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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Goldenberg Untreu

Beobachtungen einer Anthropologin
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7445-0720-2
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Beobachtungen einer Anthropologin

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-7445-0720-2
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Eine eindrucksvolle Reise in die widersprüchliche Welt von Treue und Untreue. Mirian Goldenberg, die erfolgreiche Anthropologin, vielfache Buchautorin und Kolumnistin aus Rio de Janeiro, ist Fachfrau für Beziehung und Untreue, Geschlechtlichkeit und Sexualität. Sie nimmt den Leser mit auf die Suche nach Erklärungen für das Phänomen der Untreue: Sie lässt uns teilhaben an ihrem Alltag als Frau und Forscherin, ihren Erfahrungen bei Vorträgen zum Thema, konfrontiert uns mit der Lebensbeichte der erfolgreichen Journalistin Mônica zwischen Leidenschaft und Unabhängigkeit und zeigt uns mit Simone de Beauvoir, dass gewählte Freiheit nur schwer zu ertragen sein kann. Auf kurzweilige Weise gibt sie uns sehr persönliche Einblicke in verschiedenste Perspektiven und Erfahrungen und zeichnet durch ein Patchwork an Erzählsträngen ein vielschichtiges Bild von Treue und Untreue. Es wird deutlich, dass Untreue eben kein individuelles Versagen ist oder einer triebgesteuerten Männerwelt zugeschrieben werden kann, sondern ein gesellschaftliches, äußerst komplexes und paradoxes Phänomen darstellt. Denn warum ist Untreue trotz der sichtbaren Veränderungen im Sexualverhalten nach wie vor ein Problem? Offenbar ist die 'seltene Perle der Treue' nicht nur für traditionelle, sondern gerade auch für heutige moderne und aufgeklärte Liebesbeziehungen ein grundlegender Wert.

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[6][7]Auf der Suche nach einem Anfang Als ich zwischen zwanzig und dreißig war, las ich sämtliche Bücher von Simone de Beauvoir: ihre Romane, ihre Memoiren, ihre Essays. Insbesondere Das andere Geschlecht hat mich nicht nur zu der Frau gemacht, die ich bin, sondern auch die Weichen dafür gestellt, dass ich heute in der Genderforschung arbeite. Das andere Geschlecht3 erschien 1949 in Frankreich und wurde zur Bibel der Feministinnen auf der ganzen Welt. Es enthält den inzwischen klassischen Satz »Man wird nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht« und eine radikale Verteidigung der Freiheit der Frau vor dem Gefängnis der Ehe. In der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau seien unzählige Schattierungen möglich, schrieb Simone de Beauvoir. In Kameradschaft, Erotik, Vertrauen, Zärtlichkeit könnten Mann und Frau füreinander die reichhaltigste Quelle der Freude, Bereicherung und Kraft sein, die ein Mensch sich überhaupt ersehne. Nicht die Einzelnen seien für das Scheitern der Ehe verantwortlich, sondern die Institution selbst, die an sich pervers sei. Zu fordern, dass ein Mann und eine Frau sich ein Leben lang in jeder Hinsicht vollständig gegenseitig erfüllen sollen, ist für Beauvoir ungeheuerlich und führe notwendigerweise zu Heuchelei, Lüge, Feindschaft und Unglück. Für Simone de Beauvoir ist eines der Hauptprobleme der Ehe ihre Asymmetrie sowie die sexuelle Doppelmoral, die es dem Mann erlaube, mit Sklavinnen, Konkubinen, Geliebten und Prostituierten das Bett zu teilen, während die Ehefrau ihm Jungfräulichkeit und uneingeschränkte Treue schulde. Und trotzdem glaubt Beauvoir an die Liebe. Ihre Beziehung zu Jean-Paul Sartre war dem Ideal schrankenloser Freiheit und absoluter Transparenz verschrieben und machte die beiden zum mythischen Paar des 20. Jahrhunderts. Sie wollten sich gegenseitig alles erzählen, sogar von ihren kontingenten Liebschaften. Ihre Beziehung, die[8] zu einem begehrten und häufig nachgeahmten Modell wurde, passte auf keines der bis dahin existierenden Arrangements. In ihren Memoiren4 berichtet Beauvoir über diesen legendären Pakt, der über fünfzig Jahre gehalten hat, von 1929 bis zum Tod Sartres im Jahr 1980. Sartre war nicht zur Monogamie berufen … »Bei uns beiden«, erklärte er mir unter Anwendung seines Lieblingsvokabulars, »handelt es sich um eine notwendige Liebe: es ist unerlässlich, dass wir auch die Zufallsliebe kennenlernen.« Wir waren von gleicher Art, und unser Bund würde so lange dauern wie wir selbst; er bot jedoch keinen Ersatz für den flüchtigen Reichtum der Begegnungen mit anderen Wesen. Warum sollten wir freiwillig auf die Skala der Überraschungen, der Enttäuschungen, der Sehnsüchte, der Freuden verzichten, die sich uns anboten? Kürzlich entdeckte ich bei der Lektüre von Eine transatlantische Liebe: Briefe an Nelson Algren5 eine Simone de Beauvoir, die mir bis dahin unbekannt gewesen war: nämlich eine Frau, die, um den Geliebten nicht zu verlieren, zu allem bereit war, außer, sich von Sartre zu trennen. Simone de Beauvoir lernte Algren 1947 auf einer Reise in die Vereinigten Staaten kennen, sie war 39 Jahre alt. Nach einer gemeinsam verbrachten Woche kehrte sie nach Frankreich zurück und begann, ihm Liebesbriefe zu schreiben. Wenn Sie zu unserem kleinen Zuhause zurückkommen, werde ich dort sein, unter dem Bett versteckt und überall. Ich werde jetzt immer bei Ihnen sein … wie eine liebende Frau bei ihrem geliebten Mann … Ich liebe Sie. Mehr ist nicht zu sagen … es ist Liebe, und mein Herz schmerzt. Ich bin glücklich, dass ich so tief unglücklich bin, weil ich weiß, dass auch Sie unglücklich sind, und es ist süß, die Traurigkeit zu teilen … Ich bin Ihre Frau für immer … mein geliebter Freund und Liebhaber, mein Mann einer Woche und mein Mann für immer … Oh! Ich werde Sie nicht gehen lassen, solang ich es verhindern kann; ich werde die Falle ganz eng geschlossen halten, ohne Mitleid. Sie gehören mir jetzt so, wie ich Ihnen gehöre … Was mich angeht, weiß ich, dass ich jetzt mit keinem Mann schlafen könnte. Ich könnte es nicht ertragen, eines anderen Mannes Hände oder Lippen zu fühlen, wo ich doch so bitterlich[9] nach Ihren geliebten Händen und Lippen verlange. Ich werde treu sein wie eine pflichtbewusste und konventionelle Ehefrau … mein Glück (liegt) jetzt in Ihren Händen (…); ich muss, ich will diese Abhängigkeit akzeptieren, da ich Sie liebe … Deshalb macht mir die Liebe etwas Angst, sie macht mich eher dumm … (S. 22, 23, 26, 29, 129, 100, 102, 104) In einem weiteren Brief an Algren rechtfertigt Simone de Beauvoir ihre Beziehung zu Sartre durch die Unterscheidung zwischen den Gefühlen, die ihre notwendige Liebe prägen – wahre Freundschaft, uneingeschränkte Solidarität, Verständnis, Ruhe, Ausgewogenheit – und denen ihrer kontingenten Liebe – wahre Liebe, sexuelles Verlangen, Sehnsucht, Angst. Wissen Sie, um Ihretwillen könnte ich viel mehr als einen netten jungen Mann aufgeben, ich könnte die meisten Dinge aufgeben; aber ich wäre nicht die Simone, die Sie mögen, wenn ich mein Leben mit Sartre aufgeben könnte. Ich wäre ein übles Geschöpf, eine Verräterin und Egoistin. Was Sie auch immer in Zukunft beschließen, ich möchte, dass Sie dies wissen: nicht aus Mangel an Liebe bleibe ich nicht bei Ihnen. Ich bin sogar sicher, dass unsere Trennungen für mich härter sind als für Sie, dass ich Sie auf schmerzlichere Weise vermisse als Sie mich; ich könnte Sie nicht stärker lieben, begehren und vermissen, als ich es tue. Vielleicht wissen Sie das. Aber Sie müssen auch wissen, obwohl es vielleicht arrogant klingt, in welchem Maße Sartre mich braucht. In Wirklichkeit ist er sehr einsam, sehr ruhelos, innerlich sehr aufgewühlt, und ich bin seine einzige wirkliche Freundin, der einzige Mensch, der ihn wirklich versteht, ihm wirklich hilft, mit ihm arbeitet, ihm etwas Frieden und Gelassenheit gibt … Ich könnte ihn nicht im Stich lassen. Ich könnte ihn für mehr oder weniger lange Perioden verlassen, aber mich nicht mein ganzes Leben an jemand anderen binden. Es ist mir zuwider, wieder davon anzufangen; ich weiß, dass ich Gefahr laufe, Sie zu verlieren, ich weiß, was es für mich bedeuten würde, Sie zu verlieren. Aber Sie müssen verstehen, wie die Lage ist … (S. 291/2) Simone die Beauvoir zeigt, dass ihr Verhältnis mit Sartre die Sexualität ausschließt. Es sei eine Seelenfreundschaft, während die Beziehung zu Algren aus Körper und Seele bestehe. Anschließend[10] zieht sie einen Vergleich zu der Beziehung, die sie zuvor zu dem jungen, gutaussehenden Bost unterhalten hatte, die nur aus Körperlichkeit bestand. Auf diese Weise unterscheidet sie drei Arten von Liebesbeziehungen: die auf Freundschaft beruhende, die auf Sexualität beschränkte und schließlich die wahre, totale Liebe, welche Freundschaft und sexuelles Verlangen vereint. In diesem Sinne ist ihre Beziehung zu Algren die vollständigste von den dreien. Trotzdem will sie Algren nicht heiraten und sich auch nicht von Sartre trennen, wie sie in einem anderen Brief an ihren Geliebten schreibt. Ich war zweiundzwanzig und er fünfundzwanzig, und ich gab ihm voller Begeisterung mein Leben und mich selbst. Er war mein erster Liebhaber, vorher hatte niemand mich auch nur geküsst. Wir haben eine lange Zeit zusammen verbracht, und ich erzählte Ihnen schon, wie sehr mir an ihm liegt, aber es war eher tiefe Freundschaft als Liebe; in der Liebe war unsere Beziehung nicht sehr erfolgreich. Hauptsächlich, weil er sich aus der Sexualität nicht viel macht. Er ist in allem ein warmherziger, lebhafter Mann – nur nicht im Bett. Ich spürte das bald, obwohl ich keine Erfahrung hatte, und allmählich wurde es sinnlos, ja, sogar unangebracht, weiterhin wie Geliebte zusammenzuleben. Wir gaben es nach acht oder zehn Jahren, die in dieser Hinsicht eher erfolglos waren, auf. Da – vor zehn Jahren also – erschien der nette junge Mann – Bost. Er war viel jünger als ich, ein früherer Schüler von Sartre, der ihn sehr mochte … Als Bost und ich während einer Bergwanderung im selben Zelt übernachteten und zusammen schlafen wollten, war das für uns (…) kein Problem … Außer mit Sartre und Bost habe ich dreimal in meinem Leben mit Männern eine Nacht verbracht – mit Männern, die ich bereits kannte und schätzte, obwohl ein wirkliches Liebesverhältnis nicht möglich war. Als ich zu Ihnen nach Chicago zurückkam, glaubte ich, es würde etwas Derartiges werden: ich mochte Sie; wir konnten ein paar Tage lang zusammen glücklich sein … Und all dies, Nelson, ist eine andere Art, Ihnen zu sagen, dass ich in Ihren Armen wirkliche, vollständige Liebe erfahren habe, Liebe, bei der Herz, Seele und Fleisch eins sind. Letztes Jahr gab es keinen netten jungen Mann, dieses Jahr wird es keinen geben, vermutlich wird es nie mehr einen anderen Mann geben. (S. 302/3)6 [11]Die Untreue wird den Liebenden zum Problem, wie den unzähligen Briefen zu entnehmen ist, in denen Algren sich fragt, ob er mit anderen Frauen schlafen darf oder nicht. Simone de Beauvoir antwortet jedes Mal darauf, dass er mit anderen Frauen schlafen könne, solange er nicht aufhöre, sie zu lieben. Für sie beruht Treue auf Freiwilligkeit und kann nicht erzwungen werden. Sie ist ihrem Geliebten treu, weil sie frei ist, da er der einzige Mann ist, den sie begehrt. In den Briefen betont sie unablässig, dass sie füreinander Mann und Frau seien und sie treu sei »wie eine pflichtbewusste und konventionelle Ehefrau«. Es ist immer das alte Problem: es macht mir nichts aus, wenn Sie mit einer Frau...


Prof. Dr. Mirian Goldenberg ist eine der bekanntesten brasilianischen Geschlechterforscherinnen und hat in ihrem Heimatland bereits zahlreiche Bücher zum Thema Beziehungen bzw. Untreue veröffentlicht. Ihre monatliche Kolumne in der Folha de Sao Paulo, einer der bekanntesten Tageszeitungen Brasiliens, machte Mirian Goldenberg auch in nicht-wissenschaftlichen Kreisen populär. Darin behandelt sie in prägnanten Artikeln vor allem Fragen zu Geschlechtlichkeit und Sexualität sowie Familie und Ehe.

Prof. Dr. Mirian Goldenberg ist eine der bekanntesten brasilianischen Geschlechterforscherinnen und hat in ihrem Heimatland bereits zahlreiche Bücher zum Thema Beziehungen bzw. Untreue veröffentlicht. Ihre monatliche Kolumne in der Folha de Sao Paulo, einer der bekanntesten Tageszeitungen Brasiliens, machte Mirian Goldenberg auch in nicht-wissenschaftlichen Kreisen populär. Darin behandelt sie in prägnanten Artikeln vor allem Fragen zu Geschlechtlichkeit und Sexualität sowie Familie und Ehe.



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