Franz / Karger Neue Männer – muss das sein?
2., unveränderte Auflage 2011
ISBN: 978-3-647-99545-8
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Risiken und Perspektiven der heutigen Männerrolle
E-Book, Deutsch, 269 Seiten
ISBN: 978-3-647-99545-8
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
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Väterlichkeit, Männlichkeit und Mannsein sind seit Jahrzehnten öffentlicher Kritik ausgesetzt, die sich im Extremfall bis zur Entwertung des Männlichen gesteigert hat. Doch nicht nur das Image der traditionellen Männerrolle ist lädiert, es droht auch der Abstieg in Bildung und Beruf. Und um die Gesundheit der Männer ist es ebenfalls nicht gut bestellt. Die erheblichen Risiken, die mit der Männerrolle verbunden sind, sind wissenschaftlich belegt. Die Forderung nach mehr Geschlechtergerechtigkeit hat mittlerweile bei vielen Männern und Jungen zu Benachteiligungen und Orientierungsproblemen geführt. Die mediale Fokussierung auf die destruktiven Seiten der Männlichkeit hat eine defizitorientierte Sicht auf Männer bewirkt und zu großer Verunsicherung der männlichen Identität geführt.
Nach einer langen Phase feministisch geprägter Reflexion sind nun vor allem die Männer selbst gefragt: Wie geht es Ihnen heute wirklich? Welche neue Rollen- und Identitätsentwürfe könnten sie erproben? Die humanethologischen, entwicklungspsychologischen, psychoanalytischen und sozial- und kulturwissenschaftlichen Beiträge namhafter Autoren liefern fundierte Bestandsaufnahmen zur aktuellen Lage des Mannes und setzen sich mit den Perspektiven für ein neues Männerbild auseinander.
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Elmar Brähler und Lena Spangenberg Der kranke Mann – warum Männer früher sterben Den ersten Frauengesundheitsbericht gab es in Deutschland 2001. Obwohl es um die Gesundheit der Männer schlechter bestellt ist und sie ca. fünf Jahre früher sterben, liegt bislang kein offizieller Männergesundheitsbericht der Bundesregierung vor. Deshalb wurde in der Gesundheitsforschung auch eine männliche Perspektive eingeführt. Die so entstandene Männergesundheitsforschung beschäftigt sich seither mit den Schwächen des starken Geschlechts. Dieser Beitrag berichtet neben epidemiologischen Daten zur Mortalität von Männern auch mögliche Ursachen. Dabei werden insbesondere soziokulturelle Einflüsse thematisiert. Geschlechtsunterschiede in Bevölkerungsstruktur und Lebenserwartung Betrachtet man die Bevölkerungspyramide Deutschlands (siehe Abbildung 1), wird deutlich, dass in den älteren Jahrgängen ein Frauenüberhang existiert. Während der Anteil der Männer über alle Altersgruppen 49,0 % beträgt, nimmt der Anteil mit steigendem Alter stark ab: 70- bis 80-Jährige 44,2 %, 80- bis 90-Jährige 30,2 %, über 90-Jährige 24,1 % (Statistisches Bundesamt, 2009b). Dieser Frauenüberschuss ist nicht allein darauf zurückzuführen, dass Frauen länger leben, sondern ist auch durch historische Ereignisse mitbestimmt. So sind viele Männer im Zweiten Weltkrieg verstorben. Sind bislang Pflege bei Demenz und anderen Erkrankungen eher »weibliche« Themen gewesen, wird sich die Situation im Laufe der nächsten 20 Jahre deutlich verändern. Abbildung 1: Bevölkerungspyramide Deutschland 2008 (Statistisches Bundesamt, 2009a) Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen werden sich darauf einrichten müssen, dass es in Zukunft insgesamt mehr und vor allem mehr männliche Patienten geben wird. In den jüngeren Generationen hingegen überwiegen die Männer, mit einem Gipfel bei ungefähr 45 Jahren. In Anbetracht der über die Lebensspanne durchweg höheren Mortalität von Jungen und Männern ist dies auf den ersten Blick überraschend, obgleich 105 Jungen auf 100 Mädchen geboren werden. Bei der Betrachtung der Bevölkerungspyramide müssen jedoch viele Phänomene berücksichtigt werden. Eine Erklärung liefert in diesem Fall der Umstand, dass Migranten überwiegend jüngere Männer sind. In Tabelle 1 wird die Entwicklung der Lebenserwartung bei Geburt in den letzten fünf Jahrzehnten getrennt für Männer und Frauen in West- und Ostdeutschland dargestellt (Bundesministerium für Gesundheit, 1997, 1999, 2001; Statistisches Bundesamt 2009c). Es zeigt sich, dass die Lebenserwartung der Männer durchgängig niedriger als die der Frauen liegt. Insgesamt ist bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Zunahme der Lebenserwartung zu verzeichnen. Wie gesellschaftliche Bedingungen sich auf die jetzige Lebenswartung auswirken können, zeigt der Zeitraum zwischen 1970 und 1990: In der DDR stieg die Lebenserwartung der Männer innerhalb dieser Zeitspanne lediglich um ein Jahr, die der Frauen um 2,5 Jahre, während in der Bundesrepublik sowohl bei Männer als auch bei Frauen ein Anstieg um 5,5 bzw. 5,6 Jahre zu verzeichnen war. Zwischen 1990 und 2008 erhöhte sich die Lebenserwartung im Osten bei Männern um 6,1 Jahre, bei Frauen um 6,0 Jahre. Im Westen hingegen gab es bei Männern einen Anstieg um 4,8 Jahre, bei Frauen um 3,5 Jahre. Nach der Schere, die sich in der Lebenserwartung von 1970 seit 1990 zwischen Ostund Westdeutschland ergeben hat, lässt sich seit der Wiedervereinigung eine allmähliche Schließung beobachten. Während sich bei den Männern noch eine im Vergleich zum Westen geringere Lebenswartung im Osten zeigt, lassen Unterschiede in der Lebenserwartung mittlerweile vor allem einen Nord-Süd-Effekt erkennen. In den Speckgürteln im südlichen Teil der Bundesrepublik leben die Menschen länger. Als ein Grund wird die wirtschaftliche Lage diskutiert. So zeigt sich zwischen dem Armutsrisiko und der mittleren Lebenserwartung ein deutlicher Zusammenhang, so dass Mecklenburg-Vorpommern die geringste und Baden-Württemberg und Bayern die höchste Lebenserwartung aufweisen. Zusätzlich zeigen sich neben einem allgemeinen Nord-Süd-Gefälle noch spezifische regionale Unterschiede (Robert-Koch-Institut, 2006; Leibniz-Institut für Länderkunde, 2008). Tabelle 1: Lebenserwartung bei Geburt in Jahren M = männlich, W = weiblich (Bundesministerium für Gesundheit, 1997, 1999, 2001; Statistisches Bundesamt, 2009c) Dass bestimmte gesellschaftliche Bedingungen sich auf die Lebenserwartung auswirken, zeigt sich ebenfalls im internationalen Vergleich. Nach dem Zerfall der Sowjetunion sank die Lebenserwartung der Männer in Russland beispielsweise um fast zehn Jahre und die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nahmen zu. 1995 lag die Lebenserwartung bei Männern mit 58,3 Jahren 13,4 Jahre unter der der Frauen (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2000). Aktuell beträgt die Lebenserwartung 60,3 Jahre, die Differenz noch 12,8 Jahre (Statistisches Bundesamt, 2009b). Wie sich die Lebenserwartung in Zukunft weiterentwickeln wird, ist fraglich. Die neunte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes von 2000 hat den Frauen für 2050 eine Lebenserwartung von mehr als 84 Jahren, den Männern von 78 Jahren prognostiziert. Bereits sechs Jahre später wurde die Prognose auf 88 (Frauen) bzw. 83,5 Jahre nach oben korrigiert (Statistisches Bundesamt, 2000, 2006). Einem anschaulichen Artikel von Oeppen und Vaupel (2002) zufolge, der zeigt, dass die Vorhersagen der einzelnen demographischen Institute nicht zutrafen, können eigentlich keine genauen Prognosen in Bezug auf die Lebenserwartung gemacht werden. Eine interessante Frage ist zudem, weshalb die Lebenserwartung stetig zunimmt. Weiland, Rapp, Klenk und Keil (2006) haben für die Zeitspanne 1980 bis 2002 versucht, die Beiträge verschiedener Krankheitsgruppen auf die gestiegene Lebenserwartung von Männern zu quantifizieren. Obwohl die Quellenlage an mancher Stelle sicherlich Anlass für Kritik bietet, liefert die Übersicht doch Anhaltspunkte: Beispielsweise war die Anzahl von Verkehrsunfällen und Suiziden rückläufig, ebenso wie die Mortalität infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartigen Neubildungen gesunken ist. Wie Unger, Schulze und Klein (2009) demonstrierten, lässt sich auch die Bildungsexpansion in Deutschland mit der Erhöhung der Lebenserwartung in Verbindung bringen. Mit einer Höherqualifizierung gehen beispielsweise eine gesündere Lebensweise, kontinuierlichere Erwerbsverläufe sowie Berufe mit weniger gesundheitlichen Belastungen einher, so dass ein Bildungseinfluss sowohl direkte als auch indirekte Effekte umfasst. Ob die Zunahme der Lebenserwartung sich in mehr Lebensjahren, in Gesundheit oder in Krankheit manifestiert, kann je nach Szenario der Morbiditätsentwicklung unterschiedlich aussehen. Betrachtet man die beschwerdefreie Lebenserwartung im Jahr 2003 im Geschlechtervergleich, wird deutlich, dass sowohl Männer als auch Frauen durchschnittlich bis zum Alter von etwa 63 Jahren beschwerdefrei leben. In Anbetracht der um ca. fünf Jahre höheren Lebenserwartung von Frauen heißt das, dass diese Jahre mit Behinderungen und Beeinträchtigungen gelebt werden. Männer scheinen bislang eher kurz, dafür aber beschwerdefrei(er) zu leben (Robert-Koch-Institut, 2006). Dies zeigt sich auch bei Betrachtung des Anteils der Pflegebedürftigen im Geschlechtervergleich: Beginnend in der Altersgruppe der ab 75-Jährigen ist der Anteil der Frauen höher und mit zunehmenden Alter wird der Unterschied immer größer und erreicht mit einem Anteil von 62,7 % zu 37,5 % bei Männern bei den über 90-Jährigen sein Maximum (Robert-Koch-Institut, 2004). Männer sterben früher Schon Jungen bis zum Alter von 15 Jahren haben eine erhöhte Sterblichkeit: Mehr männliche Föten sind von einem Spontanabort betroffen, auch bei der Zahl der Totgeburten überwiegen mit 115 zu 100 die männlichen Babys (Bründel u. Hurrelmann, 1999). Innerhalb der ersten 24 Stunden versterben von 100.000 Säuglingen 127,2 der männlichen und lediglich 104,7 der weiblichen. Im ersten Lebensjahr gibt es ebenfalls Mortalitätsunterschiede. So versterben je 100.000 Lebendgeborener 498,0 männliche im Gegensatz zu 403,8 weiblichen Säuglingen; beispielsweise sterben Jungen häufiger am plötzlichen Kindstod (74,4 zu 56,6 je 100.000). Mittlerweile weisen Männer bei den Krankheitshauptgruppen in der Todesursachenstatistik für die unter 65-Jährigen durchweg höhere Mortalitätsziffern auf als Frauen (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2009). In Abbildung 2 ist das geschlechtsspezifische Mortalitätsverhältnis ausgewählter Krankheitsgruppen dargestellt. Bei Betrachtung der Haupttodesursachen, die mehr als 75 % der Todesfälle unter 65 Jahren bedingen (Neubildungen, Erkrankungen des Kreislaufssystems, Verletzungen und Vergiftungen, Erkrankungen des Verdauungssystems), werden die Geschlechtsunterschiede besonders deutlich. Abbildung 2:...