E-Book, Deutsch, 657 Seiten
Füssel Der Preis des Ruhms
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-406-74006-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Weltgeschichte des Siebenjährigen Krieges
E-Book, Deutsch, 657 Seiten
ISBN: 978-3-406-74006-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Marian Füssel, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Georg-August-Universität Göttingen, legt eine große, spannende Darstellung dieses Weltkriegs vor.
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Weitere Infos & Material
1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Inhalt;5
5;I. Prolog: Ein globaler Konflikt aus der Nähe;9
5.1;Weltgeschichte aus der Nähe;9
5.2;Getrennte Wege der Forschung;14
5.3;Zeugen und Zeugnisse;19
5.4;Strukturen und Ereignisse;28
6;II. Geopolitik zwischen Reich und Empire;32
6.1;Krieg und Globalisierung;32
6.2;Ziele und Interessen;36
6.3;Armeen und Ressourcen;40
6.4;Soldat werden: Motive und Passagen;52
6.5;Die gute Policey des Krieges? Praktiken der Kriegführung;58
6.6;«für einige Acker voller Schnee»oder Die Welt in Flammen;66
7;III. Ein Feuer wird entfacht;72
7.1;Jumonvilles Tod;72
7.2;Braddocks Niederlage am Monongahela;78
7.3;Krieg in denWäldern: «Americanische» Gewaltpraktiken;84
7.4;Die Konvention von Westminster und die diplomatische Revolution;92
7.5;Die Eroberung Menorcas und der Tod des Admirals;96
7.6;Das Schwarze Loch der Propaganda: Kalkutta Juni 1756;98
8;IV. Kriegstheater ohne Fronten: Das Reich als Kriegsschauplatz;110
8.1;Vorzeichen des Krieges;110
8.2;Einmarsch in Sachsen;112
8.3;Lobositz: Die Erfahrung der Schlacht;116
8.4;Wessen Sieg?;122
8.5;Die Schlacht lesen;125
8.6;Pirna: Die Kapitulation der sächsischen Armee;128
8.7;Auf dem Reichstag: Die Politik des Verfahrens;130
9;V. 1757 – Das Jahr der Schlachten;136
9.1;«Immer nur bataillieren»;136
9.2;Von Prag nach Kolin;140
9.3;Zittau: Ein Stadtbrand mit Folgen;148
9.4;Russischer Vormarsch: Groß-Jägersdorf;151
9.5;Von Hastenbeck bis Kloster Zeven;158
9.6;Ein Husarenstück in Berlin;160
9.7;Roßbach: Eine merkwürdige Bataille;163
9.8;«Soubisiaden»: Reaktionen auf Roßbach;167
9.9;Frischer Wind im Westen;169
9.10;Leuthen: Der Sieg der Erfahrung;175
9.11;Fort William Henry: Ein umstrittenes«Massaker»;181
9.12;Plassey: Clive of India;186
10;VI. Wahrnehmungen und Erfahrungen des Kriegsalltags;189
10.1;(K)ein Religionskrieg? Ein geweihter Degen und viel Papier;190
10.2;Hitze und Kälte;205
10.3;Hunger und Durst;208
10.4;An den Grenzen von Sprache und Verständigung;211
11;VII. 1758 – Ausweitung der Kampfzone?;215
11.1;Ein Bündnis mit den Osmanen?;215
11.2;Der Pommersche Krieg;216
11.3;«Wir sind auf der frantzosen Jagd» Herzog Ferdinands Feldzug 1758;219
11.4;Gefährliche «Abstiege»: Britische Raids an der französischenKüste;226
11.5;Tief im Westen;233
11.6;Von Löwen und Ananas: Ticonderoga und Louisbourg 1758;234
11.7;Zorndorf oder Die Entgrenzung der Gewalt;241
11.8;Die Medienschlacht und ihr Publikum;245
11.9;Hochkirch: Ein nächtlicher Überfall;249
11.10;Unterwegs in Pommern;253
11.11;An der Küste Afrikas: St. Louis und Gorée;256
11.12;Brennender Zucker und Tropenkrankheiten: Der Kampf um die Karibik;258
11.13;Indien 1758–1759;264
12;VIII. 1759 – Annus Mirabilis;270
12.1;Der Wind dreht sich;270
12.2;Kanonen und Rosen: Die Schlacht bei Minden;272
12.3;Candide auf dem Schlachtfeld;279
12.4;Kunersdorf: Das Mirakel des Hauses Brandenburg;281
12.5;Québec: Der Fall der Nouvelle-France;287
12.6;Ungleiche Seeschlachten: Vom Stettiner Haff bis Quiberon;302
12.7;Der «Finckenfang» von Maxen;309
12.8;Endlich Frieden? Die vertane Chance von Augsburg;312
13;IX. Mit Degen und Feder: Ein Medienkrieg;315
13.1;Ein neues Karthago?;315
13.2;Der«König der Pressen» im «Zeitungskrieg»;320
13.3;Der Krieg der Dichter;322
13.4;Der Krieg der Bilder;328
13.5;Den Krieg konsumieren und erinnern;331
13.6;Die Nachricht als Ware;337
13.7;Welt-Wissen? Der globale Krieg als Medienereignis;343
14;X. Städtische Lebenswelten im Ausnahmezustand;346
14.1;Okkupation zwischen Korruption und Kooperation;346
14.2;1760:Die Räume werden enger;348
14.3;Dresden in Flammen;350
14.4;Überraschung in Berlin;354
14.5;Kämpfein Nordwestdeutschland;362
14.6;Montréal kapituliert;365
14.7;Zwischen Aufschwung und Depression: Boston, New York, Philadelphia;369
14.8;Unter Geiern: Das Fischer Korps zwischen Niederrhein und Ostfriesland;371
14.9;Zu Gast bei Feinden: Kriegsgefangenschaft;375
14.10;Mars unter den Musen: Universitäten im Krieg;382
15;XI. 1761 – Vertane Chancen und neue Allianzen;389
15.1;Umkämpftes Hinterpommern: Die drei Belagerungen Kolbergs;395
15.2;Entlang der Peene: Das Ende des Pommerschen Krieges;397
15.3;Martinique und die Kontrolle über die Karibik;400
15.4;Wandiwash und Pondicherry: Auf dem Weg zur britischen Vorherrschaft;401
15.5;Der Schlaf des Königs: Kein Frieden für die Indianer;405
15.6;Der Phantastische Krieg: Spanien vs. Portugal;407
16;XII. Zwischen Moskitos und Monsun:Der Griff nach Spaniens Kolonien;413
16.1;Kampf um den «Schlüssel zur Neuen Welt»:Havanna 1762;413
16.2;Plündern im Dienst des Empire: Manila 1762;427
16.3;Lateinamerika als Kriegsschauplatz;438
17;XIII. Das zweite Mirakel;440
17.1;Der Tod der Zarin;440
17.2;Die beständige Fata Morgana eines Bündnisses am Bosporus;443
17.3;Letzte Gefechte;445
18;XIV. 1763 – Endlich Frieden;450
18.1;Der Weg zum Frieden: Fontainebleau;450
18.2;Der Frieden von Paris;452
18.3;Der Frieden von Hubertusburg;455
18.4;Europa feiert den Frieden;457
18.5;Prekäre Versprechen;465
19;XV. Folgen eines Krieges;470
19.1;Das Empire zu Hause: Soziale und kulturelle Rückwirkungen auf Europa;470
19.2;Gewinner und Verlierer: Verluste, Reparationen und Profite;473
19.3;Ökonomien des Krieges;476
19.4;Helden-Maschinen;481
19.5;Kriegsgerichtsprozesse;486
19.6;Kriegsheimkehrer;488
19.7;Reformen und Revolutionen: Politische und kulturelle Folgen;494
20;XVI. Epilog: Entscheidungen – Signaturen – Wahrnehmungen;498
20.1;Das Mirakel des Kriegsverlaufs;501
20.2;Sicherheit als Motor der Politik;505
20.3;Krankheit und Gewalt;507
20.4;Verflechtung und Entflechtung;513
20.5;Schreibweisen des Krieges;517
20.6;Der Krieg der Sinne;520
21;Dank;523
22;Anmerkungen;524
23;Siglenverzeichnis;639
24;Literaturverzeichnis;640
25;Bildnachweis;646
26;Personenregister;647
27;Zum Buch;657
28;Über den Autor;657
II Geopolitik zwischen Reich und Empire
Krieg und Globalisierung
Was bedeutet es nun konkret für die Anlage einer Darstellung, den Siebenjährigen Krieg als einen global ausgetragenen Konflikt zu begreifen?[1] Die Globalität des Krieges ist letztlich ein Effekt sich überlappender regionaler Konflikte. Man muss nur entscheiden, welche Kriege man unter einer einzigen Linse betrachten will, damit nicht irgendwann «jeder Schuss», der in den 1750er und 1760er Jahren des 18. Jahrhunderts «irgendwo auf der Welt» fiel, zu einem Teil des Siebenjährigen Krieges wird.[2] Bei näherer Betrachtung ist weder die zeitliche noch die räumliche Dimension dieses Konfliktes unumstritten.[3] Die erste augenfällige globale Dimension liegt in der Konfrontation des britischen und französischen Kolonialreiches und deren Koppelung an den Dritten Schlesischen Krieg. Eine in diesem Sinn primär geopolitische Perspektive nehmen Autoren wie Daniel Baugh ein, und mit ihr gewinnen Akteure wie Thomas Pelham-Holles, Duke of Newcastle (1693–1768), William Pitt (1708–1778), Friedrich II. oder der Duc de Choiseul (1719–1785) an Bedeutung.[4] In Großbritannien diskutierte man die geopolitische Alternative von «blue water policy» oder «continental commitment».[5] Denn seit 1714 stand England ja mit dem Kurfürstentum Hannover in Personalunion, die Bindung an den Kontinent musste daher im strategischen Kalkül immer mit berechnet werden und sollte sich gerade für den Siebenjährigen Krieg als extrem folgenreich erweisen.[6] In die imperiale Konfrontation wurde durch den «pacte de famille» 1762 auch noch das spanische Kolonialreich miteinbezogen. Eine der einflussreichsten militärischen Akteure an der Grenze des christlichen Europas, das Osmanische Reich, blieb dem Konflikt konsequent fern, obwohl sowohl der preußische König als auch Frankreich immer wieder versuchten, die Sultane Osman III. (1699–1757) und Mustafa III. (1717–1774) zu einem Bündnis zu bewegen.[7] Allein von der räumlichen Ausdehnung ist die Rede vom Weltkrieg also zunächst evident. Zeitlich verschiebt sich mit dem globalen Fokus der Kriegsausbruch von dem in Deutschland gängigen Ausbruchsjahr 1756 mehr und mehr in die Phase der Jahre 1751 bis 1754 und erlaubt, Konflikte in Indien (Arcot) und dem Ohio-Tal als den eigentlichen Beginn auszumachen. Letztlich, so die radikalste Position, gehe der Konflikt bis auf den Frieden von Aachen 1748 zurück, der viele unzufriedene Akteure und ungeklärte Ansprüche hinterlassen hatte.[8] Schon 1899 schrieb Georg Küntzel, dass für «die Austragung der colonialen und schlesischen Frage» der Aachener Friede «nur den Werth eines kurzen Waffenstillstandes» gehabt habe.[9] Auch das Ende franst in der jüngeren Historiographie weiter aus. Nicht mehr die Friedensschlüsse von Paris und Hubertusburg 1763, sondern auch der Pontiac-Krieg (1763–1765) oder die Kämpfe der East India Company gegen den Nawab von Oudh (1764–1765) werden als mögliche Endpunkte gehandelt.[10] Weitet man die Kontexte der Vor- und Nachgeschichte noch deutlicher aus, kann der Siebenjährige Krieg mit Arthur Buffinton auch als Teil eines «Zweiten Hundertjährigen Krieges» zwischen Frankreich und Großbritannien im Zeitraum von 1689 bis 1815 interpretiert werden.[11] Ein Label, das jedoch sowohl eine Homogenität und Zusammengehörigkeit diverser Konflikte suggeriert, die keineswegs alle unmittelbar miteinander verkettet waren, als auch eine erhebliche Einschränkung der wirkmächtigen Akteure bedeuten würde.[12] Die wichtigste Lektion, die von der postkolonialen Forschung von Indien bis nach Nordamerika in diesem Zusammenhang zu lernen ist, ist wahrscheinlich die symmetrische und nichtteleologische Betrachtungsweise imperialer Konflikte.[13] Das heißt erstens ganz konkret: Wir sollten die Ereignisse nicht immer so erzählen, dass der Triumph des britischen Empire ihren logischen Fluchtpunkt bildet. Zweitens heißt es, die lokalen Akteure nicht als Beiwerk zu den Verstrickungen europäischer Mächte zu begreifen, sondern als potentiell handlungsmächtige Akteure. So haben jüngere Arbeiten zur Geschichte der ‹Indianer› Nordamerikas die gängige Perspektive umgekehrt und die Geschichte aus der Perspektive der Native Americans erzählt, eine Geschichte, in der die permanente Bedrohung nun aus dem Osten kommt.[14] Von der Quellenlage ist diese Symmetrie allerdings nicht ohne Weiteres herzustellen, da nicht überall die gleiche Dichte schriftlicher Quellen herrscht. Ein materielles Quellenzeugnis der indianischen Kommunikationskultur sind die sogenannten Wampum-Gürtel aus Perlen von Muscheln und Schneckengehäusen, die zur Bestätigung von Verträgen oder als Zahlungsmittel genutzt wurden.[15] Das Quellenproblem liegt für die Überlieferung zu den einfachen Soldaten des Ancien Régime jedoch in ähnlicher Weise vor, hat aber nicht dazu geführt, die Perspektive einer Militärgeschichte ‹von unten› aufzugeben.[16] Entscheidender noch als die schiere zeitliche und räumliche Ausdehnung des Konflikts ist die Frage nach den Interdependenzen und lokalen Machtgefügen. Der Krieg begann in Nordamerika und Indien, und erst ein Jahr später führte man in Europa Krieg; andere Regionen wie Afrika oder die Karibik wurden wiederum erst durch europäische Initiative zu Kriegsschauplätzen. Die Verkettung unterschiedlicher Kriegstheater wirft die Frage nach der globalisierenden Wirkung des Krieges auf. Globale Verflechtung findet auf mehreren Ebenen statt, die den Kreis um die geopolitischen Entscheidungsträger noch einmal signifikant erweitern. Globale Interaktion vollzieht sich unter anderem in wirtschaftlichen, religiösen, politischen, militärischen, kommunikativen und kulturellen Bereichen. Global operierende Handelsgesellschaften wie die britische East India Company (EIC) oder die französische Compagnie des Indes (CdI) hatten enormen Einfluss auf den Konflikt.[17] Während die französische Indienkompanie allerdings recht eng an die Krone gebunden war, konnte die britische wesentlich autonomer handeln, wenngleich sie auf militärische Unterstützung angewiesen war und die Krone mit der immer wieder anstehenden Verlängerung ihrer Privilegien ein gewisses Druckmittel in der Hand hielt. Stockfisch von der Küste Neufundlands, Pelze aus Kanada, Zucker und Rum aus der Karibik, Gummi arabicum aus Afrika oder Salpeter aus Indien bildeten nur einige der global zirkulierenden Handelsgüter, die im Siebenjährigen Krieg eine Rolle spielten.[18] Die Handelsgesellschaften agierten als militärische Akteure, wurden zu Territorialherren und bildeten kommunikative Netzwerke aus. Aus Sicht der Herrscher der ehemaligen Provinzen des indischen Mogulreiches bildeten die Kompanien Bündnispartner in Prozessen der Staatsbildung. Nach dem Tod des Großmoguls Aurangzeb (1618–1707) wirkten in Indien Prozesse, die denen im Alten Reich nicht unähnlich waren – freilich mit dem Unterschied, dass sie von der kolonialen Geschichtsschreibung meist als Zerfallsprozess gedeutet wurden.[19] Die einzelnen Provinzen versuchten, ihre «fiskalischen und ökonomischen Ressourcen zur Schaffung eines eigenen Staates zu mobilisieren».[20] Ein Prozess, den Michael Mann auch als «segmentäre Staatsbildung» bezeichnet hat.[21] Für Mann ist es mit Blick auf Südasien die Parallelität von Staatsbildungsprozessen, die den Siebenjährigen Krieg «tatsächlich zu einem ersten Weltkrieg» werden lassen. So wäre es ein «Trugschluss», die globalgeschichtliche Dimension allein in der «interkontinentalen Vernetzung von Ressourcen, Informationen und Menschen» zu sehen.[22] Vielmehr gelte es, die «Bruchzonen» der Globalisierung aufzuzeigen. So stehen am Ende Asymmetrie und Herrschaft und nicht grenzenlose Zirkulation. Die Aufgabe, der Vernetzung von Ressourcen, Informationen und Menschen nachzuspüren, wird damit jedoch nicht obsolet. Für die kommunikativen Kanäle ebenso wie die öffentlich wirksamen Faktoren hatten auch religiöse Akteure eine enorme Bedeutung, sei es in der Korrespondenz von Missionaren oder konfessioneller und interreligiöser Propaganda. Für Nordamerika und Indien sind etwa die Relationen der Jesuiten aufschlussreich, für Südindien die der Dänisch-Halleschen Mission in Tranquebar.[23] Selbst der Vatikan wurde zum Akteur im Zeichen eines Abschieds vom Religionskrieg.[24] Neben den offiziellen Kirchen...