E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Flick Im Moment
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7453-1903-3
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Über Erfolg, die Schönheit des Spiels und was im Leben wirklich zählt. SPIEGEL-Bestseller des Bundestrainers. Mit Beiträgen von David Alaba, Manuel Neuer und vielen mehr
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-7453-1903-3
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
»Ich möchte Sie mitnehmen auf eine Reise, bei der es um weit mehr als Fußball gehen soll. Eine Reise, auf der wir über Freundschaft, Vertrauen, Wertschätzung, Loyalität und den besonderen Halt in der Familie sprechen. Über Teams und Führung, das Scheitern und ständige Aufstehen, das Leben im Hier und Jetzt.«
Hansi Flick bekleidet nicht nur das höchste Amt im deutschen Fußball. Der leise Badener, der Journalistenfragen gern lächelnd und mit feiner Ironie kontert, gab bisher nur wenig von sich preis. Nun öffnet der Weltklassetrainer höchstpersönlich die Blackbox Hansi Flick. Am Beispiel zahlreicher Geschichten aus seinem Leben und seiner Karriere zeigt er, was der Fußball ihn gelehrt hat, wie man gestärkt aus Rückschlägen hervorgeht und was das Wichtigste im Leben ist: Familie und Freundschaft. Im Zentrum des Buches steht seine Führungsphilosophie, welche die Basis seiner Arbeit auf dem Platz und die Grundlage seines Erfolgs bildet.
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Vorwort
Als Hansi Cheftrainer wurde, hatten wir vom ersten Tag an ein besonderes Verhältnis. Wir hatten davor dieses eigenartige Spiel in Frankfurt gespielt, das wir 5:1 verloren, und ich habe auf der Rückreise schon gespürt: Es braucht eine Veränderung. Die Nacht auf den Sonntag konnte ich kaum schlafen. Ich hatte Sorge, dass wir kurzzeitig ins fußballerische Nirwana abrutschen, und habe mir die große Frage gestellt: Wie geht es weiter? Am nächsten Tag saß ich länger mit Uli Hoeneß und Hasan Salihamidžic zusammen und wir haben diese Frage gemeinsam diskutiert. Uns war wichtig, dass kein Vakuum entsteht. So etwas ist nur für die Medien von Nutzen, die dann wild spekulieren. Unser Schluss aus der Diskussion war: »Hansi soll es machen.« Ich wusste nur nicht, ob er es überhaupt machen wollte. Ein Co-Trainer, der Nein sagt, weil er eine besonders starke Verbundenheit und Loyalität zum Chef hat, wäre mir nichts Neues gewesen. Nach einem klärenden Gespräch mit seinem Vorgänger haben wir Hansi kontaktiert und um ein Treffen an der Säbener Straße gebeten. Das war spätabends. An das Gespräch mit Hansi und sein Auftreten kann ich mich noch gut erinnern. Ich habe ihm die Lage geschildert und ihn ganz direkt gefragt: »Bist du bereit, die Nachfolge anzutreten?« Und was mir sofort gefallen hat, war, dass Hansi mich mit starkem Blick angesehen und mir direkt gesagt hat: »Ja.« Ich habe ihm dann offen gesagt, dass wir erst mal nur bis auf Weiteres planen, und ihn gefragt, ob er ein Problem damit hat. Das hat er verneint und ich hatte auf Anhieb ein gutes Gefühl. Gleichzeitig gebe ich zu, dass ich bei seinem ersten Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund auch mit einem Schuss Nervosität in die Allianz Arena gefahren bin. Und mit Neugierde. Nervosität, weil wir zu dem Zeitpunkt nicht gut in der Tabelle dastanden. Neugierig, weil ich sehr gespannt war, was er mit der Mannschaft gemacht hatte, wie er spielen ließ und wie die Mannschaft reagierte. Dann ist das Spiel auf eine Art und Weise gelaufen – das war wirklich unglaublich. Als es 4:0 für uns stand, habe ich das Spiel zwar noch weiter verfolgt, vor allem aber die Zuschauer beobachtet. Ich wusste an dem Tag: Wir haben die Fügung des Schicksals auf unserer Seite und wir haben die richtige Entscheidung gefällt. Es war hier etwas geschehen, das ich aus der Zeit mit Pep Guardiola kannte. Pep hat mal einen Satz zu mir gesagt, den ich nie vergessen werde: »Fußball muss Spaß machen.« Er meinte: »Wenn die Spieler Spaß haben, habe ich auch Spaß, dann haben die Zuschauer Spaß und dieser Funke springt dann von oben nach unten und von unten wieder nach oben.« Mit Hansi war der Spaß zurück und mir war klar: Wir kommen wieder nach oben. Dass dann tatsächlich so eine Saison vor uns stand, damit konnte natürlich niemand rechnen. Die ersten drei Spiele unter Hansi haben wir souverän gewonnen. Dann kamen zwei Spiele, die ihn irritiert haben. Jeweils eine 1:2-Niederlage gegen Leverkusen und gegen Gladbach – obwohl wir beide Male ein gutes Spiel abgeliefert haben. Ich bin zu meiner aktiven Zeit als Vorstandsvorsitzender immer nach dem Spiel in die Kabine gegangen und habe mich je nach Ergebnis und Stimmungslage unterschiedlich verhalten. Nach dem Spiel gegen Gladbach habe ich mir in der Kabine einen Kaffee geholt, habe mich hingesetzt, keinen Ton gesagt und nur zugesehen. Ich habe gespürt: Hansi ist unzufrieden und etwas unruhig. Auf dem Rückflug bin ich dann zu ihm gegangen und habe gesagt: »Bleib ruhig.« Er meinte, wenn man so überflüssig verliere, sei das schwierig. Er hat mit sich gehadert. Daraufhin habe ich ihn gefragt, ob ich ihm eine Geschichte über ein Spiel unter Pep erzählen dürfe. »Ein paar Monate nach seinem Dienstantritt hatten wir ein Auswärtsspiel in Leverkusen. Unsere Ergebnisse waren bis dahin insgesamt gut, aber es dauerte eine Weile, bis die Spieler intus hatten, was Pep genau von ihnen wollte. Wir hatten Erfolg, aber es war noch nicht die Spielweise, die Pep sich gewünscht hat. Und dann hatten wir dieses Spiel in Leverkusen und haben gespielt wie von einem anderen Stern. Das Spiel endete 1:1, wir hätten aber ohne Übertreibung 7:1 oder 8:1 gewinnen müssen. Uli Hoeneß und ich sind nach dem Spiel in die Kabine und haben sofort gemerkt: Die Mannschaft ist unsicher und stocksauer auf sich selbst, dass sie das Spiel nicht gewonnen hatte, obwohl sie es – bei so einer Leistung – hätte gewinnen müssen. Wenige Minuten später kam Pep in die Kabine. Er hat ebenfalls sofort gespürt, es herrscht Unruhe und Unzufriedenheit. Dann hat er gesagt: ›Hinsetzen.‹ Und als alle saßen, meinte er: ›Ruhe.‹ Als es wirklich ruhig war, sagte er: ›Ich möchte euch beglückwünschen. Ich bin jetzt seit vier Monaten hier und es war das seitdem mit Abstand beste Spiel. Ich weiß, dass ihr unzufrieden mit dem Ergebnis seid, aber so ist Fußball manchmal. Nur eins kann ich euch sagen: Das Entscheidende ist nicht das Ergebnis. Das Ergebnis kommt über die Spielqualität von allein zustande. Und unsere Spielqualität war heute top class. Ich sage euch: Wir gewinnen die nächsten zehn Spiele.‹ Und wir haben danach die nächsten 19 Spiele in der Bundesliga gewonnen.« Diese Geschichte habe ich Hansi erzählt und ihm gesagt: »Hansi, wir haben heute gut gespielt. Wir haben auch gegen Leverkusen gut gespielt. Du wirst sehen, die nächsten Spiele gewinnen wir alle.« Er hat mich erst etwas ungläubig angeschaut. Ich vermute, er war auch ein wenig dankbar, dass ich ihn so überhaupt nicht hinterfragt habe, sondern fest von einem gemeinsamen Weg und dem Erfolg überzeugt war. So ist dann auch eine enge, besondere Beziehung entstanden. Er hatte Vertrauen zu mir und ich hatte Vertrauen zu ihm. Wir konnten offen über alles sprechen und wussten: Es bleibt immer beim anderen. Die Frage, was genau Hansi mit dem Team gemacht hat, dass wir eine so historische Saison spielen konnten, liegt natürlich nahe. Sie kam immer wieder auf. Hansi hat das klug gemacht: Er hat sofort mit den Protagonisten im Team gesprochen und die Mannschaft hinter sich gebracht. Es gelingt ihm, Ruhe reinzubringen, wo vorher Unruhe herrscht. Das war ihm zuvor auch beim DFB auf Anhieb gelungen. Bevor er Cheftrainer bei den Bayern wurde, hatte ich es noch nie erlebt, dass alle Beteiligten in einem Verein, inklusive der Fans und der Medien, derart geschlossen hinter einer Philosophie und einer Person stehen. Er hat den Menschen zugehört, sich Zeit für sie genommen. Und er hat Fragen gestellt. Er wollte von den Spielern wissen, was sie selbst ändern würden, und er hat eng mit ihnen kooperiert. Das ist ein wichtiger Faktor im Coaching heute: Die Spieler müssen überzeugt werden und überzeugt sein, denn sie sind viel anspruchsvoller, als das noch zu meiner Zeit der Fall war. Hansi versteht es, die Spieler abzuholen, den Fokus auf das Spiel wiederherzustellen und Freude zu verbreiten. Gleichzeitig führt er die Mannschaft mit einer natürlichen Autorität, die hat Respekt vor ihm und seinen Entscheidungen. Ich würde ihn als eine Mischung zwischen Jupp Heynckes und Pep Guardiola beschreiben. Jupp, der sehr stark von seiner Einfühlsamkeit lebt, in Kombination mit der ein oder anderen taktischen Finesse von Pep. Hansi hat den richtigen Mix gefunden. Die Spieler wollen empathisch und vor allem ehrlich behandelt werden, sie müssen das Gefühl haben: Der Trainer kann mich weiterbringen. Das war bei Hansi alles gegeben, und dann kann man auch mal so ein Jahr erleben, wie wir es unter ihm hatten. Was ihm da gelungen ist, ist etwas extrem Außergewöhnliches. Hansis besonderes Händchen habe ich beim Finalturnier der Champions League in Lissabon beobachten dürfen. Da hatte man das Gefühl, man sei im Urlaub, obwohl das Team unglaublich gut, hart und konzentriert gearbeitet hat. Die Stimmung war einfach klasse. Hansi ist jemand, der sehr stark von Stimmungen lebt und diese auch bewusst positiv beeinflusst. Er lässt auch mal los, hat Spaß und lacht gern. Von den Nationalspielern habe ich gehört, dass er auch 2014 bei der WM für eine vergleichbare Stimmung gesorgt hat. Das ist für ihn eine Grundvoraussetzung für den Erfolg: das gute Gefühl untereinander. Dafür bereitet er sich akribisch vor, denn so etwas muss gut geplant sein. Er kümmert sich zusammen mit seinem Team und der Teammanagerin persönlich um eine gute Unterkunft, um kleine Überraschungen und den besonderen Wohlfühlcharakter. Kein Verein kam so gut vorbereitet zum Turnier nach Lissabon wie wir. Die anderen Teams flogen kurzfristig ein, während sich unsere Mannschaft mit Hansi mehrere Tage lang an der Algarve auf jedes Detail vorbereiten konnte. Wir sind in grandioser Stimmung in Lissabon angetreten, was sich ja auch direkt im ersten Spiel gegen Barcelona widergespiegelt hat. Es gibt eine Situation mit Hansi, die werde ich nie vergessen und die sagt auch einiges über ihn aus. Als wir in seinem zweiten Jahr...