Fischinger / Löhnig | Falltraining im Zivilrecht 1 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Falltraining

Fischinger / Löhnig Falltraining im Zivilrecht 1

Ein Übungsbuch für Anfänger
neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2022
ISBN: 978-3-8114-6004-1
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Übungsbuch für Anfänger

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Falltraining

ISBN: 978-3-8114-6004-1
Verlag: C.F. Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit dem vorliegenden Falltraining wird den Studierenden der Rechtswissenschaft, die sich in der ersten Phase ihres Studiums befinden (bis zur Zwischenprüfung), ein Übungsbuch zur Lösung zivilrechtlicher Fälle an die Hand gegeben. Aber auch Studierende anderer Studiengänge, zu deren Curriculum das Zivilrecht gehört, können aus dem „Falltraining“ Nutzen ziehen.
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III. Die Lösung juristischer Fälle
Im Folgenden zeigen wir Ihnen, wie Sie an ein Gutachten herangehen sollten. Je eher Sie diese Arbeitsschritte ernsthaft üben, desto schneller werden Sie auch anspruchsvolle Fälle und Klausuren gut lösen können – und damit entweder schneller studieren oder mehr Freizeit haben als bei unsystematischem Arbeiten, das krampfhaft und in der Methodik völlig verfehlt versucht, juristische Probleme auswendig zu lernen. 1. Zuerst: (Kurzer) Blick auf die Fallfrage
Bevor Sie anfangen, den Sachverhalt insgesamt durchzulesen (s. 2.), sollten Sie zunächst die Fallfrage (den sog. „Bearbeitervermerk“) anzuschauen. Denn dieser kann Ihnen oft einen ersten Eindruck davon geben, um was es in der Klausur gehen soll: Welcher Beteiligter tritt als Anspruchssteller auf und was möchte er? Das hilft nach unserer Erfahrung bereits bei der ersten Lektüre des Sachverhalts, sich auf dasjenige zu konzentrieren, was für die Bearbeitung der aufgeworfenen Fallfrage – und allein darum geht es (s. 3.) – relevant ist. 2. Erstes Lesen des Sachverhalts und Skizze
Lesen Sie den zu bearbeitenden Fall sorgfältig durch. Schon während des erstmaligen Lesens sollten Sie sich eine Skizze machen, in die Sie alle Informationen eintragen, die der Sachverhalt bietet: Die auftretenden Personen, die Informationen über diese Personen, die Rechtsbeziehungen zwischen den Personen. Wenn Sie das sauber machen, dann müssen Sie später nicht ständig wieder im Sachverhalt nachsehen, was bei längeren Sachverhalten unangenehm und zeitraubend sein kann. Bei der Skizze können Sie beispielsweise folgende Symbole verwenden: [Bild vergrößern] Wenn im Sachverhalt viele Datumsangaben genannt sind, dann sollten Sie neben der Skizze unbedingt eine chronologische Tabelle des Geschehensablaufs oder einen „Zeitstrahl“ anfertigen. So sehen Sie später beispielsweise gleich, ob Anfechtungs- oder Verjährungsfristen gewahrt sind. Außerdem haben Sie immer einen weiteren Schmierzettel bereit liegen, auf dem Sie während der Sachverhaltslektüre gleich Ihre spontanen juristischen Ideen und Assoziationen notieren können, damit sie nicht verloren gehen. Bei dieser ersten Lektüre kommt es aber noch nicht auf die juristische Beurteilung des Falles an, sondern auf das sorgfältige und fehlerfreie Erfassen der Tatsachengrundlage, auf der Sie anschließend Ihr Gutachten aufbauen werden. Sie können juristisch noch so gut Bescheid wissen – wenn Sie von den falschen Tatsachen ausgehen, dann muss die Falllösung misslingen. 3. Die Fallfrage
Am Ende des Sachverhalts steht die wichtigste Information: Die Fallfrage. Das ist die Arbeitsanweisung, denn nur diese Frage haben Sie in Ihrem Gutachten umfassend zu beantworten. Ausführungen zu anderen Aspekten sind überflüssig und kosten in der Klausur schon deshalb Punkte, weil sie damit wertvolle Bearbeitungszeit verschwenden, ohne auf Ihre Ausführungen Punkte zu erhalten. Überdies wird ein strenger Korrektor die Bearbeitung von nicht gefragten Aspekten sogar mit Punktabzug bestrafen. Daher: Die genaue Lektüre der Fallfrage ist von absolut zentraler Bedeutung für den Klausurerfolg! Es sind die unterschiedlichsten Fallfragen denkbar. Die Fallfrage kann ganz direkt auf eine Anspruchsgrundlage hinsteuern: „Kann V von K die Zahlung des Kaufpreises verlangen?“. Dann haben Sie nur den Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB zu prüfen – die Prüfung weiterer Ansprüche wäre verfehlt! Etwas weiter gefasst kann ein bestimmtes Anspruchsziel formuliert sein: „Kann G von S Schadensersatz verlangen?“. Dann sind alle denkbaren Ansprüche, die als Rechtsfolge Schadensersatz vorsehen, zu prüfen. Denkbar wäre genauso die Frage, ob „Herausgabe“ oder „Übereignung“ verlangt werden kann. Noch weiter gefasst können sämtliche Anspruchsbeziehungen zwischen zwei Personen zu erörtern sein: „Welche Ansprüche stehen G gegen S zu?“ oder „Welche Ansprüche bestehen zwischen G und S?“. Im Verlaufe des Studiums wird Ihnen schließlich eine Fallfrage immer häufiger begegnen, die schwierigste, weil offenste Fallfrage: „Wie ist die Rechtslage?“. In diesem Fall müssen Sie sämtliche Ansprüche prüfen, die zwischen allen im Sachverhalt auftretenden Beteiligten denkbar sind. Bei offenen Fallfragen liegt die erste Schwierigkeit der Falllösung schon darin, durch sorgfältige Analyse der Interessen aller im Sachverhalt auftretenden Personen die zu prüfenden einzelnen Rechtsbeziehungen herauszuarbeiten und dabei keine Anspruchsbeziehungen zu vergessen. 4. Noch einmal lesen!
Jetzt kennen Sie bereits die Tatsachengrundlage Ihres Gutachtens und wissen auch, welche Fragen Sie gutachterlich beantworten müssen. Bevor Sie sich an die juristische Würdigung des Falles machen, sollten Sie den Sachverhalt noch ein zweites Mal sorgfältig lesen. Dabei überprüfen Sie, ob Ihre Skizzen wirklich fehlerfrei sind und ob Ihnen bei Kenntnis der Fallfrage jetzt nicht noch irgendwelche Informationen als bedeutsam auffallen, die Sie vorher übergangen haben. Ergänzen Sie gegebenenfalls Ihre Skizzen. 5. Die Gliederung
a) Kurzes Konzeptpapier
Erst jetzt sollten Sie eine stichwortartige Gliederung Ihres Gutachtens anfertigen. Nicht zu ausführlich, es handelt sich lediglich um ein kurzes Konzeptpapier, das alle Anspruchsgrundlagen stichpunktartig mit ihren Voraussetzungen in der richtigen Reihenfolge nennt und problematische Punkte markiert. Auf dieser Grundlage schreiben Sie dann Ihr Gutachten. Warum wir darauf Wert legen, dass das Papier kurz sein soll? Erstens kostet das Anfertigen einer langen Gliederung viel Zeit. Das ist spätestens in der Klausur unangenehm. Zweitens sollten Sie sich gerade bei Streitständen und Problemstellen das Formulieren Ihrer Argumente für die endgültige Falllösung aufsparen. Wenn Sie alle Probleme schon erschöpfend in der Gliederung behandeln, dann hat das oftmals zur Folge, dass Ihre einzelnen Gedanken und Argumentationsschritte im Gutachten nicht mehr enthalten sind, weil Ihnen beim Abfassen des Gutachtens bereits vieles klar und einfach erscheint. Das Gutachten wird dann gerade an problematischen Punkten nicht so ausführlich und fallnah, wie es werden sollte, weil Sie nur noch Ergebnisse „hinknallen“. In Klausuren besteht diese Gefahr zudem auch deshalb, weil Sie bei zu ausführlichem Gliedern in Zeitnot kommen können. Sie müssen in Ihrer Gliederung nicht alle Fragen bis zum Ende durchdenken und durchargumentieren. Sie haben nämlich im Vergleich zu demjenigen, der ein Urteil oder einen Schriftsatz schreibt, einen entscheidenden Vorteil: Sie schreiben „auf das Ergebnis hin“ und können auch während des Schreibens notfalls noch von Ihrer Gliederung abweichen und in eine andere Richtung schreiben. Das kann der Richter, der das Ergebnis schon im Urteilstenor festgelegt hat, nicht, weswegen er auf sorgfältige Vorarbeit in Form eines Gutachtens angewiesen ist. Versuchen Sie also, nach spätestens 30 % der vorgegebenen Arbeitszeit mit dem Ausformulieren des Gutachtens zu beginnen. Gönnen Sie sich lieber während des Ausformulierens ab und an eine kurze Denk- oder Ruhepause. Diese Zeiteinteilung wird Ihnen allerdings nur dann gelingen, wenn Sie durch stetiges Üben bei der Falllösung entsprechend routiniert und souverän geworden sind – bei der Fallbearbeitung ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Bei der Zeiteinteilung „30 % Gliederung – 70 % Niederschrift“ handelt es sich freilich nur um einen Richtwert. Im Laufe der Zeit werden Sie Ihr individuelles Zeitmanagement entwickeln. b) Auffinden der Anspruchsgrundlagen
In einem Gutachten lösen Sie Fälle, indem Sie einzelne Anspruchsgrundlagen prüfen. Ein Gutachten enthält keine Erörterungen, die außerhalb einer Anspruchsprüfung „frei im Raum schweben“. Deshalb müssen Sie das Erarbeiten Ihres Konzeptpapiers mit dem Auffinden der einschlägigen Anspruchsgrundlagen beginnen, wenn nicht die Fallfrage schon auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage hinweist. Mithilfe welcher Anspruchsgrundlagen können die im Sachverhalt auftretenden Personen ihre Ziele erreichen? Will ein Beteiligter die Herausgabe eines Gegenstandes erreichen, was Sie entweder ausdrücklich aus der Fallfrage entnehmen konnten oder durch sorgfältige Analyse des Sachverhalts bei offener Fallfrage ermittelt haben, kommen als Anspruchsgrundlagen etwa in Betracht: §§ 604 Abs. 1, 695, 812 Abs. 1, 823 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1, 861, 985, 1007 Abs. 1, 1007 Abs. 2 BGB. In Ihrer Skizze und der Klausurbearbeitung dürfen Sie die zu erörternden Anspruchsgrundlagen nicht nach freiem Gutdünken sortieren. Vielmehr müssen sie unbedingt eine bestimmte Reihenfolge beachten – und zwar deshalb, weil die vorrangig zu prüfenden Ansprüche die folgenden Ansprüche beeinflussen können. Beispielsweise müssen Sie vertragliche Ansprüche vor bereicherungsrechtlichen Ansprüchen prüfen, weil ein Vertrag einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB bilden kann. Sortieren Sie deshalb unbedingt nach folgender Reihenfolge: 1. Vertragliche Ansprüche, z.B. aus § 433 Abs. 1 BGB oder § 535 Abs. 1 BGB 2. Quasi-vertragliche Ansprüche, z.B. aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB („culpa in...


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