E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Gnass / Sirsch Die Komplexität des Schmerzes
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-456-76196-1
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schmerzexpertise nach dem EFIC-Curriculum
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-456-76196-1
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schmerzexpertise in den Feldern der Gesundheitsversorgung Schmerz ist ein multidimensionales Phänomen und betrifft Menschen aller Altersstufen und Erkrankungen in jedem Stadium ihres Lebenslaufs. Neben den körperbezogenen Faktoren rücken zunehmend -psychosoziale Faktoren in den Fokus der Schmerzexpert_innen. Sie koordinieren den therapeutischen Prozess, beraten die Patient_innen und ihre Zu- und Angehörigen, fördern ihre Lebensqualität und gestalten maßgeblich ihre gesundheitliche Versorgung. In ihrer spezifischen Nähe zu Menschen mit Schmerz sind sie die professionellen Fachkräfte für Assessment, Diagnostik, Intervention und Evaluation in einem multiprofessionellen Kontext. Die insgesamt vier Bände zum Thema orientieren sich am Curriculum der European Pain Federation (EFIC) und verknüpfen u.a. mit Case Reports die interdisziplinären Perspektiven mit den praxisorientierten Erkenntnissen der Herausgeber_innen und Autor_innen aus den verschiedenen Feldern der Schmerztherapie. Band 1: Komplexität in der Schmerzentstehung und -therapie Der erste Band legt die Grundlage für eine Beschäftigung mit dem Schmerz als multidimensionales Phänomen und seiner Entwicklung in Forschung, Lehre und klinischer Versorgungspraxis. Neben der Schmerzentstehung und -wahrnehmung beschreiben die Autor_innen ihre Perspektiven im interprofessionellen Team anhand unterschiedlicher Versorgungsbereiche.
Zielgruppe
Schmerzexpert_innen der Gesundheitsberufe
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
|27|2 Schmerz und Pflegewissenschaft
Im Themenbereich Schmerz und Pflegewissenschaft freuen wir uns, das Schmerzmanagement in der Pflege mit Blick auf die Pflegewissenschaft und -forschung – nationale und internationale Aktivitäten – darzustellen. |29|2.1 Schmerz und Pflegeforschung
Thomas Fischer, Kirsten Kopke Pflegerische schmerzbezogenen Forschung hat international eine lange Tradition, wie sich beispielsweise am bereits seit dem Jahr 2000 erscheinenden Journal „Pain Management Nursing“ (www.painmanagementnursing.org) ablesen lässt. In Deutschland wurde im Jahr 1998 vom „Deutschen Verein zur Förderung von Pflegewissenschaft und -forschung e.?V. (der heutigen „Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft“) der Band „Schmerz. Perspektiven der Pflegeforschung“ herausgegeben (Schröck & Drerup, 1998), in dem wesentliche internationale Veröffentlichungen zur schmerzbezogenen Pflegeforschung ins Deutsche übersetzt wurden. Im Vorwort schrieben die Herausgeberinnen: „Dieser Reader kann ein hilfreiches Mittel sein, um ein stärker auf die Forschung begründetes Schmerzmanagement in der Pflegepraxis zu entwickeln“. Sie bringen zudem die Hoffnung zum Ausdruck, dass Forschung dazu geeignet ist, eine stärker evidenzbasierte Pflege zu entwickeln. In der aus dem Jahr 2012 stammenden „Agenda Pflegeforschung für Deutschland“ (Behrens et al., 2012) wird Schmerz zwar nicht explizit benannt, er spielt aber implizit eine wesentliche Rolle, wenn beispielsweise Studien gefordert werden zur palliativen Pflege, zur „Effektivität und Effizienz klinisch-therapeutischer Pflegeinterventionen bei chronischer Krankheit“, „Entwicklung, Erprobung und Evaluation von nachhaltig wirksamen Strategien zum Symptom- und Selbstmanagement“, der „Entwicklung von Instrumenten für eine effektive Pflegediagnostik in Akutsituationen“ oder zur „Entwicklung, Erprobung und Evaluation evidenzbasierter pflegerische Interventionen“. In der „Forschungsagenda – Perspektive Schmerzforschung Deutschland“ (Deutsche Schmerzgesellschaft e.?V., 2017) wird explizit ein Beitrag der Pflegewissenschaft zur Schmerzforschung eingefordert, etwa in Hinblick auf bestmögliche pflegerische Behandlungsansätze, um Schmerzchronifizierung zu vermeiden und geeignete Interventionen zu entwickeln. Es stellt sich daher die Frage, wie die Realität der schmerzbezogenen pflegerischen Forschung aussieht. In diesem Beitrag soll daher ein Überblick über die durch Pflegefachpersonen geleitete oder für pflegerische Settings und den pflegerischen Handlungsauftrag besonders relevante Forschung gegeben werden. Dabei ist es das Ziel, Schwerpunkte zu identifizieren, Lücken aufzuzeigen und mögliche Felder der Weiterentwicklung zu diskutieren. Handlungsleitend wird dabei der Frage nachgegangen: „Wie lässt sich die pflegebezogene Forschungslandschaft zum Thema Schmerz und Schmerzmanagement in Deutschland, Österreich und der Schweiz innerhalb der letzten 10 Jahre beschreiben?“. Vorgehen Der Beitrag stützt sich auf eine Scoping-Review zur schmerzbezogenen Pflegeforschung in den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz, die sich am Vorgehen gemäß Joanna Briggs Institute (Peters et al., 2020) orientiert. Die systematische Literaturrecherche erfolgte über die interdisziplinäre bibliographische Datenbank Web of Science, die Artikel aus Natur- und Sozialwissenschaften, Technik und Medizin nachweist und darüber hinaus bereits in der Suche eine Differenzierung nach Entstehungsland zulässt. Zusätzlich wurde für den deutschsprachigen Raum über die Datenbank LIVIVO recherchiert. Ausgewählt wurden Studien, wenn sie: zwischen 2011 und 2021 von Autor*innen aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz veröffentlicht wurden, und an einem pflegewissenschaftlichen Institut, Fachbereich oder Department angesiedelt waren, oder wenn Pflegewissenschaftler*innen oder Pflegefachpersonen als Autor*innen beteiligt waren, oder ein pflegerisches Setting oder pflegerische Interventionen adressiert wurde, oder |30|wenn sie Angehörige der pflegerischen Berufsgruppe zum Gegenstand hatten. In diesem Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. 2.1.1 Ergebnisse der Review zur schmerzbezogenen Pflegeforschung Insgesamt wurden 100 Beiträge in Zeitschriften und Büchern identifiziert. Da einige Forschungsprojekte über mehrere Publikationen veröffentlicht wurden, ist die Gesamtzahl der pflegebezogenen Forschungsvorhaben, über die berichtete wurde, jedoch geringer. Die Projekte verteilten sich relativ gleichmäßig über die drei Länder Deutschland, Österreich und Schweiz und den Untersuchungszeitraum. Die größten schmerzbezogenen Forschungsschwerpunkte lassen sich erkennen am Institut für Pflegewissenschaft der Medizinischen Fakultät der Universität Basel (14 Publikation), am Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg (elf Publikation) sowie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin (acht Publikationen, unterschiedliche Institute). Anhand der Literatur lässt sich keine schmerzbezogene Kooperation dieser Standorte identifizieren. Schmerzarten Beim überwiegenden Teil der identifizierten Publikation wird nicht nach unterschiedlichen Schmerzarten bzw. -ätiologien unterschieden. Bei zehn Veröffentlichungen wird explizit Tumorschmerzen adressiert, in weiteren sechs Rücken- bzw. Nackenschmerz. Spezifisch auf chronischen Schmerz gehen sechs Publikationen ein, während der überwiegende Teil nicht zwischen chronischen und akuten Schmerzen differenziert. Studienarten und -themen Bei den identifizierten Vorhaben handelt sich zum größten Teil um deskriptive Arbeiten die mehrheitlich als Querschnittstudie angelegt sind. Hinzu kommen wenige qualitative Arbeiten sowie Auswertungen von Sekundärdaten (zum Beispiel von Krankenversicherungen). Während Studien gleichermaßen die Settings Krankenhaus und Pflegeheim adressieren, ist der ambulante Versorgungsbereich kaum vertreten. Einen Schwerpunkt der veröffentlichten Arbeiten bilden epidemiologische Fragestellungen, zum Beispiel nach der Prävalenz von Schmerzen in bestimmten Settings sowie zu mit Schmerzen assoziierten Faktoren. Die Projekte „Schmerzfreie Stadt Münster“ (Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg) sowie AMA-PAIN (Charité – Universitätsmedizin Berlin) haben hier jeweils mehrere aufeinander abgestimmte Veröffentlichungen vorzuweisen. Die Bestimmung von Parametern, anhand derer sich Schmerzen bei Personengruppen mit Kommunikationseinschränkungen erkennen lassen sowie Schmerzassessmentinstrumente bilden einen weiteren Schwerpunkt. Haltung, Wissen und Handeln von Pflegefachkräften zum Schmerzmanagement werden ebenfalls adressiert. Zudem wurde die Entwicklung einer interprofessionellen S 3 Leitlinie zum Schmerzassessment bei Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen identifiziert, an der Pflegende maßgeblich beteiligt waren (Sirsch et al., 2020). Interventionsforschung Nur ein geringer Teil der pflegewissenschaftlichen Veröffentlichungen bezieht sich auf Vorhaben, die die Untersuchung einer Intervention im Bereich des Schmerzmanagements zum Gegenstand haben. Ein Großteil davon wiederum untersucht, wie sich die Fort- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen und/oder Ärzt*innen und/oder anderen Gesundheitsberufen auswirkt. Dazu zählen etwa Projekte mit mehreren Veröffentlichungen der Charité – Universitätsmedizin Berlin (exemplarisch: Draeger et al., 2017; Koenner et al., 2015; Wulff et al., 2012) und des Instituts für Pflegewissenschaft der Universität Basel (Brunkert et al., 2019; Brunkert et al., 2021), die jeweils unter|31|suchten, wie die Umsetzung eines hausinternen Schmerzmanagementstandards in Pflegeheimen durch Fort- und Weiterbildung unterstützt werden kann. ...