E-Book, Deutsch, Band Band 005, 290 Seiten, Format (B × H): 158 mm x 240 mm
Forsbach / Schott / Bruchhausen Die 68er und die Medizin
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86234-114-6
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Gesundheitspolitik und Patientenverhalten in der Bundesrepublik Deutschland (1960–2010)
E-Book, Deutsch, Band Band 005, 290 Seiten, Format (B × H): 158 mm x 240 mm
Reihe: Medizin und Kulturwissenschaft
ISBN: 978-3-86234-114-6
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Privatdozent Dr. Ralf Forsbach forscht und lehrt nach Stationen in Bonn, Rostock und Münster an der Universität zu Köln am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin. Bei V&R erschien 1997 seine diplomatiegeschichtliche Dissertation über den Staatssekretär im Auswärtigen Amt Alfred von Kiderlen-Wächter (1852-1912), ebenso 2011 seine Studie 'Die 68er und die Medizin'. Derzeit befasst sich der Historiker und Medizinhistoriker mit der Geschichte der Kölner Medizinischen Fakultät während der NS-Zeit.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Regierungspolitik Umwelt- und Gesundheitspolitik
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Mentalitäts- und Sozialgeschichte
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Spezielle Soziologie Gesundheitssoziologie, Medizinsoziologie
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Dank;8
3;0. Vorbemerkung;10
4;1. Einleitung;12
4.1;1.1. Die Studentenbewegung und die Medizin;12
4.2;1.2. Forschungsstand;17
5;2. Die Ideologien und die Bildungsfrage;24
6;3. Der Blick zurück: Die Medizin im Nationalsozialismus;32
7;4. Nationalsozialismus, Faschismus, »Linksfaschismus«;48
7.1;4.1. Die Gegenwärtigkeit der Vergangenheit;48
7.2;4.2. »Kriegsforschung«;67
7.3;4.3. »Alt-Nazis« im Visier;70
7.4;4.4. Der eigene »Faschismus«;75
7.5;4.5. Das »faschistische« Ausland: Die Beispiele Vietnam, Iran, Kongo, Biafra, Griechenland;80
8;5. Radikalisierung – RAF und SPK;88
9;6. Der Paradigmenwechsel: Die Medizin nach 1968;104
9.1;6.1. Die Lehre und das Arzt-Patient-Verhältnis;104
9.2;6.2. Die Psychiatriereform;125
9.3;6.3. Sexualität und Psychoanalyse;145
9.4;6.4. Frauenbewegung, Pädagogikreform, Umweltfragen;155
10;7. Gesundheit im Wandel;172
10.1;7.1. Fortschrittsglaube und Zukunftsangst, neue Krankheiten und ein verändertes Medienverhalten;172
10.2;7.2. Enhancement als Luxusmedizin;182
10.3;7.3. Prävention statt Therapie?;186
10.4;7.4. Die kopfschüttelnden Beobachter. Die Kritik am »Gesundheitswahn«;211
10.5;7.5. Moden und neue Herausforderungen;220
11;8. Das Gesundheitssystem der Bundesrepublik. Abschließende Bemerkungen;226
12;9. Erinnerungsspuren. Ein persönliches Nachwort von Heinz Schott;238
13;10. Quellen- und Literaturverzeichnis;246
13.1;Archive;246
13.2;Literatur;248
13.3;Internetressourcen;284
14;Personenregister;286
(S. 225-226)
Zu sämtlichen Schwerpunktthemen der Achtundsechziger finden sich wesentlich ältere Wurzeln als es die Jahreszahl 1968 erwarten lässt. Deshalb fällt es leicht, eine ideengeschichtliche Darstellung über die Studentenbewegung zu verfassen, die Kontinuitäten betont. In Anbetracht der sich als stabil erweisenden »Institutionenordnung« kommen die an einem streng »traditionellen Politikbegriff « orientierten Beobachter sogar zu dem Ergebnis, dass die »Protestmobilisierung der Außerparlamentarischen Opposition […] weitgehend folgenlos « blieb996.
Dennoch wurde im Gesundheitswesen »1968« positiv konnotiert, etwa »als psychiatriegeschichtliche Zäsur«, selbst wenn sich bei jeder genaueren Analyse gerade hier herausstellt, dass die Psychiatriereform eine über Jahrzehnte wirkende und eine lange vor 1968 auf die Gleise gesetzte Entwicklung ist. Es war die Atmosphäre, die um 1968 zuvor im Verborgenen besprochene Themen in den Vordergrund rückte, die »Denkbarkeit« von »Revolution«, »Umwälzung« und »Veränderung« in die Welt brachte998. Nicht zuletzt deshalb ist die Bewegung auch als Bedrohung wahrgenommen worden, zumal sich neuartige Umgangsformen verbreiteten.
Mit den Krawatten wurde oft die Furcht vor den einst respekteinflößenden Autoritäten abgelegt. Gegen die Positionen und das Auftreten der Achtundsechziger brachten sich die »Anti-68er« (Daniela Münkel) in Stellung, die sich bewusst gegen den Zeitgeist stellten999. Für diese Gruppe der sich in die Defensive gedrängt Fühlenden blieb »1968« eine Zäsur, unter der sie etwas Stärkeres verstanden als eine Chiffre für einen sich über mehr als ein Jahrzehnt hinziehenden gesellschaftlichen Umbruch1000.
Daran änderte sich auch wenig, als sich in der politik- und geschichtlichen Analyse die Auffassung von den »›langen‹ sechziger Jahren« Bahn brach, die mit den Reformen in den Blick nehmenden ausgehenden fünfziger Jahren begannen und mit der die »Grenzen des Wachstums« bebildernden Ölkrise 1973 / 74 endeten1001. Manche jüngere, den Anliegen der Studierenden nicht gänzlich ablehnend gegenüber stehende Professoren verbanden mit den Unruhen sowohl Impulse als auch Ängste – Ängste vor einem Umbruch.
Der Althistoriker ChristianMeier erklärte 2004: »68 habe ich eigentlich nur als Anregung, als große Anregung, nicht so sehr als Umbruch empfunden. Ich hatte allerdings Angst, daß ein Umbruch daraus werden könnte. Ich habe den Deutschen doch mehr Umbruchs- und Wirrheitspotential zugetraut, als sie dann am Ende hatten. […] 1968 scheinen mir eher verschiedene Tendenzen sich zusammengeballt zu haben, die sich ohnehin durchgesetzt hätten. Das war ein Einschnitt in viele Biographien, zumal in Deutschland, es war ganz kurz auch ein geistiges Ereignis, aber bei weitem kein so tiefer Einschnitt wie 1945.«