E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Green Nacht des Schicksals
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7337-4573-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-4573-8
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf dem Landsitz ihrer Familie will Kendra ein ganz neues Leben beginnen. Noch immer belastet sie ein traumatisches Erlebnis, das vor Jahren ihre Welt zum Einstürzen brachte. Nach einem Rockkonzert hatte sie einen Unfall, der einen totalen Gedächtnisverlust auslöste. Was war in dieser Nacht passiert? Mit wem hatte sie sich geliebt? Seit acht Jahren verheimlicht Kendra ihrer Tochter, dass sie selbst nicht weiß, wer der Vater ist. Sie hofft, auf Lakeview die Schatten der Vergangenheit verdrängen zu können. Doch als sie dem Unternehmer Brodie den Auftrag gibt, ihr Anwesen zu renovieren, benimmt er sich sehr merkwürdig. Mal küsst er sie heiß, dann wieder bleibt er eiskalt. Kennt er ihr Geheimnis?
Autoren/Hrsg.
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1. KAPITEL „Mom, ich möchte allein hineingehen.“ Megan Westmores dunkle Augen funkelten zornig. „Ich werde im nächsten Monat acht. Ich bin doch kein Baby mehr!“ „Aber die Lakeview-Grundschule ist neu für dich, und das Schuljahr hat schon vor vier Tagen angefangen …“ „Ich werde mich schon nicht verlaufen!“ Megan stieß die Tür des weißen Autos auf und sprang hinaus. „Wir haben am Freitag mit meiner Klassenlehrerin gesprochen. Ich weiß, wo ich hinmuss. Okay?“ Kendra Westmore sah ihre Tochter an und fragte sich, wie so oft, ob sie wirklich die Mutter dieses Kindes sein konnte. Oh ja, sie sahen sich sehr ähnlich. Sie hatten das gleiche weizenblonde Haar, die gleichen haselnussbraunen Augen und waren beide zierlich, aber ihre Persönlichkeiten hätten kaum unterschiedlicher sein können. Megan war selbstbewusst und furchtlos, während sie, Kendra … „Bye, Mom!“ Megan setzte ihren Rucksack auf. „Bis um halb vier.“ Sie schlug die Wagentür zu und lief auf den Schulhof, ohne sich noch einmal umzusehen. Kendra seufzte. Sie wusste, dass sie ihre Tochter zu sehr behütete, aber sie konnte es sich einfach nicht abgewöhnen. Megan war das Einzige, was sie auf dieser Welt besaß. Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn der Kleinen jemals etwas zustoßen sollte. Das Schrillen der Schulglocke ließ Kendra zusammenzucken. Zögernd legte sie den Gang ein, doch als sie anfahren wollte, scherte ein roter Pick-up vor ihr ein und blieb mit quietschenden Reifen knapp vor dem Bordstein stehen. Kendra musste hart auf die Bremse treten, um nicht auf ihn aufzufahren. Sie atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen, während der Fahrer seinen Passagier aussteigen ließ. Ein Kind sprang aus dem Fahrerhaus des Pick-ups, ein kleines Mädchen, das etwa in Megans Alter war. Doch die Kleine war kräftiger gebaut, und ihr Gesicht wurde von schwarzen Locken umrahmt. Schnell lief sie davon. „Bye, Dad! Danke fürs Herbringen! Bis dann!“, rief sie über die Schulter zurück. Der Mann drückte zum Abschied auf die Hupe, dann fuhr er an, aber kurz darauf leuchteten seine Bremslichter erneut auf. Auch Kendra hatte schon Gas gegeben, doch nun musste sie erneut heftig bremsen. Wütend sah sie zu, wie der Fahrer aus dem Wagen sprang. „He, Jodi!“, rief er dem Kind nach. „Ist heute nicht Hot-Dog-Tag?“ „Oh ja!“ Das Mädchen fuhr herum und rannte zu ihm zurück. Kendra trommelte ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad und sah zu, wie er sein Portemonnaie herausnahm und dem Kind einen Geldschein reichte. Dann rannte die Kleine wieder davon und war Augenblicke später im Schulgebäude verschwunden. Ihr Vater ging langsam zu seinem Auto zurück. Kendra musterte ihn missmutig. Er war groß, hatte welliges schwarzes Haar, war tief gebräunt und sehr attraktiv. In den eng sitzenden Jeans und dem schwarzen T-Shirt, unter dem sich seine kräftigen Muskeln abzeichneten, sah er sogar richtig sexy aus. Auch er sah jetzt zu ihr herüber, und als sich ihre Blicke trafen, lächelte er ihr freundlich zu. „Kinder!“, rief er mit einem Augenzwinkern, während er das Portemonnaie wieder in die Gesäßtasche schob. „Man muss …“ Er verstummte mitten im Satz und sah sie ungläubig an. Er hatte sie im selben Moment erkannt wie sie ihn. Sie konnte nicht anders, als ihn starr anzublicken. Die Luft zwischen ihnen schien zu vibrieren, so wie es immer gewesen war, wenn sie ihn in der Vergangenheit angesehen hatte. So war es ihr mit keinem anderen Menschen jemals ergangen, mit keinem anderen Mann. Allerdings war er damals noch kein Mann gewesen, sondern ein Teenager. Er war rau und wild gewesen und aus dem falschen Milieu gekommen. „Der Bursche ist nichts für dich, Kleines!“ Es hätte der ständigen Warnungen ihres Großvaters nicht bedurft. Sie war sich bewusst gewesen, dass sie allzu verschieden waren. Was er jetzt wohl denken mochte? Sein Lächeln war nicht mehr freundlich, sondern spöttisch und herausfordernd. Er schien sich daran zu erinnern, wie herablassend sie ihn stets behandelt hatte. „Na so was!“ Mit dem lässigen Gang, der schon damals sein Markenzeichen gewesen war, kam er auf sie zu. Er stützte eine Hand auf das Dach des Autos und beugte sich vor dem offenen Wagenfenster zu ihr nieder. „Wenn das nicht die hochnäsige Westmore-Göre ist. Bist du gekommen, um das Erbe anzutreten?“ „Na so was“, versuchte Kendra ihn zu imitieren. „Wenn das nicht der nichtsnutzige Spencer-Flegel ist!“ Sie hob das Kinn und blickte unverwandt in die blaugrünen Augen. „Könntest du vielleicht deine alte Klapperkiste aus dem Weg schaffen, Brodie? Ich habe es eilig.“ Es war gerade neun, aber bereits sehr heiß an diesem Septembermorgen. Kendra spürte, wie ihr der Schweiß über den Rücken rann. „Du willst also den Familienbesitz verscherbeln und dich dann wieder aus dem Staub machen“, sagte Brodie spöttisch. „Ich habe gehört, du bist vor einiger Zeit unter die Haube gekommen. Ist dein Mann auch hier in Lakeview?“ Sein Blick fiel auf ihre Hände, mit denen sie krampfhaft das Lenkrad umklammerte. An der linken Hand glänzte ein goldener Ring. Er wirkte wenig überzeugend. Vielleicht hätte sie vor der Heimkehr noch etwas Geld in einen Verlobungsring investieren sollen, um ihre Geschichte glaubwürdig erscheinen zu lassen. Dabei konnte es ihr völlig gleichgültig sein, was dieser Mann von ihr dachte. „Würdest du dich bitte in Bewegung setzen!“, forderte sie ihn kühl auf. „Wie gesagt, ich bin beschäftigt.“ „Wozu die Eile? Wie wär’s mit einem Kaffee? Um der alten Zeiten …“ Kendra legte den Rückwärtsgang ein und setzte den Wagen nach einem kurzen prüfenden Blick in den Rückspiegel zurück. Als sie Brodies erschrockenes „He!“, hörte, huschte ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht. Dann riss sie das Steuer herum und fuhr haarscharf an seinem Pick-up vorbei auf die Straße hinaus. Ohne noch einmal zurückzublicken, brauste sie davon. Die unerwartete Begegnung hinterließ einen unschönen Nachgeschmack. Es war jetzt mehr als acht Jahre her, dass sie die kleine Stadt Lakeview in British Columbia verlassen hatte. In der ganzen Zeit hatte sie nicht einen einzigen Gedanken an Brodie Spencer verschwendet. Warum auch? Er hatte ihr nie wirklich etwas bedeutet. Sein Vater, Danny Spencer, hatte als Gärtner bei ihrer Familie gearbeitet, und da Brodie seinem Vater gelegentlich dabei geholfen hatte, hatte sie ihn ab und zu auf dem Grundstück gesehen. Gewiss, sie hatte den wilden Burschen aus der Ferne ein wenig bewundert, aber davon abgesehen hatten sich ihre Wege kaum jemals gekreuzt. Ich hätte nichts dagegen, beschloss sie grimmig, wenn es auch jetzt dabei bleiben würde. Die Lakeview Construction Company, bestehend aus Büros, Materiallagern und Maschinenpark, erstreckte sich über ein großes Areal am östlichen Ortsrand von Lakeview. Brodie fuhr von der Schule direkt dorthin. Er parkte seinen Wagen auf dem Hof und sprang die hölzernen Stufen zum Hintereingang empor. Als er den Flur entlangschritt, hörte er Stimmen aus dem Büro. Mitzi war leicht an dem immer etwas atemlos wirkenden Tonfall zu erkennen. Als Brodie sich der offenen Tür näherte, sagte Pete gerade: „… und sie hat den Vertrag am Freitag unterzeichnet. Es ist ein riesiger Auftrag, Mitzi.“ „Ich werde Sam Fleet damit beauftragen.“ „Ja, Sam ist genau der Richtige … Oh, hallo, Boss.“ Pete, der in der Firma für die Kostenvoranschläge zuständig war, nickte Brodie freundlich zu. Ihr gefärbtes blondes Haar, das sie hochgesteckt hatte, wippte, als Mitzi sich eilig erhob. Schnell zog sie ihr kurzes weißes Strickkleid zurecht. „Ich hole Ihnen Kaffee, Chef.“ „Lieber Eistee, Mitzi. Vielen Dank.“ Während die Sekretärin auf ihren hochhackigen Sandaletten zur kleinen Teeküche auf der anderen Seite des Flurs stöckelte, griff Brodie nach einem Blatt Papier auf ihrem Schreibtisch. „Was haben Sie eben gesagt, Pete … über einen großen Auftrag?“ „Sie hatten ihn gerade in der Hand. Es geht um Rosemount, das Westmore-Anwesen. Es ist ein enormer Besitz am Westufer des Sees, hoch auf einem Hügel. Fantastischer Blick von dort.“ „Ich kenne es.“ Brodie dachte daran, dass Pete erst seit sechs Monaten in der Stadt war und nicht viel über ihre Vergangenheit wusste. „Der alte Besitzer ist kürzlich gestorben. Edward Westmore. Er hat sein Vermögen vor langer Zeit an der Börse gemacht. Sein Sohn Kenneth und seine Schwiegertochter Sandra sind vor ungefähr zwanzig Jahren ums Leben gekommen. Deren Tochter, die Enkelin des alten Westmore, hat den Besitz jetzt geerbt. Sie hat sich also in unsere Obhut begeben.“ „Besiegelt und unterschrieben. Sie will die Küche modernisiert haben.“ „Will sie selbst einziehen … oder verkaufen?“ „Sie will einziehen. Sie wünscht eine professionelle Küchenausstattung, weil sie Rosemount als Pension führen will.“ Während Brodie diese Neuigkeit zu verdauen versuchte, fuhr Pete fort. „Außerdem möchte sie, dass wir die alte Treppe herausreißen und stattdessen eine leichtere, geschwungene Konstruktion einbauen.“ „Sie will die Mahagonitreppe abreißen?“ Brodie sah Pete ungläubig an. „Die Frau ist verrückt. Das Ding ist ein Kunstwerk! Verdammt, allein die Schnitzereien …“ „Ja, ich weiß. Ich habe versucht, es ihr auszureden, aber sie war stur wie ein Maultier. Bis dahin war sie freundlich und zuvorkommend, aber als ich ihr wegen der...