E-Book, Deutsch, 408 Seiten
Gelléri / Winter Potenziale der Personalpsychologie
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8409-2364-7
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Einfluss personaldiagnostischer Maßnahmen auf den Berufs- und Unternehmenserfolg
E-Book, Deutsch, 408 Seiten
ISBN: 978-3-8409-2364-7
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Der Band bietet einen umfassenden und fundierten Überblick über aktuelle Ansätze, Entwicklungen und Perspektiven der personalpsychologischen Diagnostik. National und international renommierte Autorinnen und Autoren aus dem Bereich der Personalpsychologie stellen neue Forschungsergebnisse vor und zeigen Implikationen für die Praxis auf. Im ersten Teil des Bandes geht es um den Zusammenhang zwischen Personalpsychologie und Unternehmenserfolg. Beispielsweise werden hier in Beiträgen von und mit Markus-Oliver Schwaab, Jürgen Wegge und Wayne F. Cascio die soziale Verantwortung von Unternehmen, spezifische Problematiken von altersgemischten Teamarbeitsgruppen und die Messung des finanziellen Nutzens in der Personalauswahl thematisiert. Der zweite Teil beleuchtet wichtige Aspekte und Konstrukte der Personalauswahl, wie Intelligenz, Persönlichkeit und Selbstdarstellung, Neugier und Kreativität, und stellt konkrete Verfahren zur Erfassung dieser Konstrukte vor. Im abschließenden Teil des Bandes erörtern u.a. Lutz von Rosenstiel, Klaus Moser und James Farr verschiedene Möglichkeiten, wie Leistung und Kommunikationsstrukturen von Arbeitnehmern angemessen beurteilt werden können und welche praktischen Konsequenzen dies für die interne Personalentwicklung hat. Insgesamt zeigen die Beiträge so auf sachkundige und facettenreiche Weise auf, welchen Beitrag die Personalpsychologie zum Berufs- und Unternehmenserfolg leistet.
Zielgruppe
Studierende und Lehrende der Psychologie, insbesondere der Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Führungskräfte und Personalverantwortliche.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Organisationstheorie, Organisationssoziologie, Organisationspsychologie
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Personalwesen, Human Resource Management
Weitere Infos & Material
1;Potenziale der Personalpsychologie;1
2;Inhalt;7
3;Vorwort der Herausgeber;11
4;Ein Rückblick als Vorwort ;13
5;Teil I: Personalpsychologie und Unternehmenserfolg;17
5.1;Eignungsdiagnostik im Dienste der Berufsberatung oder der Personalauswahl? Eine Analyse der zwischen 1949 und 2009 veröffentlichten deutschsprachigen Forschungsarbeiten;19
5.2;Die soziale Verantwortung der Unternehmen;31
5.3;Jung und Alt in einem Team? Altersgemischte Teamarbeit erfordert Wertschätzung von Altersdiversität;45
5.4;Relativität von Veränderungen in und von Organisationen – oder: „Warum haben wir nichts erreicht, wo wir doch alles verändert haben?“;57
5.5;Die Messung des finanziellen Nutzens in der Personalauswahl;69
5.6;Förderung der wissenschaftlich fundierten Personaldiagnostik in der Praxis;81
6;Teil II: Verfahren und Konstrukte der Personalauswahl;91
6.1;Zur zweifelhaften Validität und Nützlichkeit von Anforderungsanalysen für die Interpretation eignungsdiagnostischer Daten;93
6.2;Personalauswahl im Kontext organisationalen Wandels: Eine interdisziplinäre Betrachtung;107
6.3;Intelligenz, Persönlichkeit und Selbstdarstellung: Aktuelle Perspektiven der Personalpsychologie;123
6.4;Soziale Wahrnehmungsfähigkeit in der Personal- und Managementdiagnostik;131
6.5;Die Bedeutung von Neugier für den beruflichen Erfolg;149
6.6;Prozessbasierte Messung von Kreativität;163
6.7;Kreativität im beruflichen Kontext;175
6.8;Auswahl von Auszubildenden am Beispiel zweier eignungsdiagnostischer Verfahren;187
6.9;Entwicklung und Evaluation eines kompakten berufsbezogenen Persönlichkeitsinventars;199
6.10;Können die Big Five mit dem Impliziten Assoziationstest gemessen werden?;213
6.11;Struktur und Formen von Facetten der Leistungsmotivation in verschiedenen Ländern: Wechselwirkungen von Theorie und Messung;225
6.12;Das rumänische Leistungsmotivationsinventar und eine Vergleichsuntersuchung aus Rumänien, der Schweiz und Großbritannien;249
6.13;Die Qualität von Assessment Centern im deutschsprachigen Raum: Stabil mit Hoffnung zur Besserung;259
6.14;Entwicklung eines generalisierbaren Situational Judgment Inventars für Management-Positionen der ersten Ebene;279
6.15;Verhandeln, Persönlichkeit und ihre Messung in Situational Judgment Tests;291
7;Teil III: Leistungsbeurteilung und Kommunikation;305
7.1;Die soziale Validität am Beispiel der systematischen Personalbeurteilung;307
7.2;Selbstbeurteilung;325
7.3;Feedback-Suchverhalten in Arbeitsgruppen;343
7.4;Führungskraft-Mitarbeiter-Kommunikation – Eine neue Perspektive in der Managementdiagnostik;363
7.5;Entwicklung und Qualitätssicherung von Potenzialanalysen, Leistungsbeurteilungssystemen und Feedbackinstrumenten in einer kreditwirtschaftlichen Organisation;381
7.6;Career Assessment zur Unterstützung neuerer beruflicher Laufbahnentwicklung;397
Die Bedeutung von Neugier für den beruflichen Erfolg (S. 139-140)
Patrick Mussel
1 Wozu ein neues Konstrukt?
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsvariablen und beruflichem Erfolg wurden bis Mitte der 80er Jahre in einer Vielzahl von Einzelstudien untersucht, die Skalen verschiedener Instrumente mit Maßen beruflichen Erfolgs korrelierten. Wie Guion und Gottier (1965, S. 159) zusammenfassten, zeigte sich dabei “no gene-ralizable evidence that personality measures can be recommended as good or practical tools for employee selection”. Für diese Auffassung zeichnet das Fehlen eines Klassifikationssystems zur Entwicklung, Aggregation und Kommunikation über bedeutende Konstrukte ebenso verantwortlich wie mangelnde theoretische Fundierung, beispielsweise durch Anforderungsanalysen (Hurtz & Donovan, 2000). Die Einigung auf die „Big Five“ als Klassifikationssystem (Digman, 1990, Tupes & Christal, 1961) sowie die Entwicklung der Metaanalyse haben die damalige Sichtweise so grundlegend verändert, dass die Bedeutsamkeit der Persönlichkeit für berufliches Verhalten heute nicht mehr angezweifelt wird (Barrick, Mount & Judge, 2001).
Dennoch blieb die an den Big Five orientierte personalpsychologische Forschung nicht ohne Kritik. Im Rahmen der Bandwidth-Fidelity-Diskussion wurden die Big Five dabei als zu breit diskutiert (Rothstein & Goffin, 2006, Schneider, Hough & Dunnette, 1996, Tett & Christiansen, 2007, 2008). Von anderer Seite wurde die Defizienz der Big Five für die Prognose beruflichen Erfolgs moniert. Entsprechend wurde von Lee und Ashton (2004) ein sechsfaktorielles Modell vorgeschlagen. Der zusätzliche Faktor „Honesty-Humility“ ist eng verwandt mit Integrität, und besitzt daher Bedeutsamkeit für Kriterien kontraproduktiven Verhaltens (Ones & Viswesvaran, 2001). Hough (1992) postuliert ein neundimensionales Modell, das unter anderem die zusätzlichen Dimensionen „Rugged Individualism“ (Maskulinität) und „Locus of Control“ (Kontrollüberzeugungen) aufnahm. Letzteres wurde auch von Judge, Erez, Bono und Thoresen (2003) aufgegriffen. Ihre „Core-Self- Evaluation“-Skala erfasst ebenfalls Konstrukte, die einerseits durch die Big Five nicht adequat repräsentiert werden und andererseits für beruflichen Erfolg relevant sind.
Die Etablierung eines neuen Konstrukts in der personalpsychologischen Forschung und Praxis muss wenigstens zwei Kriterien genügen: Theoretische Fundierung sowie eine valide Vorhersage relevanter Kriterien, insbesondere beruflichen Erfolgs, über die Big Five hinaus. Der vorliegende Artikel untersucht das Konstrukt Neugier in Bezug auf diese Aspekte, beginnend mit einer Übersicht über vorliegende konzeptionelle Arbeiten. Dabei wird deutlich, dass Neugier sich als bedeutsames Konstrukt für die Vorhersage einer Reihe unterschiedlicher Kriterien etabliert hat, wobei der Zusammenhang mit Kriterien beruflichen Erfolgs bislang in nur einer Studie untersucht wurde. Im empirischen Teil werden diese Zusammenhänge repliziert sowie, nach Kenntnisstand des Autors, erstmals inkrementelle Validitäten über die Big Five hinaus untersucht.
2 Definition und Theorie
Collins (2001) definierte Neugier als “multifaceted enduring trait that motivates seeking and exploring a broad spectrum of novel stimuli“ (S. 590). Bereits in den ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Neugier wurde dabei eine Unterscheidung bezüglich des Gegenstandes vorgenommen, auf den sich die Neugier bezieht. William James (1890/1950) grenzte dabei wissenschaftliche Neugier, die von erlebter Inkonsistenz oder einem Wissensdefizit herrührt, von einer eher unspezifischen „susceptibility for being excited and irritated by the mere novelty of (...) the environment“ (S. 430) ab. Diese Unterscheidung wurde von Daniel Berlyne (1960, 1978) aufgegriffen und weiter ausgearbeitet. Berlyne unterschied dabei epistemische Neugier, die sich auf das Verlangen nach Wissen und damit auf rein menschliche Phänomene bezieht, von perzeptueller Neugier, die durch die bloße Anwesenheit neuartiger Stimuli induziert wird und bei anhaltender Exponierung erlischt. Perzeptuelle Neugier diente vor allem der Kategorisierung von Ergebnissen aus Tierexperimenten, wie beispielsweise das Explorationsverhalten einer Ratte in einem Labyrinth, wobei inzwischen auch menschliche Phänomene wie Freizeitverhalten (Collins, Litman & Spielberger, 2004) oder Sensation Seeking nach Zuckerman (1994) der perzeptuellen Neugier zugerechnet werden (z. B. Reio, Petrosko, Wiswell & Thongsukmag, 2006).
Eine zweite Unterscheidung führte Berlyne (1978) mit spezifischer und diverser Neugier ein. Spezifische Neugier bezieht sich auf das Verlangen nach einer konkreten Information, wie beispielsweise die Suche nach einem bestimmten Puzzleteil. Im Gegensatz dazu beschreibt diverse Neugier eine eher unspezifische Suche nach Stimulation, die durch Langeweile ausgelöst wird. Der theoretische Ansatz von Berlyne hat die Forschung nachhaltig beeinflusst, wurde durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien bestätigt (z. B. Boyle, 1983, Byman, 2005, Day, 1971, Kreitler & Kreitler, 1994, Reio, Petrosko, Wiswell & Thongsukmag, 2006) und findet sich in einer Reihe von Testverfahren wieder (Collins, Litman & Spielberger, 2004, Litman, Collins & Spielberger, 2005, Naylor, 1981, Spielberger et al., 1980).