintertür an die Uniklinik offen zulassen. Ich pflegte seit meiner Kündigung dort noch immer den Kontakt zu einigen Kollegen und der Klinik allgemein, ließ mich bei Fortbildungen blicken. Es war immer gut, ein gewisses Netzwerk aufgebaut zu haben. Beim vorigen Essen jedoch, erachtete ich den Preis für ein solches Netzwerk als wahnsinnig hoch. Sebastian erzählte mehrfach, wie er seine Freundin und angehende Ehefrau mit dem Kerl aus dem Reisebüro im Bett erwischt hatte. Er hatte sich im Dienstplan geirrt und doch keine vierundzwanzig Stunden Bereitschaftsdienst gehabt, als er sie mit Pizza und Blumen in der Hand, überraschen wollte. Ich hatte zum wiederholten Mal bei dieser Geschichte genickt und ihm unbeholfen auf die Schulter geklopft. Mit solchem gefühlsduseligen Zeug konnte ich einfach nichts anfangen. Ich kannte Sebastians Freundin nicht, und da ich es selbst nie so streng mit der Treue gehalten hatte, war ich bei dem Thema nicht sonderlich empfindlich. Der Vogel trällerte nur noch hin und wieder vor sich hin, der Wind nahm einen Teil seiner Melodie verzerrt mit sich. War ich wirklich so kalt, so gefühllos? Vielleicht ja, denn sonst wäre ich sicher längst durch die nasser werdenden Wiesen zu dem Menschen oder was immer es war, gegangen. Hätte geholfen. Meine Pflicht als Arzt erfüllt. Stattdessen dachte ich an meine Karriere und das Essen. Wären die Cannelloni nicht so unglaublich lecker gewesen, ich hätte den heutigen Abend nicht erst jetzt verflucht. Sebastian hatte sich langsam einen Schwips angetrunken, während ich an meinem Glas Cola herumgespielt hatte. Am liebsten hätte ich mir auch ein Glas guten Wein bestellt, um das Drama zu ertragen, aber ich musste noch fahren. Um jetzt hier im Regen zu sitzen und zu zögern. Da hatte Sebastian gesessen. Ein Kerl wie ein Schrank, worum ich ihn mit meinen einmeterfünfundsiebzig durchaus beneidete, und war in Selbstmitleid versunken. Ein trauriges Bild. Ich hatte ihm gegen halb zehn ein Taxi bestellt und ihn mühselig hineinbugsiert. Damit hatte ich meine Fürsorgepflicht erfüllt, fand ich. Der türkische Kellner hatte mir irgendwelche italienischen Floskeln hinterhergerufen, als ich das Restaurant verließ. Vermutlich sollte das zum Italienfeeling gehören. Ich hatte ihm wortlos einen Gruß zugenickt. Kaum dass ich endlich im Auto gesessen hatte, musste ich zuerst einmal tief durchatmen, bevor ich den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Dieses Gejammer über Gefühle war einfach nichts für mich. Sich derart gehen zu lassen, in aller Öffentlichkeit, würde mir ganz sicher nicht passieren. Wie immer hatte ich das Gaspedal durchgedrückt. Und nun saß ich hier im Auto, unschlüssig, mitten im Nirgendwo und blickte in die Dunkelheit, die mittlerweile fast alle Baumsilhouetten verschlungen hatte, und wartete auf ein Geräusch, eine Bewegung. Mit einem lauten „Ach Scheiße!“, schlug ich jetzt die Hände aufs Armaturenbrett, ehe ich den Rückwärtsgang einlegte. Die Vernunft hatte gesiegt. Ich fuhr im Schritttempo einige Meter zurück bis an die Stelle, an der ich das Etwas vermutete, parkte meinen SUV, soweit es ging, an der Seite der schmalen Straße und griff nach der Taschenlampe in der Mittelkonsole. Dieser Tag war wirklich verflucht. Nur schnell nachsehen und dann nichts wie nach Hause! Ich stieg aus, schlug die Fahrertür zu und schaute mich um, schaltete die Taschenlampe ein und leuchtete in die Richtung, in die die Gestalt getaumelt war. Ich stapfte teils durch...



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