Finlay | Das Geheimnis der Farben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 60496, 464 Seiten

Reihe: List bei Ullstein

Finlay Das Geheimnis der Farben

Eine Kulturgeschichte
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8437-3527-8
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Kulturgeschichte

E-Book, Deutsch, Band 60496, 464 Seiten

Reihe: List bei Ullstein

ISBN: 978-3-8437-3527-8
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Woher kommt das Ultramarinblau? Weshalb sieht man Turners Gemälden heute nicht mehr an, dass er eine Vorliebe für leuchtendes Karminrot hatte? Jede Farbe des Regenbogens hat ihre Geheimnisse - Victoria Finlay ist ihnen auf den Grund gegangen und hat daraus eine unterhaltsame Kulturgeschichte gemacht, die nicht nur Kunstliebhaber in ihren Bann zieht.

Victoria Finlay, in England geboren, war vier Jahre lang Kulturredakteurin der South China Morning Post, bevor sie 1999 beschloss, sich dem Schreiben von Büchern zu widmen. Nebenbei arbeitet sie für diverse internationale Zeitungen und Radiostationen. Von 1991 bis 2003 lebte und arbeitete Victoria Finlay in Hong Kong.
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VORWORT


Der Anfang des Regenbogens


»Ein Bild in einem Spiegel, ein Regenbogen am Himmel und eine gemalte Szene – all diese Dinge werden wahrgenommen, aber in ihrem Wesen sind sie nicht das, was sie zu sein scheinen. Betrachte die Welt mit aufmerksamen Augen, und du siehst eine Illusion, den Traum eines Magiers.«DER SIEBTE DALAI-LAMA1

An einem sonnigen Nachmittag, als noch alles vom Regen glitzerte, betrat ich zum ersten Mal die Kathedrale von Chartres. An die Architektur kann ich mich nicht erinnern, nicht einmal an die Größe der Kirche, dafür umso deutlicher an lauter blaue und rote Lichtpunkte, die über weißes Gemäuer tanzten. Und ich erinnere mich daran, wie mein Vater mich bei der Hand nahm und mir erzählte, dass die Buntglasfenster vor fast achthundert Jahren geschaffen wurden und dass »wir heute nicht mehr wissen, wie man dieses Blau herstellt«. Ich war acht Jahre alt, und seine Worte brachten meine Vorstellung von der Welt ins Wanken. Bis dahin hatte ich stets geglaubt, die Welt würde immer besser und immer klüger. Aber an jenem Tag wurde meine naive Theorie über die geschichtliche Entwicklung auf den Kopf gestellt, und seitdem ist sie nie wieder ganz ins rechte Lot geraten. Und irgendwann um diese Zeit beschloss ich in meinem kleinen, aber sehr zielstrebigen Herzen, dass ich das mit den Farben herausfinden würde. Eines Tages.

Doch dann vergaß ich den Entschluss wieder. Ich schlug keinen Weg ein, der mich in die Glasmacherkunst oder überhaupt in die Kunst führte – in meiner Schule wurden Kinder ohne zeichnerisches Talent nicht dazu ermutigt, sich der Kunst zu widmen. Stattdessen entdeckte ich die Sozialanthropologie, verbrachte eine kurze Zeit in der Geschäftswelt und arbeitete dann als Journalistin. Aber aus Nachrichtenjournalismus wurde Kunstjournalismus, und jedes Mal, wenn ich eine Anekdote über Farben hörte – ein Archäologe, der erklärte, wie die Chinesen von den Persern abhängig waren, um das Blau für ihr berühmtes Mingporzellan zu erhalten, die erstaunliche Entdeckung, dass englische Künstler einst eine aus menschlichen Leichen gewonnene Farbe auf ihre Leinwände schmierten, Künstler in Hanoi, die berichteten, dass ihre Kunst sich, nachdem Vietnam seine Grenzen öffnete, nicht nur deswegen änderte, weil sie neue Themen hatten, sondern vor allem, weil sie bessere und leuchtendere Farben bekamen –, regten sich diese Kindheitserinnerungen.

Dann, eines Tages, kam ich nach Melbourne, um für die über das hiesige Kunstfestival zu berichten. Während einer freien Stunde ging ich in einen Universitätsbuchladen. Ich nahm ein schweres Kunstbuch von einem Tisch, schlug es irgendwo auf und las Folgendes:

»Indisch Gelb: eine nicht mehr gebräuchliche Pigmentfarbe, früher in Indien hergestellt aus erhitztem Urin von Kühen, denen man Mangoblätter fütterte.« Und dann: »Smaragdgrün: ein extrem leuchtendes Grün, das nicht mehr verwendet wird, weil es ein gefährliches Gift enthält … Heute als Insektizid im Handel.« Kunstgeschichte befasst sich in der Regel mit den Menschen, die Kunst herstellen, aber in dem Augenblick wurde mir klar, dass es auch Geschichten zu erzählen gibt über die Menschen, die die für die Kunst notwendigen Materialien herstellen.

Ich bekam Herzklopfen und fühlte mich plötzlich, als wäre ich verliebt. Ausgerechnet in einem Buchladen von einem solchen Gefühl überkommen zu werden war mir ziemlich unangenehm, deshalb stellte ich mich auf die Probe. Selbst bei dem (vergleichsweise) eher langweiligen »Holländisch Rosa: eine schnell verblassende gelbe Pigmentfarbe, hergestellt aus Kreuzdorn«, lief mir vor Staunen über das Paradox ein wohliger Schauer über den Rücken. Ich war hingerissen. Und so tat ich, was schüchterne Verliebte tun, wenn sie nicht wissen, was gut für sie ist: Ich legte das Buch achtlos zur Seite, schrieb mir weder Titel noch Verlag auf … und träumte dann monatelang davon. Als ich etwa ein Jahr später mit einem Kunststipendium der australischen Regierung nach Melbourne zurückkehrte, ging ich als Erstes wieder in den Buchladen. Inzwischen war das Buch – Ralph Mayers Klassiker – im Preis reduziert, weil zu viele Leute darin herumgeblättert hatten. Ich betrachtete dies als gutes Zeichen und kaufte das Buch.

Mir wurde klar, dass ich in jenen zwölf Monaten, fast unbewusst, nach einem Buch gesucht hatte, das meine Fragen zu Farben und Färbemitteln beantworten würde – Wie sieht eine Koschenille-Schildlaus aus? Wo finde ich auf der Landkarte von Afghanistan die Ultramarinminen? Warum ist der Himmel blau? –, doch ich hatte nirgends so ein Buch gefunden. Also beschloss ich, es selbst zu schreiben. Seitdem sind eine Reihe von Büchern über Farben veröffentlicht worden – von Simon Garfield, von Robert Chenciner, von François Delamare und Bernard Guineau und erst kürzlich von Philip Ball. In verschiedenen Bibliotheken habe ich einige hervorragende Werke gefunden, vor allem von John Gage und von Jenny Balfour-Paul, aber es gibt noch wesentlich mehr. Ich bin froh, dass ich sie nicht früher entdeckt habe, sonst hätte ich nicht gewagt, mein eigenes Buch zu schreiben. Ich hätte mich um einige wunderbare Reisen gebracht, auf denen ich lernte, warum rote Farbe tatsächlich so rot wie Blut sein kann, wie Indigo-Arbeiter einmal zu einer Bedrohung für die Grundfesten des britischen Weltreichs wurden oder wie eine ganze Nation vom Handel mit Purpur lebte – und schließlich ihren Namen von dieser Farbe erhielt.

Meine Reiseberichte enthalten wenig Theorie, daher sind sie ungeeignet, wenn man nach ausführlichen Debatten über Farbharmonie oder die wissenschaftlichen Aspekte von Farben sucht. Stattdessen ist dieses Buch angefüllt mit Geschichten, Anekdoten und Abenteuerberichten, die mit der Suche des Menschen nach Farbe zu tun haben – hauptsächlich im Zusammenhang mit Kunst, aber auch mit Mode, Innenarchitektur, Musik, Porzellan und sogar – bei einem Beispiel – mit Briefkästen. Die meisten Geschichten stammen aus der Zeit vor dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts: nicht, weil das zwanzigste uninteressant wäre, sondern weil, was Farben angeht – in der Kunst, der Musik, der Wissenschaft, der Medizin, der Psychologie, der Mode, ja, in jedem Lebensbereich –, nach 1850 so vieles geschehen ist, dass diese Entwicklungen jeweils eigene Bücher füllen würden und auch gefüllt haben.

Wenn man über Farben schreibt, wird man als Erstes mit dem Problem konfrontiert, dass sie eigentlich gar nicht existieren. Das heißt, sie existieren schon, aber nur, weil unsere Wahrnehmung sie als Interpretation von Schwingungen kreiert, die uns umgeben. Alles im Universum – egal, ob es als »fest«, »flüssig« oder »gasförmig« oder gar als »Vakuum« klassifiziert wird – schimmert und vibriert und verändert sich unaufhörlich. Aber unser Verstand hält diese Beschreibungen nicht für besonders nützlich, um die Welt zu verstehen. Deshalb ordnen wir das, was wir wahrnehmen, in Kategorien wie »Objekte«, »Gerüche«, »Töne« und natürlich »Farben« ein, Kategorien, die wesentlich leichter zu begreifen sind.

In unserem Universum pulsiert eine Energie, die wir elektromagnetische Wellen nennen. Der Frequenzbereich elektromagnetischer Wellen ist riesig – von Radiowellen, die eine Wellenlänge von zehn Kilometern haben können, bis zu ultrakurzen kosmischen Wellen, deren Länge etwa einen Milliardstelmillimeter beträgt, über Röntgenstrahlen, Ultraviolett-, Infrarot- und Gammastrahlen, die dazwischen liegen. Aber das durchschnittliche menschliche Auge kann von diesem enormen Frequenzbereich nur einen winzigen Teil erkennen – und zwar nur den Anteil mit einer Wellenlänge zwischen 0,00038 und 0,00075 Millimetern. Das mag nur ein kleiner Ausschnitt sein, aber für unsere Augen und unseren Geist handelt es sich um magische Zahlenwerte. Wir kennen diesen Wellenbereich als sichtbares Licht, und wir können etwa 10 Millionen Variationen unterscheiden. Wenn unsere Augen den gesamten Bereich sichtbaren Lichts sehen, interpretieren sie es als »weiß«. Wenn einige Wellenlängen fehlen, sehen sie es als »farbig«.

Wenn wir also »rot« sehen, nehmen wir in Wirklichkeit den Teil des elektromagnetischen Spektrums wahr, der eine Wellenlänge von etwa 0,0007 Millimetern hat. Unser Verstand (und unsere Sprache) gibt uns die Information, dass es sich um »Rot« handelt; gleichzeitig enthält diese Information zusätzliche kulturelle Hinweise, zum Beispiel, dass es sich um eine bedeutungsvolle Farbe handelt, dass es die Farbe der Liebe ist oder die eines Verkehrszeichens, das uns vorschreibt anzuhalten.

Im Jahre 1983 identifizierte der amerikanische Wissenschaftler Kurt Nassau fünfzehn Möglichkeiten, wie ein Gegenstand als farbig erscheinen kann2, und die Liste beginnt mit folgenden Begriffen: »Schwingung, Spannung, Erhitzung, Streuung, Brechung …« Das ist alles ziemlich kompliziert. Aber, einfach...



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