E-Book, Deutsch, Band 25, 736 Seiten
Reihe: Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei
Gerlach Lebensläufe Zeitläufte
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7065-6297-3
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Freimaurer im Alten Preußen 1738–1815
E-Book, Deutsch, Band 25, 736 Seiten
Reihe: Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei
ISBN: 978-3-7065-6297-3
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Karlheinz Gerlach, 1935 geboren, Studium der Geschichte und Germanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Freimaurerei. Wissenschaftlicher Beirat der Zeitschrift für Internationale Freimaurer-Forschung.
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1. Einleitung
Das Buch bietet 1.089 Biografien 1738–1806/1815 in Logen Brandenburg-Preußens an- und aufgenommener Freimaurer sowie die dreier , Freimaurer, des Landesgroßmeisters der Ernst II. Ludwig Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg (Hauptartikel), des Heermeisters der VII. Provinz der Karl Gotthelf Reichsfreiherr v. Hund und Altengrotkau (Hauptartikel) und des preußischen Generalmajors und Chefs des Ascherslebener Kavallerieregiments Nr. 6 Karl August Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, Mitglied der Loge in Weimar (Unterartikel), außerdem die einzelner Profaner, so der Dichterin Anna Louisa Karsch, der (Unterartikel).
Die ausgewählten Freimaurer machen 8,2 Prozent aller im Alten Preußen ermittelten 13.180 an- und aufgenommenen Maurer aus samt den wenigen Maurerinnen und den 761 dienenden Brüdern. 609 Freimaurer werden in einem Hauptartikel, weitere 480 in einem kürzeren Unterartikel abgehandelt.
Die Lebensläufe basieren auf den masonischen Daten der 2007–2014 vom Autor anhand der überlieferten Quellen und der Literatur geschriebenen und von Helmut Reinalter im Studienverlag, Innsbruck, herausgegebenen dreiteiligen Logengeschichte (1. , 2014, 2. , 2007, 3. , 2009), den überarbeiteten digitalen Neuauflagen der Teile 2 und 3 sowie auf dem Kapitel (S. 258–413) in dem von Uta Motschmann, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, edierten (Berlin 2015).
Die Hauptartikel sind nach dem Beispiel der Neuen Deutschen Biographie zweigegliedert in und .
Die bietet die Lebensdaten und beruflichen Standesdaten des Freimaurers, die Namen der Eltern und Ehepartner, ab und an der Kinder, Großeltern, Schwäger, Onkel, Neffen.
Der Teil , der des Freimaurers, schildert in gebotener Kürze die familiäre, berufliche und maurerische Laufbahn (Aufnahme, Beförderungen, Funktionen, Logenreden, Ereignisse) sowie besondere Lebensumstände, Erlebnisse, Erfahrungen, Leistungen, Publikationen im Zusammenhang von Familie, Loge, Staat, Gesellschaft, Zeitgeschichte.
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Die Freimaurerei faszinierte. Wesen, Erscheinung, Symbolik, Brauchtum reizten die Neugier. Sie war bereits im 18. Jahrhundert ein großes Thema in Publizistik, Literatur und Musik.
Die Biografien erlauben tiefe gesellschaftliche und soziale Einblicke. Dafür wenige Beispiele.
Der Organisationsgrad der sozietäts- bzw. logenfähigen Männer war hoch, lässt sich indes nur für Berlin annähernd verlässlich berechnen. Die 1801/1805 in Berlin organisierten 927 Freimaurer (unter ihnen 701 Berliner) machten 0,55 Prozent der 170.000 Einwohner aus, jedoch 13,4 Prozent der etwa 7000 logenfähigen Männer - sicher der damals höchste Prozentsatz in Preußen. Zum Vergleich zu heute: Die Maßzahl der gewerkschaftlich Organisierten betrug 2010 in Deutschland 17,4 Prozent. Ähnliche Berechnungen lassen sich für einzelne Berliner Behörden, Militäreinheiten oder Gewerbezweige anstellen. Dafür drei Beispiele: (1) Am Kammergericht, dem ältesten noch arbeitenden deutschen Gericht und der im 18. Jahrhundert obersten gerichtlichen Instanz Preußens, einer freimaurerischen Hochburg, waren 1783/84 drei der neun Räte des Oberappellationsgerichts und fünf der 22 Räte des Instruktionssenats einschließlich seines Präsidenten Freimaurer; (2) um die Jahrhundertwende neun von 24 privilegierten Buchhändlern (37,5 Prozent), (3) 1740–1806 12,2 Prozent des Offizierskorps des in Potsdam und Spandau garnisonierenden Infanterieregiments Nr. 35 einschließlich des Regimentschefs Prinz Heinrich von Preußen.
Der in den Quellen am ehesten genannte Grund, Freimaurer zu werden, war der Wunsch, Mitglied einer Gesellschaft zu sein, die im Glanze königlicher Protektion strahlte und in der man angesehene Männer mit Einfluss kennenlernte. Der Student hoffte, in ihr berufliche Förderer zu finden, und fand sie auch, der besorgte Vater Aufsicht und Sicherheit für seinen studierenden Sohn zu erhalten, der Immigrant, in der neuen Heimat gesellschaftlich schneller und fester Fuß zu fassen. Der 33-jährige Apotheker Martin Heinrich Klaproth begründete seinen ernsthaften Wunsch zur Aufnahme damit, dass er „von den Vorzügen einer Verbindung mit einer solchen hochachtungswürdigen Gesellschaft nun vollkommen überzeugt“ sei, da er sehe, dass die Glieder dieses Ordens, so viel er davon kenne, „durchgehends wackre Männer sind, die gesunde Denkungsart mit dem besten zur Ausübung wahrer Freundschaft gestimmten Herzen verbinden, so kann es nicht fehlen, daß ich nicht nach dem Glücke, an einer solchen wünschenswerten Gesellschaft teilnehmen zu können, streben sollte. Ich weiß nicht, was für Eigenschaften der Orden von seinen Kandidaten fordert: Lässet selbiger nur Männer von Genie zu, so bescheide ich mich gern, daß ich solches Glücks schwerlich fähig sei; siehet der Orden aber mehr auf Vorzüge des Herzens und auf guten Willen, dann schmeichle ich mir, vielleicht ein nicht ganz unwürdiges Mitglied werden zu können.“
War der Vater Freimaurer, wurde es meist auch der Sohn. Manch eine Familie wies mehrere Freimaurer auf. Eine Mitgliedschaft war unter Verwandten und Freunden schwerlich geheim zu halten. Sie gründete Freundschaften, vielleicht auch Ehen, was sich indes nur vermuten lässt, weil die Logenquellen darüber nichts aussagen. Man müsste andere Quellen heranziehen, Nachlässe, Memoiren, Briefe. Man heiratete zudem seltener aus Liebe, eher aus Geschäfts- und Familieninteresse, was Zuneigung nicht ausschloss. Vermögen, gesellschaftliches Ansehen, Geschäftsbeziehungen standen obenan. In der Regel heiratete man unter seinesgleichen, beispielhaft die Apotheker oder die Unternehmer, öfter der Unternehmersohn in die Familie eines Gelehrten, etwa eines Theologen, usw.
Die Freimaurer des Handbuchs wurden durchschnittlich 62,1 Jahre alt, ihre Ehefrauen 59,6 Jahre, was etwa dem damaligen Durchschnittsalter für beide Geschlechter von 55–60 Jahren entsprach (Kai Lehmann), aber erheblich unter dem heutigen Stand lag (2019 in Deutschland Männer 76,6, Frauen 83,4 Jahre). Einer der Gründe war die sehr hohe Kindersterblichkeit. Viele Kinder aller Bevölkerungsschichten, ob der Familie des Königs oder der armer Menschen, starben in ihren ersten Lebensjahren. Viele junge Mütter starben im Kindbett. Welch Leid für Frauen, Väter, Kinder! Das Tagebuch des Grafen Ernst Ahasverus Heinrich v. Lehndorff, eines langjährigen Freundes Prinz Heinrichs, gibt ein erschütterndes Zeugnis. Viele Freimaurer heirateten daher, weil sie eine Mutter für die Kinder und eine Frau für den Haushalt brauchten, ein zweites oder drittes Mal.
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Die preußischen Freimaurer waren Gestalten und Gestalter ihrer Zeit, tätige Menschen, viele von Rang und Namen in Staat, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur; ihre Namen leben in unserem Gedächtnis. So liest sich das Handbuch nahezu als ein solches des friderizianischen Preußens im Zeitalter der Aufklärung.
Der Zeitrahmen der Biografien umfasst landesgeschichtlich die sechs Jahrzehnte vom Ersten Schlesischen Krieg und der preußischen Eroberung Schlesiens (1740/41), welche die Geschichte Preußens und Europas in eine neue Bahn lenkte, bis zum Untergang des Alten Preußens (1806/07) und zum Beginn der Preußischen Reformen, logengeschichtlich die Jahrzehnte von der Aufnahme Friedrichs Prinz von Preußen in den Freimaurerbund (1738) und den Gründungen der in Rheinsberg (1739) und der Loge in Berlin (1740) bis zu den Reformen der Jahrhundertwende und dem Verlust und der Schließung zahlreicher Logen im Vierten Koalitionskrieg 1806/07.
Der geographische Rahmen umfasst das Staatsgebiet Brandenburg-Preußens in den Grenzen von 1795 - der Zweiten Polnischen Teilung (1793) und dem preußisch-französischen Frieden von Basel (1795). Es erstreckte sich im Westen von den Vereinigten Niederlanden bis zum Russischen Kaiserreich im Osten, im Norden von Nordsee und Ostsee und Mecklenburg bis zum Habsburgerreich, zu Sachsen, Thüringen, Anhalt, Braunschweig im Süden. Weite Teile der Monarchie lagen außerhalb des Reiches, so das namensgebende Königreich Preußen (Ostpreußen) sowie das durch die Polnischen Teilungen gewonnene Preußen Königlichen (Polnischen) Anteils (Westpreußen) und das Ermland. Das westelbische Preußen lag gestreut inmitten anderer Reichsterritorien, während das ostelbische Preußen ein geschlossenes Gebiet bildete. Brandenburg-Preußen war nächst dem Habsburgerreich der größte Territorialstaat des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Man reiste viele Tage, um von einem Ende zum anderen zu gelangen. Der Kupferstecher Daniel Chodowiecki etwa brauchte 1773 auf einem alten Kavalleriepferd von Berlin bis in seine damals noch polnische...