Gasteiger Laufbahnentwicklung und -beratung
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8444-2086-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Berufliche Entwicklung begleiten und fördern
E-Book, Deutsch, 138 Seiten
ISBN: 978-3-8444-2086-9
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In diesem Band werden berufliche Laufbahnen aus ganzheitlicher Perspektive näher beleuchtet und zeitgemäße Ansätze und Methoden der Laufbahnentwicklung und -beratung vorgestellt. Neben einem integrativen Beratungsmodell beinhaltet dieser Band eine Vielzahl von anwendungsorientierten Instrumenten, Anleitungen und Checklisten sowohl für Laufbahnberater, -coaches und Personalverantwortliche als auch für Personen, die zu berufsbezogenen Fragen professionellen Rat suchen. Tipps zur Gestaltung von Entwicklungsgesprächen
und zu typischen Herausforderungen in unterschiedlichen Laufbahnsituationen sind nur einige Beispiele aus dem Buch. Kompetenzanforderungen an professionell arbeitende Laufbahnberater und international anerkannte Qualitätsstandards sind weitere Gegenstände des Bandes. Zudem wird das Vorgehen in der Praxis anhand mehrerer Fallbeispiele verdeutlicht.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Organisationstheorie, Organisationssoziologie, Organisationspsychologie
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Coaching, Training, Supervision
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie
- Sozialwissenschaften Pädagogik Berufliche Bildung Berufs- und Studienberatung, Karriereplanung
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Literatur für Manager
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Personalwesen, Human Resource Management
Weitere Infos & Material
2Modelle In diesem Kapitel werden ausgewählte Berufswahl- und Laufbahnentwicklungstheorien diskutiert, die für die Laufbahnberatung von zentraler Bedeutung sind. Dabei wird kein Anspruch auf eine vollständige Darstellung der Vielzahl von Laufbahntheorien erhoben. Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist vielmehr, eine theoretische Grundlage für die Erklärung der Laufbahnentwicklung aus individueller und organisationaler Perspektive und einer daran orientierten Laufbahnberatung zu schaffen, die dem jeweiligen Kontext Rechnung trägt2. 2.1Theorien zur Berufswahl und Laufbahnentwicklung Herkömmliche und neuere Ansätze zur beruflichen Entwicklung Angesichts tief greifender Veränderungen in sozioökonomischen Systemen (wie z.B. Globalisierung, betriebliche Umstrukturierungen), deren integraler Bestandteil berufliche Laufbahnen sind, bilden sich nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung vermehrt neue Laufbahnformen heraus. Dementsprechend wird mittlerweile zwischen zwei Gruppen von Laufbahntheorien unterschieden: „Etablierte“ und „entstehende“ Theorien (vgl. Brown & Brooks, 1998). In den etablierten Theorien werden Laufbahnen vorwiegend als linear und an der organisationalen Hierarchie ausgerichtet betrachtet. Forschungsbeiträge zu Laufbahnen, die vor 1990 entstanden sind, basieren überwiegend auf der Vorstellung, dass sich Erwerbstätige innerhalb von ein paar wenigen Organisationen beruflich entwickeln. Zwar gab es stets Personen (wie z. B. selbstständige Unternehmer), die außerhalb herkömmlicher Laufbahnpfade berufstätig waren, die traditionelle, organisati- onale Laufbahn war – und ist teilweise – jedoch das dominierende Arbeitsverhältnis. Dementsprechend fokussieren die meisten Laufbahnmodelle auf Arbeitnehmer in einem festen Anstellungsverhältnis. Die Vielzahl an Theorien zur Berufswahl, zur beruflichen Entscheidungsfindung und Entwicklung im organisationalen sowie organisationsnahen Kontext lässt sich in Passungs- und Entwicklungstheorien, entscheidungstheoretische Modelle, organisationale sowie neuere, postorganisationale Laufbahntheorien einteilen (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1:
Übersicht zu Erklärungsansätzen zur Berufswahl, Entscheidungsfindung und Laufbahnentwicklung 2.1.1Passungsbezogene Ansätze Laufbahn als Passung zwischen Person und Umwelt Die Wahl eines Tätigkeitsbereichs und eines Arbeitgebers zählt zu den wichtigsten beruflichen Entscheidungen von Menschen. Bei den Passungs- bzw. Zuordnungstheorien, die in der Praxis der Berufsberatung und Personalauswahl nach wie vor häufig Anwendung finden, steht die Kompatibilität zwischen Person und Beruf bzw. Arbeitgeber im Mittelpunkt. Im Wesentlichen wird mit den Passungstheorien postuliert, dass Arbeitsumwelten bzw. Organisationen gewisse Eigenschaften aufweisen, die potenziell mit den Merkmalen von Personen übereinstimmen bzw. zu diesen komplementär sind. Person-Umwelt- bzw. Person-Organisation-Fit bezeichnet die Kompatibilität zwischen einer Person und dem Arbeitsumfeld bzw. der Organisation, in der sie tätig ist (vgl. Kristof, 1996). Nach diesem Konzept liegt eine supplementäre Passung vor, wenn sich Person und Organisation in grundlegenden Merkmalen (wie z. B. ihren Werten und Zielen) entsprechen oder zumindest ähnlich sind. Demzufolge führt eine fehlende Passung zu Konflikten zwischen der Person und ihrem Umfeld. Im Unterschied dazu wird bei der komplementären Passung die Übereinstimmung zwischen den Fähigkeiten bzw. Bedürfnissen der Person einerseits und den Anforderungen bzw. Ressourcen der Organisation andererseits betont. Demnach ist nicht die Kongruenz entscheidend, sondern vielmehr, inwieweit sich Person und Organisation gegenseitig ergänzen. Bei der Berufswahl gilt es demnach, differenzielle Persönlichkeitsmerkmale – von denen man annimmt, dass sie zuverlässig und valide gemessen werden können – mit korrespondierenden beruflichen Anforderungen abzugleichen („matching“). Die Wahl einer beruflichen Tätigkeit wird dabei vorwiegend als rationaler Entscheidungsprozess verstanden. Die Person vergleicht dabei – ggf. mithilfe eines Experten – die individuellen Eigenschaften mit den Anforderungen bestimmter Tätigkeiten. Auf Basis dessen wird eine überschaubare Anzahl von potenziell passenden Jobs ermittelt und schließlich ein passender ausgewählt. Kongruenz von Person und Umwelt Der Gedanke der Passung unterliegt zahlreichen in der Praxis gebräuchlichen Ansätzen, wie z. B. der Kongruenztheorie nach Holland (1997), die zu den bekanntesten Berufswahltheorien zählt. Eine zentrale Annahme dabei ist, dass eine Person bei der Berufswahl nach einer ihren Interessen bzw. Persönlichkeitsorientierungen entsprechenden oder zumindest ähnlichen Umwelt sucht. Die Grundlage für berufliche Leistung, Erfolg und Zufriedenheit liegt demnach in der Übereinstimmung von Interessen und Arbeitsumgebung, welche sich jeweils anhand von sechs Typen beschreiben lassen. Die Interessenstypen des sogenannten RIASEC-Modells sind jeweils durch bestimmte Motive, Selbstkonzepte, Bewältigungsmechanismen und Fähigkeiten charakterisiert (vgl. Tabelle 3). Sie können in der Beratungspraxis z. B. mithilfe des Testverfahrens EXPLORIX (Jörin Fux, Stoll, Bergmann & Eder, 2013) ermittelt werden (vgl. Kapitel 4.2.5). Tabelle 3:
Berufliche Interessenstypen nach Holland (1997) und ihre jeweiligen Merkmale und Präferenzen Typ Merkmale und typische Berufsbeispiele R (realistic) – Realistisch Der realistisch orientierte Typ präferiert handwerklich-technische Tätigkeiten, die mit dem systematischen Gebrauch von Objekten und Werkzeugen oder dem Umgang mit Tieren zusammenhängen. Er beschäftigt sich bevorzugt mit der Lösung konkreter Aufgaben, während er erzieherische Tätigkeiten ablehnt. Geld, Macht und Status misst er einen zentralen Stellenwert bei.
Typische Berufsbeispiele: Maschinenbauer, Bauingenieur. I (investigative) – Intellektuell-forschend Der intellektuell-forschend orientierte Typ bevorzugt Aktivitäten, die das beobachtende, symbolische, systematische und kreative Untersuchen von physikalischen, biologischen und kulturellen Phänomenen beinhalten. Soziale Kontakte sind ihm weniger wichtig. Im Interessenfokus stehen vor allem wissenschaftliche Aktivitäten.
Typische Berufsbeispiele: Biologe, Mathematiker. A (artistic) – Künstlerisch Der künstlerisch orientierte Typ präferiert unstrukturierte Tätigkeiten, die mit dem Gebrauch von Materialien verbunden sind, die ihm das Erschaffen von kreativen Produkten im sprachlichen, musischen, schriftstellerischen oder darstellerischen Bereich ermöglichen. Im Mittelpunkt stehen ästhetische Kreationen. Typische Berufsbeispiele: Schauspieler, Designer.
S (social) – Sozial Der sozial orientierte Typ bevorzugt Tätigkeiten, bei denen er mit anderen Menschen im Kontext von Unterricht, Erziehung, Beratung oder Pflege zu tun hat. Systematische Aktivitäten oder den Umgang mit Werkzeugen lehnt er dagegen ab. Zwischenmenschliche Beziehungen sind für ihn zentral.
Typische Berufsbeispiele: Krankenschwester, Lehrer. E (enterprising) – Unternehmerisch Der unternehmerisch orientierte Typ bevorzugt Aktivitäten, bei denen er andere beeinflussen kann, um Organisationsziele zu erreichen oder wirtschaftliche Gewinne zu erzielen (z. B. Verkauf von Produkten). Für ihn steht ökonomischer, politischer und sozialer Erfolg im Fokus.
Typische Berufsbeispiele: Unternehmer, Rechtsanwalt. C (conventional) – Konventionell Der konventionell orientierte Typ bevorzugt Tätigkeiten, die mit dem systematischen Umgang mit Material oder Daten zu tun haben, um Organisationsziele zu erreichen(z. B. ordnen, verwalten oder reproduzieren). Offene, unstrukturierte Aufgaben lehnt er hingegen ab.
Typische Berufsbeispiele: Buchhalter, Finanzexperte. Hexagonmodell – Typen von Personen und Umwelten Holland leitete auf Basis von Faktorenanalysen ein hexagonales Modell ab, das die Beziehungen zwischen den verschiedenen Typen verdeutlicht (siehe Abbildung 2). Dabei symbolisiert die räumliche Nähe zwischen den Typen das Ausmaß...